Papst Leo XIV. hat bei einem historischen Gebetstreffen in der türkischen Stadt Iznik die Einheit der christlichen Kirchen und Konfessionen beschworen.
Am Ort des Konzils von Nizäa, das vor 1.700 Jahren die Grundlagen des christlichen Glaubensbekenntnisses formuliert hatte, betonte der Papst dessen grundlegende Bedeutung auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft aller Christen - in Anwesenheit zahlreicher östlicher und westlicher Kirchenführer. Alle Christen seien aufgefordert, "in Liebe und im Dialog das Ärgernis der leider noch bestehenden Spaltungen zu überwinden".
Das Ehrenoberhaupt der Orthodoxen weltweit, Patriarch Bartholomaios I., sagte, die Begegnung in Nizäa solle nicht nur an die Vergangenheit erinnern. "Wir kehren zu dieser Quelle des christlichen Glaubens zurück, um weiter voranzugehen (...) und Kraft zu schöpfen für die vor uns liegenden Aufgaben." Das antike Konzil fand im Jahr 325 vermutlich am Uferbereich des Iznik-Sees statt.
Papst-Attentäter schafft's nicht zum Plausch
Unterdessen schaffte es der einstige Papst-Attentäter Mehmet Ali Agca nicht bis zu Leo XIV. Er wurde von den türkischen Behörden aus Iznik fortbegleitet, ohne den Papst zu treffen, wie türkische Medien am Freitag berichteten. Agca selbst sagte, er sei freiwillig abgereist.
Tags zuvor war Agca dort aufgetaucht. Er heiße den Papst in der Türkei willkommen und hoffe auf ein Gespräch mit ihm, sagte der 67-Jährige einer türkischen Nachrichtenagentur.
Agca hatte 1981 auf dem Petersplatz mehrere Schüsse auf Papst Johannes Paul II. (1978-2005) abgefeuert und ihn lebensgefährlich verletzt. Der Papst überlebte und vergab dem Attentäter später. Nach seiner Haftentlassung vor 15 Jahren hatte der rechtsextreme Auftragskiller neben vielem anderen behauptet, den Auftrag für das Attentat auf Johannes Paul II. aus dem Vatikan bekommen zu haben. Die Hintergründe der Tat wurden aber nie aufgeklärt.
Am Morgen hatte Leo XIV. den katholischen Geistlichen und Ordensfrauen in der Türkei Mut zugesprochen. In der kleinen Kathedrale von Istanbul erinnerte er an die "byzantinische Vergangenheit, den missionarischen Schwung der Kirche von Konstantinopel und die Ausbreitung des Christentums im ganzen Morgenland". Doch die kleiner gewordenen Kirchen in der Region sollten heute auch entdecken, dass Gott den "Weg der Niedrigkeit" gewählt habe, so der Papst.
Kleinsein als Stärke der Kirche
Die wahre Stärke der Kirche beruhe weder auf Ressourcen und Strukturen noch auf der Zustimmung vieler, auf wirtschaftlicher Macht oder gesellschaftlicher Bedeutung, sagte der Papst den türkischen Christen, aber auch jenen in christlich geprägten Ländern. Die Seelsorger müssten vor allem "den jungen Menschen zuhören und sie begleiten" und sich um das kümmern, wozu die Kirche in der Türkei besonders gefordert sei: den ökumenischen und interreligiösen Dialog, die Weitergabe des Glaubens sowie die Flüchtlings- und Migrantenpastoral. In der Türkei leben laut Angaben des Vatikans 33.000 Katholiken; weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung.
Leo XIV. ist noch bis Sonntag in der Türkei und reist dann in den Libanon weiter. Laut Angaben der Hilfsorganisation Misereor knüpfen die Menschen dort große Erwartungen an den Besuch. Die Bevölkerung in dem von Krisen und Konflikten geplagten Staat im Nahen Osten erhoffe sich von Papst Leo XIV. eine "Botschaft der Versöhnung und der Zuversicht für eine bessere Zukunft", so der Libanon-Berater des Hilfswerks, Frank Wiegandt.
Der Papst müsse die politischen Akteure im Libanon in die Pflicht nehmen, forderte er. "Ich erwarte, dass der Papst die wachsende Ungleichheit und die Verarmung großer Teile der Gesellschaft thematisiert, die durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch und den Bankencrash infolge grassierender Korruption verursacht wurden." Im Libanon sind Politik und Religion eng miteinander verflochten.