Das sind die Meilensteine auf dem Weg zur Einheit der Christen

Bereit für eine Lösung

Das Treffen des Papstes mit Vertretern zahlreicher Kirchen am Ort des Konzils von Nizäa und seine Begegnungen mit dem Ökumenischen Patriarchen gaben eine Ahnung davon, wie die Reise in Richtung Einheit der Christen verlaufen könnte.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel und Roland Juchem
Papst Leo XIV. und Bartholomaios I. bei ökumenischem Treffen / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV. und Bartholomaios I. bei ökumenischem Treffen / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Die Erinnerungsfeier an das vor 1.700 Jahren in Nizäa formulierte Bekenntnis sollte Ausgangspunkt sein für eine Vertiefung der Ökumene. 100 Jahre nach der ersten ökumenischen Weltkonferenz in Stockholm, 60 Jahre nach der Aufhebung des wechselseitigen Kirchenbanns zwischen Orthodoxen und Katholiken, 30 Jahre nach der bahnbrechenden Enzyklika "Ut unum sint" Papst Johannes Pauls II. und ein Vierteljahrhundert nach der Gemeinsamen Augsburger Erklärung zur Rechtfertigungslehre schien die Zeit reif für neue Durchbrüche - oder zumindest für neue Ziele bei der Einheit der Kirchen. Schon in den bisherigen Jubiläumsfeiern zum ersten ökumenischen Konzil waren entsprechende Erwartungen immer wieder angeklungen. Nun also ein Treffen von Papst und Ökumenischem Patriarchen.

Auf den Fundamenten des Konzilsortes

Den Auftakt bildete die Feier neben den archäologischen Ausgrabungen der antiken Neophyt-Basilika am Iznik-See. Die anwesenden Kirchenvertreter – unter ihnen der griechisch-orthodoxe Patriarch von Alexandrien und der syrisch-orthodoxe von Antiochia, der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Delegierte der Kopten, Armenier, Reformierten, Baptisten und Lutheraner – standen vor den Ikonen Christi und des Konzils und entzündeten eine Kerze.

Papst Leo XIV. und Bartholomaios I. / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV. und Bartholomaios I. / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Den Ton setzte beim Gedenken an Nizäa das orthodoxe Ehrenoberhaupt: "Trotz der vielen seither vergangenen Jahrhunderte und all der Konflikte, Schwierigkeiten und Spaltungen, die sie gebracht haben, nähern wir uns doch diesem heiligen Akt der Erinnerung mit gemeinsamer Ehrfurcht und einem gemeinsamen Gefühl der Hoffnung. (...) Wir sind hier, um denselben Glauben zu bezeugen, den die Väter von Nizäa formuliert haben. Wir kehren zur Quelle des christlichen Glaubens zurück, um weiterzugehen."

Etwas nüchterner äußerte sich an gleicher Stelle der Papst: Das christologische Glaubensbekenntnis von Nizäa sei "von grundlegender Bedeutung auf dem Weg, den die Christen hin zur vollen Gemeinschaft gehen: Es wird nämlich von allen christlichen Kirchen und Gemeinschaften weltweit geteilt, auch von denen, die das nizäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Liturgien verwenden. In der Tat ist der Glaube »an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt [...] aus dem Wesen des Vaters« (Glaubensbekenntnis von Nizäa) eine tiefe Verbindung, die bereits alle Christen vereint."

Pillay: Aus dem Credo müssen Taten folgen

Das Credo als Auftrag zu gelebtem, praktischem Glauben betonte hingegen der Generalsekretär des Weltkirchenrats, Jerry Pillay. "Das Bekenntnis zum nizänischen Glauben bedeutet, eine Berufung anzunehmen: die Berufung, die Wahrheit, die wir verkünden, in unseren Taten zu verkörpern", so Pillay in Iznik. Nizäa erinnere daran, dass der Ruf nach Gerechtigkeit und Einheit im Kontext der heutigen Welt besonders dringend sei, fügte er hinzu.

 © Domenico Stinellis (dpa)
© Domenico Stinellis ( dpa )

Die Betonung weniger des doktrinären als des praktisch gelebten Christentums ist ganz im Sinne der ökumenischen Anfänge vor 100 Jahren mit der ersten Konferenz für Praktisches Christentum in Stockholm. Nizäa, so Pillay weiter, biete "auch eine tiefgründige Perspektive, um über die Beziehung zwischen Glauben und Macht nachzudenken". "Wir sind verpflichtet, aufzudecken, wie Lehren und Traditionen dazu benutzt wurden, Unterdrückung zu rechtfertigen", so der südafrikanische Theologe.

