Neuer Bildband zeigt Aufbruch ins Wirtschaftswunderland NRW

Als Kirchtürme aus dem Boden schossen

Der Journalist Helge Matthiesen beleuchtet im Bildband "Nordrhein-Westfalen. Aufbruch ins Wirtschaftswunder" das Leben in NRW nach dem Krieg. Darin wirft er auch einen Blick auf die Rolle der Kirchen und konfessionelle Interessen.

Autor/in:
Johannes Schröer
Buchcover: "Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder" / © Jenny Meyszner (Greven)
Buchcover: "Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder" / © Jenny Meyszner ( Greven )

"Nach dem Krieg herrschte in Deutschland eine große Orientierungslosigkeit", sagt Helge Matthiesen, "da spielten die beiden großen Kirchen eine enorme Rolle, das Leben zu stabilisieren und den Menschen eine Heimat zu geben". Der Journalist und Autor Matthiesen hat zu dem Bildband "Nordrhein-Westfalen. Aufbruch ins Wirtschaftswunder" erhellende Texte über die Anfangsjahre in NRW geschrieben. Als Millionen von Aussiedlern und Flüchtlingen ins Land kamen, seien überall in NRW viele neue Kirchen gebaut worden, erzählt er.

"Von Anfang an war man sich klar darüber, dass da Menschen kamen, die außer einer Wohnung und einem Arbeitsplatz auch eine neue Heimat suchten", sagt Matthiesen. Später, als die "Gastarbeiter" nach NRW kamen, sei das anders gewesen, erklärt der Autor. Da habe man versäumt, die Menschen zu integrieren. "Wir haben Arbeiter geholt, und es sind Menschen gekommen", so hat Heinrich Böll schon sehr früh kritisiert, dass den Arbeitskräften aus dem Ausland nie eine Teilhabe an der Gesellschaft angeboten und ermöglicht wurde.

Die Fotografien in dem Bildband über den NRW-Aufbruch ins Wirtschaftswunder zeigen ein geschöntes Nordrhein-Westfalen. Die Agentur der beiden Fotografen Dr. Paul Wolff und Alfred Tritschler übernahm Aufträge von Firmen oder auch der Tourismusbranche, um das Land in geschönten Bildern zu zeigen: Spielende Kinder, Freizeit beim Tanztee, glückliche Frauen an Nähmaschinen. Die vom Krieg verwüsteten Städte werden nicht gezeigt. Und doch erzählen die großformatigen Fotografien viel vom Leben und Land in NRW, vom Aufbruch und von den Träumen der Menschen damals. 

Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder / © Dr. Paul Wolff / Alfred Tritschler (Greven)
Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder / © Dr. Paul Wolff / Alfred Tritschler ( Greven )

"Die fotografierten Produkte kamen aus dem eigenen Land und nicht wie heute aus China oder Fernost", erzählt Matthiesen. Auf den Bildern sei gut zu erkennen, wie der Konsum immer wichtiger geworden sei – dazu der Aufbruch ins Automobilzeitalter. Die Menschen gehen ins Café oder  ins Freibad. Sie wollen sich nicht an den Krieg und den Holocaust erinnern. So spiegeln die Bilder auch ein Zeitalter der Verdrängung. Das Leben ist schön und bunt, und die Menschen sind froh. Das Kaufhaus erfüllt alle Wünsche.

Auch politische Hintergründe

Helge Matthiesen wirft in seinem Begleittext zum Buch auch einen Blick auf die politischen Hintergründe der Zeit, zum Beispiel wie Konrad Adenauer den ersten Ministerpräsidenten Karl Arnold ausgebootet hat. Oder wie und warum Düsseldorf zur Landeshauptstadt erklärt wurde und nicht Köln.

Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder / © Dr. Paul Wolff / Alfred Tritschler (Greven)
Nordrhein-Westfalen / Aufbruch ins Wirtschaftswunder / © Dr. Paul Wolff / Alfred Tritschler ( Greven )

Auch schildert er das Gerangel um die Einteilung Deutschlands in Bundesländer. "Katholische Kirchenvertreter drängten darauf, Westfalen in Richtung Norden zu erweitern, weil man die katholischen Gebiete im Oldenburger Münsterland und um Lingen an das katholische Westfalen anbinden wollte", erzählt Matthiesen, "aber dann haben die Besatzungsmächte die Entscheidungen getroffen, und die konfessionelle Zugehörigkeit einzelner Landstriche hat keine Rolle gespielt".

Quelle:
DR

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