Puppendoktor hat geköpfte Madonna aus Straubing restauriert

Die Patientin ist genesen

Riesig war die Empörung, als vergangenen Herbst eine Marienstatue in Straubing das Opfer von Vandalismus wurde. Ein Restaurator aus Neuss hat die Madonna wiederhergestellt. In seinem Laden geht es öfter mal emotional zu.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Marcel Offermann mit Straubinger Madonna / © Rudolf Wichert (KNA)
Marcel Offermann mit Straubinger Madonna / © Rudolf Wichert ( KNA )

Mit neuer Farbe und frisch lasiert steht die geköpfte Madonna von Straubing im Zentrum eines kleinen Ladens. Rund acht Monate hat Puppenrestaurator Marcel Offermann aus dem rheinischen Neuss an der fast menschengroßen Figur mit den gefalteten Händen, dem weißen Umhang und dem schüchternen Lächeln gearbeitet. Jetzt sitzt der Kopf der Heiligen wieder da, wo er hingehört: auf ihrem Körper.

Große Aufregung um Vandalismus an Marienstatue

Im Oktober hatte vermutlich ein Unbekannter die Marienstatue von ihrem Sockel in der Jesuitenkirche in Straubing geschubst und über den abgebrochenen Kopf einen Mund-Nasen-Schutz gestülpt. Die Polizei vermutet einen damals 20-Jährigen hinter der Tat. Der Fall liegt seit einigen Wochen bei der Staatsanwaltschaft.

Ein Foto der zerstörten Maria auf der Facebook-Seite des Bistums Regensburg wurde tausendfach geteilt, und es gab zahlreiche Medienberichte. Auch Offermann erfuhr vom Schicksal der Straubinger Madonna. Kunsthistorisch ist der Wert der Statue, die wohl um die Zeit des Ersten Weltkriegs entstand, eher gering. "Aber es geht ja um den ideellen Wert", sagt der Restaurator, der als "Puppendoktor" firmiert.

Restauration in der "Puppenklinik"

Im Hauptberuf ist Offermann Notfallmediziner. Zusammen mit einigen Schützenbrüdern aus Neuss fasste er sich ein Herz und brachte die Geköpfte im Dezember in seinen 21 Quadratmeter kleinen Laden - die "Puppenklinik". Dort durfte sie erst einmal austrocknen. Neun Wochen lag sie neben der Heizung, dann begann Offermann mit der eigentlichen Arbeit.

Normalerweise restauriert der Puppendoktor seine Patienten in einer Werkstatt wenige Straßen vom Laden entfernt. Da er aber das Geschäft wegen Corona über den Winter ohnehin schließen musste und er die 210-Kilo-Statue nicht noch ein weiteres Mal bewegen wollte, nahm er sich des bayerischen Gastes gleich in der "Puppenklinik" an.

Puppen und Erinnerungen

Hier hantiert er zwischen Karokleidchen, Spitzenhäubchen und Häkelschühchen. Mehrere Dutzend Puppen aus den 1920er und 1930er Jahren hat Offermann in seinem Laden ausgestellt. "Das ist hier ein bisschen wie beim Psychiater", scherzt er. Seine Kunden erzählten zwar nicht liegend, aber auf einem alten Sofa sitzend oft Geschichten aus ihrem Leben, wenn sie die zerbrochene Cellophan-Puppe aus der Kindheit oder den vom Hund zerrissenen Teddy zum Reparieren brächten. Meist seien es ältere Menschen, die nicht einfach ein neues Spielzeug kaufen, sondern genau ihres wiederhergestellt haben wollten.

Eine Kundin habe ihm einmal erzählt, dass ihre Puppe sie bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg mit in den Schutzbunker begleitet habe, so Offermann. Ein anderer Kunde habe zerknirscht gestanden, dass er die Puppe seiner Frau kaputt gemacht habe. Noch habe sie nichts mitbekommen. Ob er da nicht schnell was machen könne? Auch Ehestreitigkeiten hätten sich in seinem kleinen Laden schon abgespielt. "Viele Männer haben wenig Verständnis für die Puppenliebe ihrer Gattinnen."

Material-Engpässe wegen Corona

Neben dem Spielzeug setzt der 50-Jährige auch Krippenfiguren und Heiligenstatuen wieder instand. Die Straubinger Madonna wollte er eigentlich bis März fertig restauriert haben. Wegen Corona habe es aber Material-Engpässe gegeben. Zudem gestaltete sich die Arbeit doch schwieriger als zunächst vermutet. Die Statue besteht aus Beton und Kalksandstein, wie Offermann erklärt. Als er die Dübel setzen wollte, um den Kopf wieder an seine vorgesehene Stelle zu bringen, drohte die Figur zu reißen.

Über einen Bekannten wurde der Puppendoktor schließlich auf eine Firma in Bayern aufmerksam, die mit Diamantbohrern und Spezialdübeln hantiert. In dem Unternehmen hatte man vom Schicksal der Madonna bereits gehört und schickte prompt zwei Fachleute - unentgeltlich. Material- und Transportkosten übernahmen zwei Schützenbrüder von Offermann, der auf einen Lohn verzichtet. "Ich glaube, wenn ich Geld genommen hätte, hätte meine Mutter gesagt, ich enterbe dich", erklärt er und lacht.

Hohe Affinität zur Gottesmutter

In der katholischen Pfarrei, in deren Gebiet die Puppenklinik liegt, sei er aufgewachsen und Messdiener gewesen. Obwohl er mittlerweile woanders wohne, besuche er immer noch die Messe in seiner Heimatkirche Sankt Marien. "Deshalb ist vielleicht meine Affinität zu Maria höher."

Im September soll die Patientin wieder zurück in ihre bayerische Heimat. Wenn es nach den Vorstellungen des Restaurators geht, bekommt sie zuvor den Reisesegen in Neuss mit auf den Weg. Er habe dem Pfarrer bereits einen Gottesdienst vorgeschlagen, sagt Offermann. "Das machen wir schon standesgemäß. Sie kann ja nicht ohne Segen fahren."


Marcel Offermann mit Straubinger Madonna / © Rudolf Wichert (KNA)
Marcel Offermann mit Straubinger Madonna / © Rudolf Wichert ( KNA )

Geköpfte Marienstatue / © Barbara Just (KNA)
Geköpfte Marienstatue / © Barbara Just ( KNA )

Abholung der geköpften Marienstatue / © Barbara Just (KNA)
Abholung der geköpften Marienstatue / © Barbara Just ( KNA )

Abholung der geköpften Marienstatue / © Barbara Just (KNA)
Abholung der geköpften Marienstatue / © Barbara Just ( KNA )
Quelle:
KNA
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