Eine Reise nach Transnistrien führt in ein unabhängiges Gebiet

Zurück in der UdSSR?

Das Separatistengebiet Transnistrien ist international kaum anerkannt, doch im Alltag zeigt sich eine eigenständige Realität. Wer die Region besucht, taucht für wenige Stunden in eine Welt voller Widersprüche ein.

Autor/in:
Annika Weiler
Tafel Separatistengebiet Transnistrien / © Annika Weiler (DR)
Tafel Separatistengebiet Transnistrien / © Annika Weiler ( DR )

Transnistrien, offiziell die Pridnestrowische Moldauische Republik, ist ein schmaler Landstreifen zwischen der Republik Moldau und der Ukraine. International gilt die Region als Teil Moldaus, doch seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 versteht sie sich als unabhängiger Staat. Das Gebiet hat eine eigene Regierung, eine eigene Währung und eigene Grenzkontrollen. In der Praxis wird Transnistrien von russischen Separatisten überwacht und kontrolliert, während es international von keinem Land anerkannt wird. Nicht einmal von Russland, das politisch und wirtschaftlich großen Einfluss ausübt. 

Mit dem Privatbus ins abtrünnige Gebiet

Tiraspol ist die Hauptstadt Transnistriens. Wer dorthin reisen möchte, kann dies auch aus dem 60 Kilometer entfernten Chișinău, der Hauptstadt von Moldau tun. Zwar kann man im Internet eine Reise in das Separatistengebiet auch als Tour mit dem Titel: "Zurück in der UdSSR – Tiraspol & Bender City“ buchen, Moldauerinnen und Moldauer bieten aber auch Reisen über Privatbusse auf dem Zentralmarkt in Chișinău an. Die Busse bringen Reisende meist nach Tiraspol oder Bender, bekannte Orte in Transnistrien. Die Fahrt dauert eine Stunde und 40 Minuten und kostet im Durchschnitt 100 Lei. Das sind ungefähr so viel wie fünf Euro. Im Landesinneren wird hauptsächlich Russisch gesprochen. Daher ist zu empfehlen, mit einer russisch sprechenden Person in das Gebiet einzureisen, um mögliche Missverständnisse aufgrund von Sprachbarrieren zu vermeiden. Ebenso sollte man im Landesinneren das Gebiet nicht Transnistrien nennen, sondern den Namen "Pridnestrowie" nutzen.

Einreise unkompliziert, aber nicht für alle

Kurz vor der transnistrischen Grenze werden die Pässe kontrolliert. Deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger können mit dem Reisepass oder dem Personalausweis einreisen. Ausländischen Journalistinnen und Journalisten ist die Einreise in das Separatistengebiet nur mit besonderer Genehmigung gestattet. Diese wird nur selten erteilt. Reporterinnen und Reporter sollten in Erwägung ziehen, den Presseausweis nicht in das Gebiet mitzunehmen. 

Region mit Sowjetcharakter 

Herz mit Aufschrift "Tiraspol" (kyrillisch) / © Annika Weiler (DR)
Herz mit Aufschrift "Tiraspol" (kyrillisch) / © Annika Weiler ( DR )

Bereits bei der Einfahrt nach Tiraspol fällt der sowjetische Charakter der Stadt auf: Lenin-Statuen, Hammer-und-Sichel-Symbole, russische Fahnen. Um nach Tiraspol zu fahren, muss man durch den Kreis Bender hindurchfahren. Weiter nach Tiraspol markiert ein Panzer die Einfahrt, orthodoxe Kapellen glänzen mit Vergoldung.  Am Straßenrand tauchen immer wieder große Herzen mit der Aufschrift "Transnistrien" in kyrillischer Schrift auf. 

Die Einfahrt nach Tiraspol wird von einem besonders imposanten Herz markiert, auf dem in Kyrillisch "Tiraspol" steht. Am Busbahnhof in der Hauptstadt wirkt es wie ausgestorben, das Roaming aus Chișinău funktioniert hier nicht mehr, da in Transnistrien andere Anbieter tätig sind. Das Zentrum ist zwanzig Minuten zu Fuß entfernt. Wer kein Roaming hat, kann sich durchfragen. In offiziellen Wechselstuben kann man Moldawische Lei in Transnistrische Rubel wechseln. Im Stadtzentrum offenbart sich an manchen Ecken ein überraschender Kontrast zu dem, was zuvor ins Auge fiel. In einigen wenigen urbanen Cafés dominieren helle Räume, prunkvolle Kronleuchter und junge Menschen mit Laptops das Bild. Für einen Moment wirkt die Stadt hier fast lebendig und modern. Ein kleiner Einblick in eine andere Realität.

Regierungsgebäude in Tiraspol, Transnistrien / © Annika Weiler (DR)
Regierungsgebäude in Tiraspol, Transnistrien / © Annika Weiler ( DR )

Prunk und Militärdenkmäler

Auf dem Weg zum Regierungsgebäude wird der Gegensatz wieder spürbar: Militärische Denkmäler, prunkvolle Kirchen und Relikte der Sowjetzeit stehen unmittelbar nebeneinander und erzählen so die vielschichtige Geschichte dieser Stadt. In Transnistrien fällt die prunkvolle Christmas Cathedral direkt neben dem Regierungsgebäude auf, obwohl vieles in der Stadt verfallen wirkt. Die Kirche wurde 1999, sieben Jahre nach der Gründung Transnistriens, gebaut. Laut Dr. Regina Elstner dient die russisch-orthodoxe Kirche in solchen Regionen als Mittel, russische Interessen zu vertreten. Die Kirchenleitung steht eng mit der politischen Führung Moskaus in Verbindung, wodurch kirchliche Kontakte auch politischen Einfluss sichern.

The Christmas Cathedral in Tiraspol, Transnistrien / © Annika Weiler (DR)
The Christmas Cathedral in Tiraspol, Transnistrien / © Annika Weiler ( DR )

Rückkehr aus einer anderen Welt

Die Ausreise verläuft für Reisende mit Reisepass problemlos. Wer nur einen Personalausweis dabei hat, kann auf Schwierigkeiten stoßen, da die Kontrolleure diesen unter Umständen nicht kennen. Wer Transnistrien wieder verlässt, kehrt in die vertraute Realität Moldaus zurück. Mit dem Gefühl, ein Land besucht zu haben, das politisches Kalkül in sich trägt. Für Reisende bleibt Transnistrien ein kurzes, intensives Eintauchen in eine andere Welt.

Quelle:
DR

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