So geht es Erftstadt-Blessem drei Wochen nach der Katastrophe

Das Warten und Bangen geht weiter

Viele Häuser in Erftstadt sind fast wieder im Rohbau-Zustand, berichtet Gemeindereferentin Birgit Bartmann. Für einige Angebote der Kirchen seien die Menschen viel zu beschäftigt. Wertvoll seien Gespräche, Finanzhilfen – und Essensangebote.

Aufräumarbeiten in Erftstadt-Blessem / © Jonas Güttler (dpa)
Aufräumarbeiten in Erftstadt-Blessem / © Jonas Güttler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Situation in Erfstadt-Blessem gut drei Wochen nach der Katastrophe?

Birgit Bartmann (Gemeindereferentin in Erftstadt): Drei Wochen nach der Katastrophe stimmt ja nicht so ganz, weil die Leute erst eine Woche nach der Katastrophe oder noch später erst wieder in ihre Häuser konnten. Da stand das Wasser die ganze Zeit, ohne dass etwas getan werden konnte. Erst musste geprüft werden, ob die Statik noch hält, ob die Häuser noch erhalten bleiben können und wie die Zukunft des Ortes aussieht.

Wenn man durch die Straßen geht, dann sieht man, dass das erste Entrümpeln passiert ist. In fast allen Häusern ist der Estrich aufgestemmt, ist der Putz von den Wänden. Da ist schon ganz viel passiert. Man sieht viele Häuser, die fast im Rohbau-Zustand sind. Jetzt beginnt der Trocknungs-Prozess. Viele müssen auf Gutachter warten und erleben weitere bange Tage des Wartens und des Hoffens, dass das Haus nicht zu stark beschädigt ist.

DOMRADIO.DE: Wie hoch ist die Hilfsbereitschaft bei den Menschen, den Betroffenen jetzt zur Seite zu stehen?

Bartmann: Es ist unglaublich. Blessem ist überschwemmt worden von einer Welle der Hilfsbereitschaft. Die Polizei musste zum Beispiel den Ort Liblar absperren, weil alles voller geparkter Autos von Helfern stand, die nach Blessem wollten. Die Menschen kommen fast aus dem ganzen Bundesgebiet, um hier zu helfen. Diese Woche war es ruhiger. Wir hoffen, dass jetzt am Wochenende nochmal viele kommen, weil immer noch viel Hilfe bei den schweren Arbeiten gebraucht wird.

DOMRADIO.DE: Auch die Kirche ist aktiv: Was können Sie den Menschen anbieten?

Bartmann: Wir haben eine sehr gute ökumenische Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche von Lechenich, die für Blessen zuständig ist. Nach einer ersten Phase das Sondierens und Rumschauens sind wir jetzt so aufgestellt, dass wir, kenntlich durch lila Westen, immer mit drei bis vier Leuten in einem ökumenischen Team vor Ort an der Kirche sind. Ein Teil geht rund, spricht Menschen an oder macht gezielte Besuche. Der andere Teil steht an der Kirche – da ist auch die Essensausgabe – spricht mit Menschen und steht für Gespräche bereit. Das ist das, was unsere Manpower angeht.

Das andere ist, dass wir unglaublich viele Geldspenden bekommen haben. Wir haben sehr schnell ein Hilfsprogramm aufgelegt und einen Antrag beider Kirchen fertig gemacht, den wir den Menschen geben und mit dem sie finanzielle Unterstützung anfordern können.

DOMRADIO.DE: Und es gibt die Ape aus Frechen, die auch jeden Tag anrückt, Was ist das?

Bartmann: Das ist auch eine ganz unglaubliche Hilfsbereitschaft aus Frechen: ein Nachbarschaftsprojekt, das sich spontan entschlossen hat zu kommen und zu helfen. Die Ape ist ein dreirädriges Gefährt, das dann an unserer Kirche steht. Die Helfer kommen jeden Tag, und schmieren von 8 oder 9 Uhr bis 16:30 Uhr Brötchen, kochen Kaffee, wärmen Suppe auf, machen Würstchen fertig. Das ist im Moment besonders wertvoll. In den ersten Tagen und der ersten Woche gab es an jeder Ecke Essensangebote. Jetzt ist die Ape mit ihrem Angebot das einzige – außer einer muslimischen Gemeinde, die Essen verteilt. Auch die geht rund und ist auch zentral vor Ort an der Kirche.

DOMRADIO.DE: Wie könnte den Menschen denn ich sage bewusst spirituell und seelsorgerisch helfen?

Bartmann: Im Moment durch Gespräche. Wir haben die Kirche geöffnet, wir haben Kerzen brennen, wir haben Licht an. Das nutzt aber im Moment noch keiner. Wir glauben, dass die Menschen vor Ort einfach noch so beschäftigt sind und so viel Arbeit haben, dass sie diese, diese Ruhe-Oase für sich gar nicht nutzen können. Wie es weitergeht, da sind wir noch in den Überlegungen. Dieses große personelle Angebot werden wir so nicht weiter aufrechterhalten können. Wenn die Sommerferien vorbei sind, müssen wir sehen, wie die Situation dann vor Ort ist.

Das Interview führte Martin Mölder. 


Eine Drohnenaufnahme zeigt das Ausmaß der Zerstörung nach dem Unwetter in Erftstadt / © David Young (dpa)
Eine Drohnenaufnahme zeigt das Ausmaß der Zerstörung nach dem Unwetter in Erftstadt / © David Young ( dpa )

Nach dem Unwetter: Rettungsschwimmer und Polizeitaucher in Erftstadt / © Marius Becker (dpa)
Nach dem Unwetter: Rettungsschwimmer und Polizeitaucher in Erftstadt / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
DR
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