Bischof Bode stellt sich der Kritik an der Kirche

Wie eine Klagemauer

Ob aus Entfremdung, Enttäuschung oder aus Protest: Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus – Bischof Bode stellt sich der Kritik, am Freitag kann man ihn persönlich anrufen und mit ihm über das Thema sprechen.

Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirchenaustritt / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bischof Bode, am Freitag (1.4.) kann man Sie persönlich anrufen, wenn man über einen Kirchenaustritt nachdenkt oder bereits ausgetreten ist. Was sagen Sie jemandem, der über die aktuelle Situation in der Kirche enttäuscht und zornig ist: über die Missbrauchsskandale, die Vertuschung, den Vertrauensverlust, der in den vergangenen Jahren stattgefunden hat?

Bischof Franz-Josef Bode / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Franz-Josef Bode / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Franz-Josef Bode (Bischof von Osnabrück): Ich kann das nicht entkräften und versuche das auch gar nicht, denn das meiste ist berechtigt. Wir verstehen uns eher als eine Art Klagemauer. Und es ist nicht die ganze Kirche, es gibt Teile, die sehr akzeptiert sind: beispielsweise die Schulen, die Seelsorge, die Kindergärten. Echte gute und existenzielle Seelsorge wird nach wie vor nachgefragt. Und diese Seite der Kirche ist nach wie vor stark, bei aller Kritik an den, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich verstehe, wenn Zeugen nicht mehr glaubwürdig scheinen. Aber ich sage auch: „Wenn Ihr nicht mehr mitmacht, könnt Ihr auch nicht mehr mitgestalten!“

DOMRADIO.DE: Niemand kritisiert das, was Kirche an der Basis leistet: die Seelsorge, die Schulen, die Kindergärten. Die Enttäuschung und die Kritik richten sich vor allem auf die Institution Kirche und die Bischöfe….

Bischof Bode: Natürlich richtet sich das gegen die Institution, aber wir können diese ganzen Dienste nicht ohne sie leisten. Und wir bemühen uns auch um Veränderung: Ich bin jetzt seit 30 Jahren Bischof und habe immer versucht, einen anderen Stil zu pflegen.

Ich höre von vielen, dass sie nach wie vor in die Kirche gehen, die Gemeinschaft suchen und die Predigt des Priesters hören wollen, aber ein Zeichen des Protests setzen wollen. Das kann ich ihnen nicht verwehren. Ich kann nur sagen: "Bleiben sie möglichst nah dran, vielleicht ändern sich die Zeiten noch." Das ist eine andere Qualität von Ausgetretenen: Menschen, die oft aus der Mitte der Kirche kommen und eigentlich innerlich mit dem Glauben verbunden bleiben wollen. Da müssen wir dranbleiben, das ist auch der Hintergrund unserer Telefonaktion, die eingebettet ist eine bistumsweite Kampagne.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen aus der Mitte der Kirche wollen austreten, sie begegnen ihnen in ihrem Bistum mit Gesprächsangeboten, aber müsste Kirche nicht als Ganzes eine Antwort auf diese Entwicklung finden?

München: Ein Schild mit der Aufschrift Wartezone Kirchenaustritte im Standesamt München / © Sven Hoppe (dpa)
München: Ein Schild mit der Aufschrift Wartezone Kirchenaustritte im Standesamt München / © Sven Hoppe ( dpa )

Bischof Bode: Es gibt in vielen Diözesen ähnliche Angebote und wir diskutieren das auch in der Bischofskonferenz, wo ich bis vor kurzem Vorsitzender der Pastoralkommission war und ich kann sagen: Wir arbeiten an dem Thema.

Es gibt das Wort des heiligen Augustinus: "Viele, die drinnen sind, sind draußen, und viele, die draußen sind, sind drinnen." Und wir müssen für diese Personen, die draußen sind, aber uns eigentlich noch verbunden sind, ein Angebot haben.

DOMRADIO.DE: Aber viele Menschen wollen nicht nur reden oder Postkarten bekommen, sondern sie fordern eine strukturelle Veränderung – haben Sie für die auch eine Antwort?

