Christinnen blicken auf kirchliche Jugend in Ostdeutschland

"Ich will mich nicht dafür schämen, zur Kirche zu gehen"

Franka und Lara sind in ihrer Heimat Mecklenburg Exotinnen. Sie sind jung und gehen zur Kirche. Mehr noch, sie möchten gerne andere mit Glauben und Kirche in Berührung bringen. Dabei müssen sie Vorurteile abbauen.

Autor/in:
Nicola Trenz
Franka Bertarelli (l.) und Lara Aehnelt / © Nicola Trenz (KNA)
Franka Bertarelli (l.) und Lara Aehnelt / © Nicola Trenz ( KNA )

"Nach dem Gottesdienst steht man noch vor der Kirche und erzählt, die Kinder laufen herum und spielen, die Jugendlichen sind unter sich - das ist ein richtig schönes Bild." So beschreibt die 16-jährige Lara Aehnelt ihre kirchliche Heimat.

"Kirche ist nicht nur Beten und Glauben, sondern auch füreinander da sein und miteinander reden". Dass eine junge Frau aus Mecklenburg-Vorpommern von der katholischen Kirche schwärmt, ist ungewöhnlich. Rund drei Prozent der Menschen sind in ihrem Bundesland katholisch, der Anteil praktizierender Gläubiger liegt noch darunter. Nur wenige Kinder werden getauft.

Als Babys nicht getauft worden

Auch Lara ist nicht als Baby getauft worden, ihre Eltern waren nicht konfessionell gebunden. Als Lara in der Grundschule war, entschied sich ihre Mutter, katholisch zu werden. "Ich habe das natürlich nicht richtig verstanden, aber ich wollte es auch", sagt sie heute. In der zweiten Klasse hat sie sich taufen lassen. "Seit ich in der Kirche bin, habe ich das Gefühl, dass sich etwas vervollständigt hat", so die Schülerin.

Lara sitzt mit der 20-jährigen Franka Bertarelli auf einer Bank im Schatten des hohen Turms der Rostocker Petrikirche. Fahrräder stehen im Hintergrund, sie tragen weiße Sneaker. Beide sind in Mecklenburg-Vorpommern großgeworden. Rund 17 Prozent der Menschen dort sind Christen. Auch wenn im Rostocker Stadtbild einige mittelalterliche Kirchen auffallen, sind vielen in der Region Glaube und Religion fremd.

Franka Bertarelli / © Nicola Trenz (KNA)
Franka Bertarelli / © Nicola Trenz ( KNA )

Franka schwärmt von der kirchlichen Gemeinschaft, "in der man Glauben und sich selbst ausleben kann, in der man Rückhalt erfährt". Obwohl ihre Eltern nicht viel mit Religion am Hut hatten, nahm sie als Kind an einem Nachmittagsprogramm der Kirchen teil, der Christenlehre. "Spielen, singen, basteln", sagt Franka, ihr erster Berührungspunkt.

In der Pubertät entschloss sie sich ungewöhnlicherweise gegen die noch aus DDR-Zeiten stammende Jugendweihe, eine Art Initiationsfeier für junge Leute. Stattdessen ließ sie sich konfirmieren.

"Es war schrecklich", erzählt Franka, "alles lief total konservativ ab". Danach habe sie eigentlich nie wieder etwas mit Kirche zu tun haben wollen. "Das hat offensichtlich nicht wirklich geklappt", sagt sie lachend - denn heute studiert Franka evangelische Theologie und möchte Pfarrerin werden. Die persönliche Ansprache einer Pastorin hatte Franka schließlich wieder näher an die Kirche geführt, sie engagierte sich zunehmend in der Jugendarbeit. Heute betreut sie Ferienlager, eine Pfadfindergruppe und trifft sich mit anderen Glaubensinteressierten zur jungen Gemeinde.

In ihrer außerkirchlichen Lebenswelt in Rostock verschweigt sie das alles manchmal. "Wenn ich einen netten Abend haben will, dann nenne ich ein anderes Studienfach. Dann will ich nicht hören, dass die Kirche früher Frauen verbrannt hat oder dass es Gott gar nicht gibt." Standardfragen auf Partys seien, ob sie Alkohol trinke oder Sex vor der Ehe haben dürfe. "Manches finde ich übergriffig", sagt die junge Frau mit langem dunklem Haar. Gleichzeitig ärgert sie sich manchmal über sich selbst: "Ich studiere Theologie mit der Absicht, Pastorin zu werden - dann finde ich es schade, wenn ich mich nicht traue, über diesen Teil von mir zu sprechen."