Dabei warb er auch für den Weltkirchenrat. Auf dem Weg zu Gerechtigkeit, Versöhnung und Einheit wolle dieser die "weltweite Gemeinschaft von Kirchen nicht nur um unseren gemeinsamen christlichen Glauben, der nach wie vor unser lebendiges Zentrum ist, vereinen, sondern auch um die spezifischen Anliegen der Gerechtigkeit, Liebe, des Friedens und der Hoffnung".

Bei einer Begegnung mit dem armenischen Patriarchen Sahag II. in Istanbul weitete Leo XIV. seinen Ansatz aus: Es gelte, "jene Einheit wiederherzustellen, die in den ersten Jahrhunderten zwischen der Kirche von Rom und den altorientalischen Kirchen bestand". Ziel sei eine volle Gemeinschaft, "die nicht Absorption oder Dominanz bedeutet, sondern vielmehr einen Austausch jener Gaben, die unsere Kirchen vom Heiligen Geist (...) empfangen haben." Die dafür zuständige theologische Kommission werde hoffentlich "ihre fruchtbare Arbeit bald wiederaufnehmen", um "ein Modell der vollen Gemeinschaft zu suchen", wie es Johannes Paul II. in "Ut unum sint" gewünscht habe.

Papst Leo XIV. und Erzbischof Sahak II. Maschalian, armenisch-apostolischer Patriarch von Konstantinopel, am 30. November 2025 bei einem Gebetstreffen in der Armenischen Apostolischen Kathedrale in Istanbul. / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA (KNA)
Papst Leo XIV. und Erzbischof Sahak II. Maschalian, armenisch-apostolischer Patriarch von Konstantinopel, am 30. November 2025 bei einem Gebetstreffen in der Armenischen Apostolischen Kathedrale in Istanbul. / © Vatican Media/Romano Siciliani/KNA ( KNA )

Im Verlauf der Reise war es nicht nur Sahag, der auf das Leiden der Christen im gesamten Nahen Osten hinwies. Die Einheit der Christen untereinander sei deswegen nicht nur wünschenswert, sondern lebensnotwendig. Der Armenier sprach aus, was in Iznik, Istanbul und anschließend in Beirut mit Händen zu greifen war: In den vergangenen Jahrzehnten hätten die Beziehungen unter den Kirchen eine Tiefe erreicht, die einst kaum vorstellbar gewesen sei. Auch um die Einheit weiter zu stärken, wollte der Papst insbesondere jungen Christen im Libanon wie in Nahost überhaupt ermutigen, ihre Heimat nicht zu verlassen.

Papst lässt sich vom Patriarchen segnen

Dann war da noch die Ökumene der Gesten, wichtig besonders im Dialog mit den östlichen Kirchen. Am Ende eines Gottesdienstes in der orthodoxen Georgs-Kathedrale in Istanbul segneten beide Kirchenoberhäupter die versammelten Gläubigen nacheinander (der Papst auf Latein, der Patriarch auf Altgriechisch). Der Papst, dessen Jurisdiktionsprimat bekanntlich ein ökumenischer Stolperstein ist, bekreuzigte sich beim Segen des Patriarchen und ließ sich von ihm Gottes Segen zusprechen.

Zuvor hatte bei dem Gottesdienst (Moleben) der Diakon in der Doxologie den Namen des Papstes vor dem des Patriarchen genannt: "Erneut beten wir für den allerheiligsten Bischof und Papst Leo und für unseren Erzbischof und Patriarchen Bartholomäus, damit Er ihre Schritte zu jedem guten Werk leite." Dabei standen beide Kirchenführer beidseits der königlichen Tür der Ikonostase.

Es waren nicht nur liturgische Feinheiten wie diese, welche später Traditionalisten vom Berg Athos schäumen ließen, der Besuch des Papstes im Phanar sei ein "erneuten Fall Konstantinopels". Auch unter orthodoxen Kirchenvertretern im Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche habe dies wütende Reaktionen hervorgerufen, bemerkte Kiews Botschafter beim Vatikan, Andrij Jurasch.

Papst würdigt Aufhebung Exkommunikation 

Der Papst selbst würdigte in seiner Ansprache die Aufhebung der Exkommunikation im Jahr 1965 durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras. Diese historische Geste habe vieles schon ermöglicht. Nun gehe es darum, "sich verstärkt um die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft" zu bemühen. Das aktuelle Interesse daran ist orthodoxerseits unterschiedlich groß. Weswegen der Papst an Bartholomaios gewandt sagte: "Ich hoffe, dass Sie weiterhin alle Anstrengungen unternehmen werden, damit alle autokephalen orthodoxen Kirchen wieder aktiv an diesem Engagement teilnehmen."

Damit bezog sich Leo nicht nur auf das erwartungsgemäße Fehlen von Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche. Hatten doch auch die griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien und Jerusalem, Johannnes X. und Theophilos III., kurzfristig abgesagt und schickten Vertreter. Ihre Nichtteilnahme sei nicht nur eine formale Abwesenheit, kommentierte Archimandrit Gerasimos Fragoulakis vom Ökumenischen Patriarchat in einem Beitrag für "Phos Phanariou".

