DOMRADIO.DE: Nizäa gibt es nicht mehr. Es ist untergegangen. Wie sieht es denn vor Ort aus und warum hat man das Konzil dort durchgeführt?
Matthias Kopp (Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz und Archäologe): Das ist ein kleines "Kaff". Warum wird ein Konzil in einer Dorfstadt durchgeführt und nicht in einer großen Metropole? Damals war Konstantinopel noch nicht fertig gebaut und wahrscheinlich hat der Kaiser dann überlegt, dass der Ort Nizäa, der näher an der Provinz-Hausstadt Nikomedia liegt, der praktischere sei.
Wir kennen Kirchen aus dem vierten Jahrhundert, auch in der archäologischen Substanz, die nachher durch einen See untergegangen sind. Und das Spektakuläre war, dass man 2014 durch eine Luftaufnahme die Umrisse einer dreischiffigen, riesigen Basilika im See entdeckt hat, die mittlerweile einigermaßen frei liegt, weil der Grundwasserspiegel des Sees zurückgegangen ist.
DOMRADIO.DE: Wie kann man sich das vorstellen?
Kopp: Es gibt einmal diese Basilika, von der man nicht sicher ist, ob dort wirklich das Konzil stattgefunden hat. Es gibt dann noch eine andere große Kirche, die Hagia Sophia-Kirche in Nizäa, die heutige Orhan-Moschee. Die ist sehr gut erhalten, aber deutlich kleiner als die Kirche, die man 2014 gesehen hat.
Man sieht hier noch einen alten Kaiserpalast, gelegen auf einer großen Straße in Richtung Nikomedia. Und dieser Kaiserpalast ist typisch gebaut, wie man ihn auch aus Rom kennt – mit Backsteinziegeln, Zement dazwischen. Man kann auch Torbögen aus Travertin (Kalkstein, Anm. d. Red.) erkennen, also ein bisschen römische Stadt.
Doch wo genau der Ort liegt, an dem das Konzil stattgefunden hat, darüber sind sich die Archäologen bis heute uneinig.
DOMRADIO.DE: Am Freitagnachmittag wird Papst Leo XIV. in Iznik an einem ökumenischen Gebetstreffen teilnehmen. Warum, glauben Sie, wurde genau dieser Ort dafür ausgewählt?
Kopp: Einmal, weil er praktisch lag – an einer größeren Straße zwischen dem wachsenden Konstantinopel und dem antiken Nikomedia. Und sicherlich auch deshalb, weil es für die aus dem asiatischen Raum zum Konzil anreisenden Bischöfe der einfachste Punkt war. Nizäa war von der römischen Seite aus nicht ganz einfach zu erreichen, das war ein langer Weg. Iznik liegt rund 140 Kilometer südöstlich von Istanbul, ist also auch nicht mal eben um die Ecke.
Der Papst wird an diesem Nachmittag an einen Ort kommen, der archäologisch erschlossen worden ist. Man kann eine ganze Menge von den Ausgrabungen sehen. Es ist ein großes Freilichtmuseum geworden. Und an dem See gibt es so ein Holzstegsystem, auf dem man laufen kann, um bis an die Ruinen heranzukommen.
Ob es jetzt exakt die Kirche war, wo das Konzil damals stattgefunden hat, oder 100 Meter daneben, wo es vielleicht eine noch nicht ausgegrabene Kirche gibt, spielt keine Rolle. Für den Papst ist wichtig, an den Ort zu gehen, wo das Glaubensbekenntnis grundgelegt worden ist.
DOMRADIO.DE: Sie waren auch schon mal dort, richtig?
Kopp: Ja, ich kenne den Ort gut, es ist ein sehr spannender Ort. Es hat ja nicht nur ein Konzil im Jahr 325 dort stattgefunden, sondern es gab 787 noch ein zweites Konzil. Deshalb glaube ich, ist dieser Ort einfach ganz wichtig.
Die Türkei ist reich an Kulturschätzen, und wir müssen uns vor Augen halten, dass die Entstehung des christlichen Glaubens mit den ersten sieben – sogenannten – ökumenischen Konzilien in der Türkei stattgefunden hat. Nicht irgendwo in Rom, in Frankreich oder in Spanien.
Das Interview führte Lara Burghardt.