Angst vor dem Unbekannten

Warum manche Menschen so reagieren? "Angst", sagt Franka. "Ich glaube, es hat viel mit Angst vor dem Unbekannten zu tun, viele haben hier ja gar keine Ahnung von Glauben und Kirche". Und das, was sie durch den Geschichtsunterricht oder die Medien mitbekämen, sei negativ, findet Franka. Bei Menschen aus klassischen DDR-Familien werde die Kirche immer noch ein bisschen kritischer als von anderen beurteilt, beobachtet Franka. Lara nickt.

Petrikirche in Rostock / © Nicola Trenz (KNA)
Petrikirche in Rostock / © Nicola Trenz ( KNA )

Die Beiden freuen sich, wenn es Interesse für kirchliche Themen gibt, und erleben dies auch durchaus bei ihren Freunden. Nur über offene Gespräche könnten Vorurteile abgebaut werden, finden sie. "An meiner Schule machen manche sich lustig darüber, dass ich im Schulgottesdienst ministriere, aber sie fragen nicht einfach mal nach, was ich da mache oder warum", bedauert Lara, die eines von zwei katholischen Gymnasien Mecklenburg-Vorpommerns besucht. "Ich will mich nicht dafür schämen zur Kirche zu gehen, egal, was sie sagen - es ist das, woran ich glaube, was mir Spaß macht."

Durch die katholische Schule seien verhältnismäßig viele Gleichaltrige zur Kommunion und Firmung gegangen. "Dazwischen hat man sie aber nicht in der Kirche gesehen", meint die 16-Jährige und schmunzelt. Erstaunlich allerdings: Drei Messen werden in der Rostocker Christuskirche an jedem Sonntag gefeiert, 30 Messdienerinnen und Messdiener hat die Gemeinde aktuell. Mit ein wenig Stolz in der Stimme erzählt Lara, dass sie inzwischen Oberministrantin ist und den Nachwuchs ausbildet. "Und bei der religiösen Kinderwoche in den Sommerferien haben wir oft 60 Kinder dabei, natürlich nicht nur Katholiken".

Vorbehalte gegenüber Religion

Wenn die Vorbehalte gegenüber Religion so groß sind, wie Franka und Lara es beschreiben, warum schicken Eltern ihre Kinder dann auf kirchliche Freizeiten? "Es gibt in der Region nicht viel", meint Franka und spricht über die dünne Besiedlung Mecklenburgs und darüber, dass das Bundesland zu wenig in junge Menschen investiere.

Straßenszene in Rostock / © Nicola Trenz (KNA)
Straßenszene in Rostock / © Nicola Trenz ( KNA )

Die Kirchen hätten dagegen Ressourcen für die Jüngeren und vor allem die Lust daran, mit jungen Menschen zu arbeiten. Vieles werde von Ehrenamtlichen getragen.

Auch Franka und Lara setzen sich für Kinder und Jugendliche ein. "Ich möchte Kindern ermöglichen, mit Kirche aufzuwachsen", sagt Franka, "das hatte ich so leider nicht". Gemeinschaft erleben, vor dem Essen ein Gebet sprechen oder darüber reden, wofür man dankbar ist: So möchten die beiden dazu beitragen, dass junge Menschen gute Erfahrungen mit Kirche machen. "Mit dem Glauben an Gott ist immer jemand da, dem man vertrauen kann, auf den man sich verlassen kann", sagt Lara. "Wenn man in eine schwierige Situation kommt, dann hat man nie das Gefühl, dass man allein ist, das finde ich sehr besonders."

Taizé

Taizé ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung. Der Ort im südlichen Burgund ist Sitz einer christlichen Gemeinschaft und wurde zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. Der Bruderschaft gehören rund 100 Männer aus etwa 30 Ländern an, die aus der evangelischen und katholischen Kirche stammen. Von ihnen lebt etwa ein Viertel in kleinen Gemeinschaften in Asien, Afrika und Südamerika. Diese Brüder teilen ihr Leben mit Straßenkindern, Gefangenen, Sterbenden und Einsamen.

Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Hände beim Taizé-Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA