Kölner Innenstadtpfarrer wünscht Verständnis für Künstler

"Die Menschen sind mit ihrer Kraft am Ende"

Die Aktion "#allesdichtmachen" von deutschen Künstlern sorgt seit dem Wochenende für Empörung. Am Dienstag spricht Kanzlerin Merkel mit Kunstschaffenden. Pfarrer Dominik Meiering erhofft sich mehr Verständnis für leidende Künstler. 

Symbolbild Musiker spielt Gitarre / © fizkes (shutterstock)
Symbolbild Musiker spielt Gitarre / © fizkes ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sie stehen in engem Kontakt mit vielen - vor allem kirchlichen - Kunstschaffenden. Wie fanden Sie die #allesdichtmachen-Aktion?

Dominik Meiering (Kölner Domkapitular und Innenstadtpfarrer): Nach der ersten Debatte, die wir jetzt dazu gehört haben, muss man sagen: Das Anliegen ist voll berechtigt. Die Kultur muss natürlich für sich kämpfen, alle auf allen Ebenen. Die Sportvereine kämpfen auch für sich und versuchen wahrgenommen zu werden und Wege aus dieser schlimmen Pandemie heraus zu finden. Aber die Art und Weise, wie das geschehen ist, die stößt eben immer noch bei vielen auf Unverständnis. Natürlich, man muss auch mal provozieren. Man muss auch mal mit Ironie unterwegs sein. Aber manch einer hat es eben doch als sehr verletzend empfunden. Ich hoffe aber, dass etwas Positives daraus erwächst. Spätestens beim Gespräch mit der Kanzlerin wird sich das irgendwie auch so wandeln und in eine bestimmte Richtung lenken lassen, dass man spürt: Okay, gemeinsam arbeiten wir daran, durch diese schwierige Zeit zu kommen.

DOMRADIO.DE: Was hören Sie denn von den kirchlichen Künstlerinnen und Künstlern gerade? Wie kommen die damit klar, dass viele Auftritte derzeit nicht stattfinden?

Meiering: Das ist eine dramatische, eine schwierige Situation. Auch die ganze andere Kulturlandschaft hier in der Stadt leidet extrem. Und man darf ja nicht vergessen: Es gibt nicht nur diejenigen, bei der Stadt angestellt sind oder die eben besonders gut verdienen, sondern die allermeisten sind ja diejenigen, die nichts haben. Wir haben versucht, hier in der Kölner Innenstadt ein paar Wege zu zeigen. Zum Beispiel unser Kantor Matthias Bartsch hat in Sankt Agnes einen eigenen Chor gegründet, "Cantus Novus Colonia". Das sind nur Leute, die im Augenblick kurz vor dem Existenzminimum stehen. Mit denen wird ein bisschen gesungen, hier und da in den Gottesdiensten. Dann wird gesammelt, sodass die finanziell unterstützt werden.

Wir versuchen auch Studenten von der Musikhochschule, Instrumentalisten, die freiberuflich unterwegs sind, Sänger, die freiberuflich unterwegs sind, in den Gottesdiensten singen zu lassen. Natürlich immer unter strengen Hygiene-Auflagen. Aber dass die sich irgendwie ein bisschen was dazuverdienen können. Wir empfinden das als sehr gut und sehr hilfreich.

DOMRADIO.DE: Wenn Angela Merkel heute mit Kulturschaffenden spricht, was erwarten Sie von einem solchen Treffen? Was soll da am Ende bei rauskommen?

Meiering: Es geht am Ende wieder darum, Solidarität zu üben, einen Schulterschluss hinzubekommen, sich gegenseitig zu sensibilisieren für die Herausforderungen, die da sind. Wie die nächsten Schritte dann konkret aussehen, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, diese bundesweite Notbremse steht erst einmal. Die wird auch nicht in Frage gestellt werden können. Aber klar, die Menschen sind mit ihrer Kraft am Ende. Sie spüren: Wir brauchen jetzt wieder Kultur. Wir brauchen auch, um wirtschaftliche überleben zu können, wieder unsere Jobs. Und wir brauchen vor allen Dingen aber auch wieder ein irgendwie normales Leben für unsere Psyche. Das spüren wir. In so einem Augenblick sind wir eben nicht nur abhängig von den relevanten Berufen und Dingen, die unsere Gesellschaft tragen, wie Fabriken. Sondern wir leben wesentlich mit unserer Seele. Und ich finde das eine sehr große Herausforderung für uns als Seelsorger, jetzt auch in dieser Zeit und als Kirchen, dass wir wenigstens da versuchen zu unterstützen und Mut zu machen.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Domkapitular Dominik Meiering (KiK)
Domkapitular Dominik Meiering / ( KiK )
Quelle:
DR