Dogmatiker spricht sich für Predigerinnen aus

"Kompetenz wird nicht mit der Weihe verliehen"

Der 17. Mai ist in der Kirche der Gedenktag der Apostelin Junia. In vielen Kirchen predigen an diesem Tag Frauen, verbotenerweise. Nicht das Geschlecht sei entscheidend, sondern die Qualität der Predigt, sagt der Dogmatiker Wintzek.

Frau am Altar / © Harald Oppitz (KNA)
Frau am Altar / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Erst vor kurzem hatte der Vatikan schriftlich bekräftigt, die Predigt nach dem Evangelium in der Eucharistiefeier sei für Frauen nicht vorgesehen. Warum ist das so?

Prof. Dr. Oliver Wintzek (privat)
Prof. Dr. Oliver Wintzek / ( privat )

Prof. Dr. Oliver Wintzek (Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule Mainz): Das fragt man sich wirklich. Manchmal fragt man sich auch, ob wir keine anderen Probleme haben, dass solche Dokumente wieder in die Welt gesetzt werden. Schauen wir geschichtlich zurück in Zeiten, in denen die Gesellschaft männerdominiert war. Das ist noch gar nicht so lange her. Denken wir an das Frauenwahlrecht oder an die Möglichkeit, auch für Frauen studieren zu können. Da hatten Frauen im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu sagen, auch in der Kirche nicht. Das hat sich dankenswerterweise geändert. Das ist recht und gut so, wobei da durchaus noch Luft nach oben ist.

Was ist das Konstrukt, warum das nicht möglich ist? Man bindet de facto den Vorsitz der Eucharistiefeier, also einen Priester, an die Verkündigung des Evangeliums, die Auslegung, die Verheutigung, also die Predigt. Wobei ich zu bedenken gebe, das hier eigentlich zwei Dinge vermischt werden.

Auf der einen Seite steht, nennen wir es, die sakramentale Kompetenz, da sind wir beim Weiheamt, Männer. Aber es soll auch die theologische Kompetenz eingespeist werden. Die theologische Kompetenz ist aber nicht automatisch mit der Weihe verliehen. Insofern drängt sich die Frage auf, warum sollen das nicht Frauen genauso wie Männer können?

DOMRADIO.DE: Das Vatikan-Schreiben hat die Eucharistiefeier betont. Das bedeutet in einem katholischen Wortgottesdienst dürfen Frauen predigen. Warum diese harte Unterscheidung?

Wintzek: Das fragt man sich auch. Die Wortgottesfeiern sind ein relativ "junges Baby", das wir haben. Da ist diese sakramentale Kompetenz, Priester und jemand, der einen Wortgottesdienst leitet - Mann wie Frau - nicht gegeben. Da konstruiert man, dass es dann wohl so sein darf. Das ist natürlich etwas schief und durchaus fragwürdig.

DOMRADIO.DE: Wenn Frauen heute in Messfeiern predigen, ist das mindestens eine Provokation. Kann das auch Konsequenzen haben, für den Pfarrer, der das zulässt?

Prof. Dr. Oliver Wintzek (Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie)

"Können wir uns das wirklich leisten, dass 50 Prozent der Stimmen nicht gehört werden können?"

Wintzek: Provokationen müssen erst mal nicht schlecht sein, sondern können ein Desiderat anzeigen, wie es eigentlich sein könnte. Was sollte passieren? Ich stelle die Frage, wie viel Bataillone hat denn der Papst? Diese Dinge, die jetzt hier laufen und die ich durchaus begrüße, fügen sich eigentlich ein in das, was ein wirkliches Grundanliegen ist. Die Botschaft des Evangeliums unters Volk zu bringen. Können wir uns das wirklich leisten, dass 50 Prozent der Stimmen nicht gehört werden können? Ich mache mir keine Sorgen, über irgendwelche Konsequenzen. Was sollte das sein?

DOMRADIO.DE: Der Priester darf einen Diakon mit dem Predigtdienst beauftragen. Warum nicht auch die Pastoralreferentin, die im Zweifel viel besser oder genauso gut ist?

Wintzek: Ja, auch das ist irgendwie schief. Der Diakon gehört zum Weihe-Ordo hinzu. Gleichwohl gebe ich zu bedenken, - und ich möchte hier der Berufsgruppe nicht zu nahe treten - dass etliche von den ständigen Diakonen oft kein Hochschulstudium absolviert haben, wo es aber um die theologische Kompetenz geht. Das ist gerade in der Berufsgruppe der Pastoralreferent:Innen und Gemeindereferent:innen durchaus gegeben. Die können mit theologischer Kompetenz und sollten auch mit theologischer Kompetenz zu Wort kommen.

DOMRADIO.DE: Der katholische Reformdialog "Synodaler Weg" hatte beschlossen, die deutschen Bischöfe sollten eine Ausnahmeregel erarbeiten und genehmigen lassen, damit so genannte "qualifizierte Gläubige" in einer Eucharistiefeier predigen dürfen. Wird das auf absehbare Zeit Realität?

Prof. Dr. Oliver Wintzek (Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie)

"Ich würde die Frage stellen, geht es wirklich um verboten oder erlaubt? Oder geht es eher um sinnvoll und berechtigt? Letzteres würde ich betonen."

Wintzek: Da bin ich durchaus skeptisch. Auf der einen Seite begrüße ich natürlich dieses Ansinnen. Auf der anderen Seite ist es irgendwie in den katholischen Genen verankert: wir dürfen nur das tun, was erlaubt ist. Ich würde die Frage stellen, geht es wirklich um verboten oder erlaubt? Oder geht es eher um sinnvoll und berechtigt? Letzteres würde ich betonen. Es ist sinnvoll und berechtigt. Ich sprach davon, 50 Prozent dürften sonst gar nicht zu Wort kommen. Ob wir uns das wirklich leisten können im Zusammenhang mit der viel beschworenen Evangelisierung, das ist doch die Frage.

DOMRADIO.DE: Wie stehen Sie fachlich und persönlich zu der Frage, ob Frauen predigen dürfen sollten?

Prof. Dr. Oliver Wintzek (Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie)

"Darauf ist zu achten, dass die Predigt wirklich etwas ist, das Wesenhaftes, Existenzielles und Tragfähiges aus der Botschaft des Evangeliums in die heutige Zeit transportiert."

Wintzek: Sie sollten es und sie müssen es! Gleichwohl gebe ich zu bedenken, es geht um die Qualität der Predigt. Ein Taufschein ist noch kein theologisches Diplom. Es geht wirklich darum, dass hier Sinnvolles, Gegenwartstaugliches und Wegweisendes gesagt wird. Dass es auch schlechte Predigten gibt, das erleben wir durchaus, nicht wahr? Hier ist wirklich die Frage und das Gebot der Stunde: die Klasse macht es. Darauf ist zu achten, dass die Predigt wirklich etwas ist, das Wesenhaftes, Existenzielles und Tragfähiges aus der Botschaft des Evangeliums in die heutige Zeit transportiert.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)

Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist mit rund 265.000 Mitgliedern der größte katholische Frauenverband und einer der größten Frauenverbände Deutschlands. Wir machen uns stark für die Interessen von Frauen in Kirche, Politik und Gesellschaft und setzen uns für ihre Rechte ein.

Die kfd ist eine Gemeinschaft, die trägt und in der sich Frauen in vielfältigen Lebenssituationen gegenseitig unterstützen. Sie ist der Frauenort in der Kirche, offen für Suchende und Fragende.  

Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Plakat der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR