Der Afrika-Experte Helmut Asche über die Lage in Simbabwe

"Das Regime könnte morgen am Ende sein"

Die Cholera greift um sich, die Zahl der Erkrankten und der Todesopfer in Simbabwe steigt. Die Situation ist katastrophal und grenzt an eine humanitäre Katastrophe, sagt der Afrika-Experte Helmut Asche von der Universität Leipzig. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur erörtert der Professor am Institut für Afrikanistik mögliche Wege aus der Katastrophe.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

KNA: Herr Professor Asche, was passiert gerade in Simbabwe?
Asche: Die Situation ist dramatisch. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und sauberem Wasser funktioniert nicht. Mehr und mehr Krankenhäuser werden geschlossen. Die Menschen können kaum noch zum Arzt gehen.

KNA: Wie konnte es so weit kommen?
Asche: Vor ein paar Jahren, genauer gesagt bis 2000, ging es in Simbabwe noch recht manierlich zu. Es gab eine für afrikanische Verhältnisse relativ breit gefächerte industrielle Struktur - die kommerzielle Landwirtschaft hat floriert. Der Niedergang kam nicht sofort, sondern hat sich erst in den vergangenen zwei Jahren beschleunigt. Die Regierung ist Schuld an der Hyperinflation von aktuell 2 Milliarden Prozent. Jetzt kommt die Cholera dazu.
Natürlich fragen sich alle in dieser Lage: Wann machen die Menschen dort endlich eine Revolution? In den vergangenen Wochen schien dieser Punkt schon so manches Mal erreicht.

KNA: Bislang nehmen die Menschen die Not hin, es gibt nicht viele Anzeichen einer Revolte. Gibt es niemanden, der Präsident Mugabe stürzen könnte?
Asche: Es gibt einen immer kleiner werdenden Kreis von Profiteuren, denen der Finanzhahn abgedreht werden müsste. Dann könnte die Regierung das Offizierscorps nicht mehr an sich binden. Am 1.
Dezember gab es in Harare schon eine Meuterei einfacher Soldaten.
Aber noch reicht der Regierung das Geld aus, um ein paar Laster mit frisch gedruckten simbabwischen Dollars zur Kaserne zu fahren.

KNA: Wie sieht es mit der Opposition aus?
Asche: Die Oppositionspartei MDC hat schließlich die Wahl im Frühjahr 2008 gewonnen. Aber wie man gesehen hat, schafft es die Opposition nicht alleine, an die Macht zu kommen. Bei der massiven Repression reicht deren Stärke nicht aus, um zentrale Strukturen aus eigener Kraft lahmzulegen.

KNA: Und der Druck von internationaler Seite?
Asche: Der Druck ist immer noch zu gering. Britische Banken und Versicherungen leisten nach wie vor ihren finanziellen Beitrag für den simbabwischen Haushalt. Hier könnten die Sanktionen natürlich noch verstärkt werden. Dazu kommt, dass die Regierung Südafrikas im Falle Zimbabwe ihre Rolle einer regionalen Vormacht nicht wahrnimmt und die Regionalgemeinschaft des ganzen südlichen Afrika - die SADC
- tief gespalten ist. Als politische Plattform für die Konfliktlösung in Zimbabwe hat sie glatt versagt.

KNA: Fast drei Millionen Flüchtlinge sind nach Südafrika unterwegs.
Ist das nicht ein Argument, um einzugreifen?
Asche: Mugabe lebt immer noch von seinem Mythos als Vorkämpfer gegen die Apartheid. Deshalb wird er von wichtigen Staatsmännern in Afrika weiter unterstützt. Das Problem ist, dass Mugabe alle Probleme in seinem Land auf die Folgen des Kolonialismus schiebt; sogar für die Cholera macht er die früheren Kolonialherren, die Briten, verantwortlich. Es ist erstaunlich, aber die Solidarität der alten Kämpfer hält. Nur diese Erklärung macht die Pattsituation und die Handlungsunfähigkeit der früheren Frontstaatengemeinschaft SADC plausibel.

KNA: Und wenn die Südafrikaner die Geduld verlieren?
Asche: Sie müssten nur den Geldtransfer und gemeinsam mit Mozambique die Benzinzufuhr unterbinden. Dann wäre das Regime Mugabe übermorgen am Ende.