Bischof Bode: Da ist der Synodale Weg entscheidend und da bleiben wir dran. Die Menschen wollen Veränderung und das synodal zu gestalten, ist nicht ganz einfach, das haben die vergangenen Treffen gezeigt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir uns auch in die große Synode einbringen können, aber das braucht Zeit. Ich weiß, dass die Geduld vieler Menschen zu Ende ist, aber ich kann nur das tun, was ich tue, nämlich Gespräche führen und das wird von vielen auch honoriert.

DOMRADIO.DE: Nicht alle Ihre Amtsbrüder sind davon überzeugt. Werden Sie die noch ins Boot holen können?

Bischof Bode: Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir nicht alle im Gleichschritt vorangehen, eine Vereinheitlichung der Bistümer wird es kaum geben. Man muss den Dissens benennen und man muss in der heutigen Zeit auch Verschiedenes nebeneinanderstehen lassen können. Darüber hatten wir bei der letzten Bischofsvollversammlung schon konstruktive Gespräche, aber am Ende wird die Unterschiedlichkeit der Diözesen und Bischöfe bleiben. Das muss man akzeptieren, wir reden ja sonst auch von Vielfalt.

DOMRADIO.DE: Sie greifen am Freitag persönlich zum Telefonhörer, mit ihnen unter anderem auch Weihbischof Johannes Wübbe und Generalvikar Ulrich Beckwermert. Warum war Ihnen wichtig, dass die Bistumsspitze da vertreten ist?

Franz-Josef Bode (Bischof von Osnabrück)

"Wir müssen uns dem stellen!"

Bischof Bode: Das war mir wichtig, denn wir Bischöfe sind die Klagemauer. Die Menschen wollen ihre Kritik an dieser Stelle anbringen und wir haben auch schon überlegt, das aufzufangen, wenn jemand explizit mit mir oder dem Weihbischof sprechen will, aber bei unseren Kollegen landet. Dann werden wir gegebenenfalls zurückrufen. Mir ist das persönliche Gespräch wichtig, denn wenn ich das delegieren würde, müsste ich mich dafür kritisieren lassen, dass ich nicht "an die Front" gehe, aber das mache ich immer, auch bei den Visitationen. Wir müssen uns dem stellen!

DOMRADIO.DE: Wenn sie dann also Freitag „an die Front“ gehen: Welches Ziel haben die Gespräche? Menschen dazu zu bewegen, ihre Austrittspläne noch mal zu überdenken oder erstmal nur "Dampf ablassen"?

Bischof Bode: Ich habe nicht die Erwartung, dass jemand seine Austrittspläne revidiert, die er gerade erst nach reiflicher Entscheidung getroffen hat. Mir würde es schon reichen, wenn eine Beziehung bleibt, wenn die Menschen das Gefühl bekommen: Ich bin in der Kirche jederzeit wieder willkommen, die Tür bleibt offen. Das erzählt man ihnen beim Amtsgericht nicht. Aber Tatsache ist: Man kann sehr leicht wieder in die Kirche eintreten. Und bei denen, die noch zweifeln hoffen wir, dass wir Gesichtspunkte anführen, die sie noch umstimmen. Das wäre schön!

Das Interview führte Ina Rottscheidt. 

Bischof Franz-Josef Bode

Er war der erste katholische deutsche Bischof, der im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal sein Amt abgegeben hat. Am Sonntag ist der Osnabrücker Altbischof Franz-Josef Bode (72) mit einem Gottesdienst im Dom verabschiedet worden.

Bode, der im März seinen Rücktritt bekanntgab, stand seit der Veröffentlichung erster Ergebnisse einer Missbrauchsstudie für dasBistum Osnabrück im September in der Kritik. Die Autoren werfen ihm und anderen Verantwortlichen vor, nicht pflichtgemäß oderunangemessen auf Hinweise zu sexuellem Missbrauch reagiert zu haben.

Bischof em. Franz-Josef Bode / © Friso Gentsch (dpa)
Bischof em. Franz-Josef Bode / © Friso Gentsch ( dpa )

Information der Redaktion: Bischof Bode ist am 1. April von 17.00 bis 20.00 Uhr unter der Telefonnummer (05 41) 31 87 80 zu erreichen.

Quelle:
DR