Diakonie kritisiert Energiepreispauschale der Regierung

"Die Ärmsten werden damit nicht erreicht"

Das Entlastungspaket, das die Ampel-Koalition geschnürt hat, soll die Bürgerinnen und Bürger angesichts der hohen Energiekosten und Spritpreise entlasten. Doch der Diakonie Deutschland reicht das nicht, betont Maria Loheide.

Symbolbild Heizkosten / © ako photography (shutterstock)
Symbolbild Heizkosten / © ako photography ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die 300 Euro sollen allen Bürgern und Bürgerinnen als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werden. Warum ist das aus ihrer Sicht nicht für alle fair?

Maria Loheide, Diakonie Deutschland / © Jens Büttner (dpa)
Maria Loheide, Diakonie Deutschland / © Jens Büttner ( dpa )

Maria Loheide (Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland): Weil es natürlich erst einmal ein Riesenunterschied ist, wie viel ich verdiene. Hier werden alle in gleicher Weise berücksichtigt. Aber unsere größte Kritik ist natürlich die, dass im Prinzip nur die etwas davon haben, die tatsächlich auch Steuern zahlen, weil es ja über die Steuer erfolgen soll, als Gehaltzulage erfolgen soll.

Das heißt, dass Menschen, die wenig Steuern oder gar keine Steuern zahlen, überhaupt nichts davon haben und auch Grundsicherungsbeziehende nichts davon haben. Das heißt, gerade die Ärmsten werden damit nicht erreicht.

DOMRADIO.DE: Aber wer viel verdient, der muss ja auch darauf dann Steuern zahlen. Da bleibt dann auch weniger übrig. Und die Geringverdiener, die dann wenig Steuern zahlen, bekommen dann ja den größten Anteil des Geldes und können das dann behalten. Macht es das vielleicht ein bisschen gerechter?

Loheide: Ein kleines bisschen, würde ich sagen, das ist natürlich richtig. Aber trotzdem ist ja die Frage, ob wirklich Vielverdienende tatsächlich überhaupt einen Zuschuss brauchen. Und vor allen Dingen: Was ist tatsächlich mit denen, die gar keine Steuern zahlen?

DOMRADIO.DE: Sie fordern über die aktuellen Entlastungen hinaus, dass Sozialleistungen auch krisenfester gemacht werden müssen, damit man nicht jedes Mal wieder in Krisen über solche Sozialleistungen diskutieren und verhandeln muss. Wie soll das dann aus Ihrer Sicht in Zukunft aussehen?

Maria Loheide

"Deswegen ist unser Vorschlag, im Sozialgesetzbuch zu verankern, dass der Bundestag eine soziale Notlage ausrufen kann und dass dann tatsächlich die Menschen einen Zuschlag von 100 Euro erhalten können."

Loheide: Das ist tatsächlich ein ganz pragmatischer Vorschlag. Wir haben ja mit der Corona-Pandemie und nur mit den extrem steigenden Energiekosten auch aufgrund der Ukraine-Situation zwei Mal sehr dicht hintereinander eine Krise erlebt, die in der Tat die Menschen enorm treffen.

Unser Vorschlag ist jetzt, dass man für solche Situationen nicht jedes Mal ein ganz neues Gesetzgebungsverfahren anleiern müsste. Das hat ja Wahnsinnsauswirkungen, das dauert seine Zeit, das muss durch den Bundesrat. Das ist ein ziemlich hoher Aufwand.

Deswegen ist unser Vorschlag, im Sozialgesetzbuch zu verankern, dass der Bundestag eine soziale Notlage ausrufen kann und dass dann tatsächlich die Menschen einen Zuschlag von 100 Euro erhalten können. Das heißt, Voraussetzung ist immer, dass der Bundestag eine soziale Notlage feststellt und dann dieser Sozialzuschlag gewährt wird.

DOMRADIO.DE: Aber es könnte doch auch sein, dass das in Zukunft dann 100 Euro je nach Inflation und Lage dann wieder sehr wenig Geld ist.

Loheide: Das ist richtig, das müsste angepasst werden. Das wäre ja auch eine Zulage, die im Prinzip nur die Menschen bekommen, die in der Grundsicherung sind oder die dann neben Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohngeld, Kinderzuschlag oder Asylbewerberleistungsgesetz Unterstützung bekommen.

Diakonie Deutschland

Die Diakonie ist der soziale Dienst der evangelischen Kirchen. Sie versteht ihren Auftrag als gelebte Nächstenliebe und setzt sich für Menschen ein, die am Rande der Gesellschaft stehen, die auf Hilfe angewiesen oder benachteiligt sind. Neben dieser Hilfe versteht sie sich als Anwältin der Schwachen und benennt öffentlich die Ursachen von sozialer Not gegenüber Politik und Gesellschaft. Diese Aufgabe nimmt sie gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege wahr.

Diakonie (Symbolbild) / © Tobias Arhelger (shutterstock)
Diakonie (Symbolbild) / © Tobias Arhelger ( shutterstock )

Dass die 100 Euro dann regelmäßig geprüft und angepasst werden müssen, das versteht sich dann von alleine. Aber das heißt, damit wäre dann im Prinzip kein weiteres Gesetzgebungsverfahren mehr zuständig. Da muss man das einmal verankern im Sozialgesetzbuch und könnte das dann als Instrument nutzen, wenn wir solche Situationen erleben, die nicht ausbleiben werden.

DOMRADIO.DE: Für wie realistisch halten Sie das, dass so etwas beschlossen wird?

Loheide: Wir als Diakonie erarbeiten Vorschläge und das ist sicherlich ein Vorschlag, der gesetzestechnisch noch einmal im Einzelnen herausgearbeitet werden muss, wie das dann aussehen könnte. Wir bringen das ein. Ob das von der Politik als ein sinnvoller Vorschlag wirklich auch gewertet wird oder gesehen wird, das bleibt dann abzuwarten.

Aber wir haben jetzt gerade ja aus den letzten wirklich schon über zwei Jahren erfahren, wie wichtig das eigentlich ist. Und es könnte natürlich insgesamt auch zu weitaus weniger Bürokratie führen. Das wäre ein einfaches Verfahren.

Das Interview führte Florian Helbig.

Quelle:
DR