Der deutsche Protestantismus stellt sich auf Ära nach Huber ein

Jahr der Veränderungen

"Alsdann, mit Freuden ans Werk gegangen", lautet ein von Protestanten gern zitierter Spruch Martin Luthers. Die reformatorischen Kirchen können solche Ermutigungen derzeit gut gebrauchen - die Zahl der Gläubigen sinkt und damit auch der Kassenstand, die gesellschaftliche Prägekraft des Christentums nimmt ab, das Gespenst des Säkularismus geht um. Und wäre all das nicht schon Herausforderung genug, steht das Jahr 2009 bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Zeichen umfangreicher personeller und struktureller Veränderungen.

Autor/in:
Rainer Clos
 (DR)

Einen ersten Schritt unternahm die EKD am Wochenende in Würzburg. Ihre Synode konstituierte sich neu und bestimmte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zur Vorsitzenden. Mit ihr als Präses, wie das Amt offiziell heißt, könnte es gelingen, dem Kirchenparlament mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen als bisher. Die 43-jährige Bundestagsvizepräsidentin, die in der Regel bedächtig auftritt, hat angekündigt, als Synodenchefin auch mal «laut werden» zu wollen - sowohl in politischen und gesellschaftlichen Debatten wie auch gegenüber der evangelischen Amtskirche.

Deren oberster Repräsentant, EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber, tritt im Herbst in den Ruhestand. Dann endet eine sechsjährige Ära, in der der Berliner Bischof seiner Kirche ein prägendes Gesicht gab, Konturen setzte und wichtige Reformen einleitete. In seinem Bericht vor den Synodalen griff Huber wie gewohnt eine breite Palette politischer Themen auf, ohne geistliche und kirchliche Aspekte zu vernachlässigen. Als Klammer wählte er geschickt die Barmer Theologische Erklärung - jenes vor genau 75 Jahren verabschiedete Grundmanifest eines widerständigen Protestantismus.

Als eines seiner Vermächtnisse betrachtet Huber die vor drei Jahren mit dem Papier «Kirche der Freiheit» angestoßene EKD-Strukturreform.
Eindringlich appellierte er an das Kirchenparlament, den Prozess fortzuführen und ihm weitere Impulse zu verleihen. Ähnlich äußerte sich der badische Landesbischof Ulrich Fischer im Schlussgottesdienst der Synode. Die angestrebte Verringerung der Zahl der Landeskirchen auf acht bis zwölf bis 2030 scheint erreichbar - die Nordkirche kommt sicher, die niedersächsische Landeskirche vielleicht. Der Prozess ist inzwischen unumkehrbar.

Auch das sogenannte Verbindungsmodell kann Huber als Erfolg verbuchen, obwohl dessen Anfänge bereits vor seiner Amtszeit lagen. Erstmals tagte in Würzburg die EKD-Synode in zeitlicher Nähe und personeller Identität mit den Parlamenten der lutherischen und unierten Zusammenschlüsse, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der Union Evangelischer Kirchen (UEK). Ob die beiden Bünde langfristig bestehen bleiben, ist offen. Vor allem die VELKD setzt weiter auf ihr eigenständiges lutherisches Profil.

Welches Profil der Nachfolger von EKD-Ratschef Huber haben soll, wird gegenwärtig heiß diskutiert. Auf jeden Fall hinterlässt der 66-Jährige große Fußstapfen - für eine Frau? Ob sich die Hannoveraner Bischöfin Margot Käßmann (50) das Amt zutraut, ist bisher offen. Als weitere Kandidaten gelten die Bischöfe Ulrich Fischer (Baden), Frank Otfried July (Württemberg) und Martin Hein (Kassel). Außenseiterchancen werden Friedrich Weber (Braunschweig) und Renke Brahms (Bremen) eingeräumt. Jedenfalls sollte der oder die Gewählte - gut lutherisch - mit Freuden ans Werk gehen.