Mit ihnen fehlten Stimmen, "die die Erfahrung des Orients, der Multikulturalität, der Toleranz und der Märtyrermentalität mit sich bringen. Mit ihrer Haltung degradieren sich die Seligsten Patriarchen von Antiochia und Jerusalem selbst zu Oberhäuptern von "Institutionen" mit administrativen und zeremoniellen Aufgaben, obwohl sie Oberhäupter orthodoxer Kirchen mit lebendigen Zeugnissen in schwierigen Zeiten sind".

Wohl auch deswegen betonte der Papst seine Selbstverpflichtung. Als "Bischof von Rom – dessen spezifische Rolle auf der Ebene der Weltkirche darin besteht, allen zu dienen, um die Gemeinschaft und Einheit aufzubauen und zu bewahren –" wolle er vorrangig dazu beitragen "unter Achtung der legitimen Unterschiede die volle Gemeinschaft aller zu erreichen, die im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft sind".

Damit griff er den vom Ökumene-Dikasterium unter Kardinal Kurt Koch ausgearbeiteten Vorschlag auf, das Papstamt künftig auch überkonfessionell als einen "Dienst an der Einheit der Christen" neu zu definieren. In Istanbul wurde deutlich, dass dieser "Einheitsdienst" möglicherweise in brüderlicher Zusammenarbeit mit dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxen ausgestaltet werden muss.

Synodalität als Weg zur Einheit

Bartholomaios benannte konkrete theologische Streitfragen, die noch zu klären sind – und er deutete an, wie sie überwunden werden können. Inzwischen seien ein Vertrauen und Verstehen erreicht, die es den Kirchen ermöglichen, "in diesem kritischen Moment der Geschichte die dornigen Fragen der Vergangenheit anzugehen, um sie zu überwinden und zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zu gelangen".

Dazu trage auch das von vielen Kirchen neu entdeckte Prinzip der Synodalität bei. Und er fuhr fort: "Wir können nur beten, dass Fragen wie das "Filioque" und die Unfehlbarkeit in einer Weise gelöst werden, dass ihr Verständnis nicht länger ein Stolperstein ist, der die Gemeinschaft unserer Kirchen blockiert."

Damit deutet er an, dass zwischen Orthodoxen und Katholiken eine ähnliche Verständigungsformel angestrebt wird, wie sie 1999 zwischen Katholiken und Lutheranern gefunden wurde – und der sich auch Methodisten und Anglikaner angeschlossen haben. Im Kern sieht sie theologische Formulierungen aus früheren Jahrhunderten als "historische Formeln" an, die für keine Seite "heilsnotwendig" und darum heute nicht mehr kirchentrennend sind. Ähnliches scheint sich nun auch für die Frage der päpstlichen Unfehlbarkeit und für den Papst-Primat anzudeuten. Die sollen künftig in einer Weise interpretiert werden, die auch für andere Kirchen und Konfessionen akzeptabel ist.

Beim Thema Osterdatum indes kamen die Beteiligten nicht über Absichtserklärungen hinaus. Weil der Termin dieses Jahr in Ost- und Westkirche auf denselben Tag fiel, den 20. April, hatten manche Beobachter gehofft, anlässlich des Nizäa-Gipfels gebe es dazu neue Impulse. Immerhin hatte Leos Vorgänger Franziskus schon erklärt, die katholische Kirche sei bereit einer Lösung zuzustimmen, die von allen anderen Kirche getragen werde.

Damit der ökumenische Schwung des Konzilsjubiläums nicht versandet, regte der Papst bei einem Treffen der versammelten Kirchenvertreter in der syrisch-orthodoxen Mor-Ephrem-Kirche ein Zusammenkommen aller christlichen Gemeinschaften anlässlich des 2000. Todesjahres Jesu im Jahr 2033 in Jerusalem an.

Erstes Ökumenisches Konzil in Nizäa

2025 wird ein wichtiges Jahr für die weltweite Christenheit. Gefeiert wird das 1.700. Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils in Nizäa. 

Die Versammlung begann wahrscheinlich im Mai des Jahres 325 und war wegweisend für die Entwicklung des Christentums. Sie sollte theologischen Streit beilegen und die Einheit der Kirche fördern. 

Das Treffen behandelte zudem wichtige Fragen wie die Festlegung des Osterdatums. Seit dem Konzil kommen Bischöfe zusammen, um Glaubensfragen zu klären. Es gilt als die erste ökumenische Debatte der frühen christlichen Kirche.

Erstes Konzil von Nicäa im Jahr 325 (KNA)
Erstes Konzil von Nicäa im Jahr 325 / ( KNA )
Quelle:
KNA