Früherer Misereor-Chef Sayer wird 80 und fordert Reformen

"Die Kirche ändert sich zum Positiven"

Rund 15 Jahre war Josef Sayer das Gesicht des katholischen Entwicklungshilfswerks Misereor. Dabei kam ihm auch seine Zeit in Peru zugute. Auch mit 80 setzt er sich für den globalen Süden ein - und für Reformen in der Kirche.

Autor/in:
Raphael Rauch und Sabine Kleyboldt
Josef Sayer, ehemaliger Hauptgeschäftsführer von Misereor / © Christian Hass (KNA)
Josef Sayer, ehemaliger Hauptgeschäftsführer von Misereor / © Christian Hass ( KNA )

Josef Sayer, langjähriger Hauptgeschäftsführer des Entwicklungshilfswerks Misereor, feiert seinen 80. Geburtstag. Schon während seiner Zeit an der Spitze des katholischen Hilfswerks (1997 bis 2012) erhob der am 19. Dezember 1941 in Apatin (heute Serbien) geborene Geistliche immer wieder seine Stimme für die Menschen im globalen Süden. Auch mit 80 hat sich der studierte Theologe und Philosoph, Sozialwissenschaftler und Historiker nicht auf das Altenteil zurückgezogen, wie das Interview des Schweizer Portals kath.ch ahnen lässt.

Gerade sei der frühere Theologie-Professor in Rom gewesen. Genau wie Papst Franziskus, der am Freitag 85 Jahre alt wurde, begehe er seinen Geburtstag seit seiner Zeit in Peru von 1981 bis 1988 als ganz normalen Arbeitstag. "Ich feiere stattdessen meinen Namenstag, den Josefstag am 19. März - und zwar mit Gemeinden."

Rückstand bei Gleichheit der Frauen

Als Geburtstagswunsch mit Blick auf Kirche und Gesellschaft fordert er: "Die schönen Worte in Politik, Wirtschaft, Ökologie und in der Kirche gilt es auch tatsächlich umzusetzen", so Sayer, der von 1988 bis 1998 Professor für Pastoraltheologie im schweizerischen Fribourg war. "Wo ist zum Beispiel die Gleichheit der Frauen tatsächlich verwirklicht? Da hinken wir vor allem in der Kirche hinterher", sagt er. "Gott hat alle Menschen mit der gleichen Würde geschaffen."

Mit Blick auf kirchliche Reformen verweist der Theologe auf den Galater-Brief aus dem Neuen Testament: "Da gibt es weder Sklaven noch Freie, Griechen oder Juden, Männer oder Frauen. Von daher erscheint es doch geradezu lächerlich, wenn Frauen bei der Messe nicht das Evangelium vorlesen oder gut ausgebildete Frauen nicht predigen dürfen."

Öffnung des Pflichtzölibats in Latainamerika

Auch eine Öffnung des Pflichtzölibats hält er gerade vor dem Hintergrund der "Eucharistienot" in Lateinamerika für realistisch - selbst wenn der Papst das Thema nach der Amazonas-Synode 2019 nicht weiter vorangetrieben habe: "Wir sind ja noch mitten im Prozess. Die Sache wird ja im Amazonasgebiet weiter verhandelt", sagt Sayer, der in der von Franziskus eingesetzten neuen Organisation für Amazonien mitarbeitet.

Es gebe am Amazonas Gemeinden, die mangels eines Priesters mitunter seit Jahren keine Eucharistie gefeiert hätten, betont Sayer. "Wie kann man dann theologisch sagen, die Eucharistie ist konstitutiv für die Gemeindebildung - aber die nötigen Voraussetzungen hierfür nicht schaffen wollen?", so der Theologe. "Die Gemeinden haben ein Recht auf die Eucharistie, so sagte es die Amazonas-Synode ganz klar. Ich bin überzeugt, dass die Festlegung auf ein einziges Priestermodell angesichts der Eucharistienot der Gemeinden nicht haltbar ist." Und: "Verheiratete Priester werden aus kulturspezifischen Gründen kommen."

Kampf für Klima und Gerechtigkeit

Nach wie vor blickt Sayer über den kirchlichen Tellerrand hinaus, kritisiert das Fehlen einer kohärenten Klima- und Wirtschaftspolitik, den fortdauernden Hunger in der Welt und die Unfähigkeit, einen "nachhaltigen Lebensstil zu führen, der nicht auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder geht".

Er selbst engagiere sich in der "Ecclesial Networks Alliance" zur Vernetzung der Kirche im globalen Süden - etwa zum Schutz der Regenwälder. "Wir bereiten gerade die nächste UN-Klimakonferenz in Ägypten vor, die COP 27", berichtet Sayer. "Was in Glasgow passiert ist, war schlichtweg nicht hinreichend, um das Klima-Abkommen von Paris umzusetzen."

Berufung auf den Papst

Immer wieder verweist er auf Franziskus und seine Umweltenzyklika "Laudato si" (2015). "Mir haben führende Klimaforscher gesagt: 'Laudato si' war ein Game-Changer für die Verhandlungen der UN zum Klimawandel in Paris wie auch für die Politik." Die Enzyklika "Fratelli tutti" habe "eine unglaubliche Sogwirkung auf die islamische Welt und andere Religionen", lobt er: "Die Kirche ändert sich ständig - und zurzeit sehr zum Positiven."

Dabei sei die Kirche immer auch ein Abbild der jeweiligen Gesellschaft, gibt der Theologe zu bedenken. Und deshalb in ständigem Wandel. "Eine Idealform der Kirche, die für alle Zeiten gleich gültig wäre, ist ahistorisch und rechnet nicht mit dem Wirken des Heiligen Geistes in jeder Epoche und in den verschiedenen Kulturen."


Quelle:
KNA
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