Warnung vor "Linksruck" - Wulff geht auf Distanz zu Rüttgers

Richtungsstreit vor CDU-Parteitag

Unmittelbar vorm Beginn des Bundesparteitags am Montag in Dresden hat der Richtungsstreit in der CDU an Schärfe zugenommen. CDU-Vize Jürgen Rüttgers und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller warben am Wochenende für ein sozialeres Profil der Partei sowie für den Antrag auf eine längere Zahlung des Arbeitslosengeldes I für langjährige Beitragszahler. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ging hingegen auf Distanz zu Rüttgers. Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger (CDU) warnte vor einem "Linksruck".

 (DR)


"Die CDU ist keine Klassenpartei"
Wulff betonte: "Die CDU ist keine Klassenpartei. Sie ist Partei für Arbeiter und Arbeitgeber." Die CDU dürfe Wirtschaft und Sozialstaat, Kapital und Arbeit nicht gegeneinander ausspielen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Debatte und sprach sich für eine Integration von Wirtschaftsliberalität und christlicher Soziallehre aus. "Programmatische Debatten sind etwas, das eine Volkspartei nach vorne bringen kann", argumentierte sie. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla fügte hinzu: "Es ist doch richtig, dass die CDU auf einem Parteitag ihre Inhalte markiert und die Unterschiede zur SPD aufzeigt."

Wirtschaftsfachleute der CDU kritisierten diesen Kurs. "Ich bin mir nicht mehr sicher, ob die Wirtschaftspolitiker in der Partei die Mehrheit finden", sagte Josef Schlarmann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU. Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, fügte hinzu, der Parteitag müsse "nicht der großen Koalition gerecht werden, sondern dem marktwirtschaftlichen Marken-Kern der Union über den Tag hinaus klar definieren".

Rüttgers glaubt an Mehrheit für eigene Idee
Rüttgers glaubt, dass sein Antrag eine "große Mehrheit" finden wird. Wenn die Union bei den nächsten Bundestagswahlen wieder mehr als 40 Prozent erhalten wolle, müssten Arbeiternehmer gewonnen werden, gab er zu bedenken. Müller dringt ebenfalls auf ein schärferes soziales Profil seiner Partei. Für manche symbolisierten die Reformbeschlüsse des Leipziger Parteitags von 2003 "die Verwandlung der CDU zu einer marktradikalen Partei". Die Beschlüsse des am Montag beginnenden Parteitags müssten sich "wieder an unseren Grundwerten orientieren", forderte der Saarländer.

Nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist das in Leipzig beschlossene Reformprogramm der CDU nicht in Stein gemeißelt. Zwar seien die Prinzipien nach wie vor aktuell. "Aber natürlich müssen Parteitagsbeschlüsse immer der Wirklichkeit angepasst werden." Die CSU bekräftigte ihre Unterstützung für Rüttgers. Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU) verwies auf eine "Gerechtigkeitslücke". Auch CSU-Vize Horst Seehofer warb für die "Hartz"-Korrektur.

Trotz Rüttgers-Debatte: Wulff ist Nummer zwei in der CDU
Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) prophezeit dem Vorschlag von Rüttgers hingegen eine "Beerdigung erster Klasse". Und Oettinger betonte: "Es gibt keinen Grund, programmatisch nach links zu rücken". CDU Vize Annette Schavan warf Rüttgers Kurzsichtigkeit vor. Sie äußerte "erhebliche Bedenken" gegen dessen Vorschlag, da dieser zu Lasten der Jungen gehe. Aus diesem Grund will auch die Junge Gruppe in der Unions Fraktion Rüttgers laut ihrem Sprecher Marco Wanderwitz (CDU) nicht unterstützen.

Obwohl Rüttgers derzeit die Debatte beherrscht, gilt Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff den Deutschen als Nummer zwei in der CDU. Auf die Frage, wer Merkel am ehesten an der CDU-Spitze und im Kanzleramt ersetzen könne, stimmten in einer Infratest-Umfrage für den "Spiegel" 38 Prozent für Wulff. Rüttgers kam auf 16 Prozent, Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf 14 Prozent.