Debatte um Waffenrecht und Vorurteile nach Amoklauf

Im "religiösen Wahn"?

Nach dem Amoklauf bei einem Gottesdienst der Zeugen Jehovas in Hamburg mehren sich die Rufe nach einer Verschärfung des Waffenrechts. Zudem werden Warnungen laut, über Zusammenhänge zwischen dem Glauben und dem Motiv zu spekulieren.

Blumen und Kerzen liegen und stehen im Stadtteil Alsterdorf vor dem Eingang zu der Kirche der Zeugen Jehovas, in der mehrere Menschen getötet und verletzt wurden / © Daniel Bockwoldt (dpa)
Blumen und Kerzen liegen und stehen im Stadtteil Alsterdorf vor dem Eingang zu der Kirche der Zeugen Jehovas, in der mehrere Menschen getötet und verletzt wurden / © Daniel Bockwoldt ( dpa )

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwägt weitere Einschränkungen des Waffenrechts: In den ARD-"Tagesthemen" (Freitagabend) sagte sie, die Tat habe gezeigt, dass Änderungen "notwendig" seien.

Psychologische Eignung feststellen

So solle beim Antrag auf eine Waffenbesitzkarte künftig überprüft werden, "ob jemand psychologisch geeignet sei". Sie wolle ihren Gesetzentwurf nun auf mögliche "Lücken" prüfen, erklärte die Ministerin. Am Donnerstagabend hatte ein 35-Jähriger in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg sieben Menschen und anschließend sich selbst erschossen. Acht weitere Menschen wurden nach Angaben der Ermittlungsbehörden der Hansestadt zum Teil schwer verletzt.

Bei dem mutmaßlichen Schützen handelt es sich nach Angaben der Ermittler um ein ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft. Er sei durch ein Fenster in die Gemeinderäume im Stadtteil Groß Borstel eingedrungen. Die Waffe habe er legal als Sportschütze besessen.

Spekulation "verbietet sich"

Das Motiv für die Tat lässt sich noch nicht sicher feststellen, wie es hieß. Anhaltspunkte für eine politische Motivation lägen nicht vor. Die Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas habe der mutmaßliche Täter vor eineinhalb Jahren "freiwillig, aber nicht im Guten" verlassen. Hamburgs Waffenbehörde habe im Januar einen anonymen Hinweis erhalten, wonach der Mann an einer psychischen Erkrankung leiden könnte. Laut Medienberichten könnte "religiöser Wahn" für die Tat eine Rolle gespielten haben.

Fachleute warnten zudem, dass sich angesichts der Tat nicht "jahrzehntelang gepflegte Vorurteile" Bahn brechen dürften. "Es verbietet sich, über einen Zusammenhang zwischen der Glaubensgemeinschaft und den Motiven des Täters zu spekulieren", hieß es am Samstag in einer gemeinsamen Erklärung der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Arnold-Liebster-Stiftung. Die Schwelle zu "Häme, Hass und Hetze" sei schnell überschritten, wie sich in Sozialen Netzwerken zeige. Die Medien trügen hier eine besondere Verantwortung.

Kritik an den Zeugen Jehovas

Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit einer eigenwilligen Bibelauslegung. Die Anhänger glauben an Jehova als "allmächtigen Gott und Schöpfer". Sie sind überzeugt, dass eine neue Welt bevorstehe und sie als auserwählte Gemeinde gerettet würden.

In Deutschland hat die Gemeinschaft eigenen Angaben zufolge knapp 170.000 Mitglieder. Kritiker werfen ihr restriktive Organisationsstrukturen vor, die von den Mitgliedern blinden Gehorsam erwarteten und für kritische Rückfragen, Einwände oder Bedenken keinen Raum ließen.

Zeugen Jehovas

Die "Zeugen Jehovas" verstehen sich als christlich orientierte Religionsgemeinschaft. Die 1881 vom ehemaligen Adventisten-Prediger Charles Taze Russell in den USA gegründete Gruppierung zählt nach eigenen Angaben weltweit über acht Millionen Mitglieder, in Deutschland um die 170.000. Die deutsche Zentrale ist in Selters im Taunus, die internationale Zentrale in New York.

Zeugen Jehovas Schriftzug an Hauswand / © Harald Oppitz (KNA)
Zeugen Jehovas Schriftzug an Hauswand / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA