Caritas fordert bessere Strukturen statt Pflichtjahr für Senioren

"Wir sollten weiterhin auf Freiwilligkeit setzen"

Ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentner? Das sieht Caritas-Referentin Bianca Pohlmann kritisch. Denn Ehrenamt lebe von Freiwilligkeit. Bereits jetzt engagierten sich schon über 30 Prozent der Älteren in sozialen Bereichen.

Autor/in:
Tobias Fricke
Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank und sonnt sich / ©  Stephan Scheuer (dpa)
Ein Rentnerpaar sitzt auf einer Bank und sonnt sich / © Stephan Scheuer ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner; dieser Vorschlag vom Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratscher wird gerade heftig diskutiert. Was halten Sie davon?

Bianca Pohlmann (Referentin für Engagementförderung, Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.): Grundsätzlich funktioniert unsere Gesellschaft nur mit Engagement und mit Ehrenamtlichen, die sich einbringen. Aber das sollte immer freiwillig sein. Denn wenn wir schauen, wer sich einbringen möchte: Es gibt viele Menschen, die das tun, und viele, die es auch möchten. Da sollten wir auch weiterhin auf Freiwilligkeit setzen.

DOMRADIO.DE: Wie ist es denn um die Motivation der älteren Generation bestellt? Verzeichnen Sie da eine Zunahme im Ehrenamt, also eine zunehmende Motivierung, sich im sozialen Bereich zu engagieren?

Bianca Pohlmann, Referentin für Engagementförderung

"Die Motivation der älteren Generation ist groß. Sie haben oftmals mehr Zeit als andere und sie bringen sich vielfältig ein."

Pohlmann: Generell kann man sagen, ein Drittel der Menschen ab 65 Jahren sind schon ehrenamtlich aktiv und bringen sich in den verschiedensten Bereichen ein. Die Altersgruppe der ab 65-Jährigen ist diejenige mit der Engagementquote, die am stärksten steigt. 

1999 waren es noch 18 Prozent und mittlerweile sind wir knapp über 31 Prozent. Die Motivation der älteren Generation ist groß. Sie haben oftmals mehr Zeit als andere und bringen sich vielfältig ein.

DOMRADIO.DE: Diese Generation wird teilweise auch in die Pflicht gerufen, weil sie ihren Ehepartner oder ihre Ehepartnerin ehrenamtlich pflegt. Ist das nicht auch eine Form von Ehrenamt, zwangsläufig?

Überwiegend Rentner, die in der Corona-Krise besonderen Schutz brauchen, arbeiten als freiwillige Helfer bei der Tafel mit. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Überwiegend Rentner, die in der Corona-Krise besonderen Schutz brauchen, arbeiten als freiwillige Helfer bei der Tafel mit. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Pohlmann: Natürlich, das ist so gar nicht in Zahlen zu fassen, aber viele, die ihre Partner oder Partnerinnen pflegen, bringen sich damit ein und leisten einen Dienst, der gar nicht so anzurechnen ist.

DOMRADIO.DE: In welchen Bereichen engagieren sich Rentnerinnen und Rentner denn ehrenamtlich?

Bianca Pohlmann, Referentin für Engagementförderung

"Grundsätzlich kann man sagen, die Bereitschaft zu Engagement ist schon groß."

Pohlmann: Das kann man gar nicht so festmachen und sagen, dass es ab einer Altersgruppe ein bestimmtes Ehrenamt gibt. Eigentlich überall dort, wo sie ihre Talente, ihr Wissen und ihre Erfahrungen gut einbringen können. Das kann im Besuchsdienst sein, in den Krankenhäusern, das kann in der Arbeit mit Geflüchteten sein, das kann in einer Bahnhofsmission sein. Aber auch im Austausch mit jüngeren Menschen als Mentorinnen und Mentoren; da gibt es eigentlich nicht unbedingt die Beschränkung, sondern da muss man wirklich draufschauen, was der Einzelne mitbringt.

DOMRADIO.DE: Sie sind grundsätzlich dagegen, egal ob alt oder jung, zum Ehrenamt im Sozialen Dienst zu verpflichten. Warum?

In einem Nürnberger Altenheim arbeiten Flüchtlinge als Bufdis / © Christopher Beschnitt (KNA)
In einem Nürnberger Altenheim arbeiten Flüchtlinge als Bufdis / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Pohlmann: Grundsätzlich kann man sagen, die Bereitschaft zu Engagement ist schon groß. Man geht ungefähr von 40 Prozent der Menschen ab 14 Jahren aus, die sich engagieren und noch mehr, die auch bereit wären, sich zu engagieren. 

Es gibt schon gute Strukturen, in denen man sich einbringen kann. Vielleicht muss man mehr den Blick darauf lenken, dass diese Strukturen gestärkt werden und es den Menschen leichter gemacht wird und ermöglicht wird, sich zu engagieren.

Bianca Pohlmann, Referentin für Engagementförderung

"Vielleicht muss man mehr den Blick darauf lenken, dass die bisherigen Strukturen gestärkt werden."

DOMRADIO.DE: Sie sind Caritas-Referentin für Engagementförderung. Was machen Sie, was macht die Caritas, um das Engagement im Ehrenamt zu fördern?

Pohlmann: Ich bin als Ansprechperson rund um das Thema Ehrenamt tätig. Im Endeffekt geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, sich zu engagieren, sie zu stärken, die Rahmenbedingungen darauf auszulegen, sich zu qualifizieren. 

Es geht aber auch darum, solche Strukturen zu stärken und aufzubauen, wie eine Ehrenamtskoordination und eine Begleitung von Ehrenamtlichen, die es ihnen leichter machen, sich zu engagieren.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.

Der Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. ist der Dachverband der katholischen Wohlfahrtspflege im Erzbistum Köln. Ihm sind 250 Mitglieder als Träger von mehr als 2.000 Diensten und Einrichtungen im Rheinland und den angrenzenden Kreisen angeschlossen.

Das Spektrum seiner Aufgaben reicht von Krankenhäusern über Altenheime bis zu Kindergärten und Beratungsstellen, wie etwa Schwangerschafts- oder Schuldnerberatung. Der Diözesan-Caritasverband berät seine Einrichtungen und Dienste in wirtschaftlichen Fragen und vertritt sie in Kirche, Gesellschaft und Politik. 

Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis (shutterstock)
Die Caritas gibt es in über 160 Ländern / © Karolis Kavolelis ( shutterstock )
Quelle:
DR

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