CDU-Parteitag brachte keine Klärung im Richtungsstreit

Soziale Ausrichtung der Partei weiter unklar

Angela Merkel kann mit dem CDU-Parteitag in Dresden rundum zufrieden sein: Während ihre Position als Parteivorsitzende mit über 93 Prozent der Delegiertenstimmen eindrucksvoll zementiert wurde, wurden ihre potenziellen Kronprinzen, Roland Koch und Christian Wulff, mit deutlich schlechteren Ergebnissen auf Normalmaß zurechtgestutzt. So haben auch die Auftritte von CSU-Chef Edmund Stoiber auf CDU-Parteitagen ihre Brisanz verloren. Der bayerische Ministerpräsident stellt keine Bedrohung mehr für Merkels Machtstellung innerhalb der Union dar.

 (DR)

Insbesondere die knapp 58 Prozent von CDU-Vize Jürgen Rüttgers bei den Stellvertreterwahlen zeigen, dass die Christdemokraten allergisch auf Streit reagieren. Wer allerdings glaubt, mit der Abstrafung Rüttgers' sei auch die von ihm angestoßene Debatte über das soziale Profil der Partei erledigt, dürfte sich schon bald getäuscht sehen. Zwar wurde der Antrag seines nordrhein-westfälischen Landesverbandes für eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I gemeinsam mit dem wirtschaftsliberalen Antrag aus Baden-Württemberg an die Bundestagsfraktion überwiesen und erfuhr so eine „Beerdigung erster Klasse". Dennoch wird die Frage nach der sozialen Ausrichtung der Partei die Vorsitzende weiterverfolgen.

Denn dahinter steht die nach wie vor unbeantwortete Frage, wie es zu dem Debakel bei der Bundestagswahl 2005 kommen konnte. Merkel selbst trug mit ihrer Grundsatzrede in Dresden wenig zur Klärung bei, welchen Kurs die CDU künftig fahren wird. In ihrer neuen Rolle als Kanzlerin referierte sie abstrakt über Globalisierung und die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, blieb aber konkrete Antworten schuldig. Deutlich wurde lediglich, dass Merkels Strategie auf einen Mittelweg zwischen Reform- und Sozialpolitik hinauslaufen wird. Einen konsequenten Reformwahlkampf wie 2005 wird es mit Merkel nicht mehr geben.

Dresden hat klar gemacht: Die CDU will derzeit keine großen Reformen oder Visionen, sondern vor allem Ruhe und Regierungsmacht. Von Begeisterung oder Aufbruch wie auf dem Reformparteitag 2003 in Leipzig war in Dresden nur wenig zu spüren. Statt mutiger Reformen wurden hier zwei Anträge verabschiedet, die so schon einmal beschlossen worden waren und sich am Ende gegenseitig aufheben. Regierungshandeln werden sie ohnehin nicht, solange Union und SPD miteinander koalieren.

Die Unzufriedenheit mit der großen Koalition war auch in Dresden deutlich zu spüren. Doch müsste die Union bei der nächsten Bundestagswahl ein deutlich besseres Ergebnis als die 35,2 Prozent erzielen, die sie 2005 einfuhr. Merkel selbst hat in Dresden die Marke von „40 Prozent plus x" ausgegeben. Die Frage, mit welchen politischen Inhalten dieses Ziel zu erreichen wäre, ließ sie allerdings bewusst offen. So dürfte der Richtungsstreit in der CDU auch nach Dresden weitergehen.