An Fronleichnam hat sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, gegen eine "Religion der Gleichgültigen" gewandt. Immer weniger Menschen sähen Glauben als Fundament und selbstverständliche Stütze für ihr persönliches Leben, sagte der Bischof von Limburg im Fronleichnamsgottesdienst laut Predigtmanuskript. Dies könne den Gläubigen nicht gleichgültig sein. "Denn die 'Religion der Gleichgültigen' führt auch in vielen anderen Bereichen zu Auflösung und Irrelevanz. Was einmal verloren gegangen ist, das gewinnt man nicht so leicht wieder - womöglich nie wieder."

Ursprünglich sei Fronleichnam eine öffentliche Demonstration des katholischen Glaubens auch im Unterschied zu anderen christlichen Konfessionen gewesen. Mit festlichen Prozessionen und Gottesdiensten unter freiem Himmel begehen Katholikinnen und Katholiken am Donnerstag das Fest.
Fragen, die sich heute stellten, seien beispielsweise, ob Jesus wirklich gegenwärtig in Brot und Wein anwesend sei und ob die Menschen auf ihn setzen könnten, wenn es eng wird, so Bätzing. "Wann immer wir zu seinem Gedächtnis tun, was er damals im Kreis der Jünger getan hat, ist er gegenwärtig - und das ganz ohne moderne digitale Technik."
Krieg und Gewalt als Zivilisationsrückschritt
Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat sich erschrocken über die von Leid, Krieg und Gewalt geprägte Nachrichtenlage gezeigt. "Ich erlebe das als Zivilisationsrückschritt ungeheuerlichen Maßes", sagte Marx in seiner Predigt beim Gottesdienst zu Fronleichnam am Münchner Marienplatz. Dabei erinnerte er an die ursprüngliche Idee und das Hoffnungspotenzial der Europäischen Union nach dem Zweiten Weltkrieg, die nun angesichts der Krisen und Herausforderungen ins Wanken geraten seien. Es dürfe nicht geschehen, dass "wir in den westlichen Nationen uns einmauern, und die Armen müssen draußen bleiben. Da waren wir schon mal weiter."

Dennoch sei er kein Pessimist und setze darauf, dass die Menschen sich besinnen könnten, eine "Menschheitsfamilie" zu sein, erklärte der Kardinal. Diese Hoffnung sei keine diffuse auf irgendeinen Gott in der Ferne, sondern auf eine Person. "Gott ist konkret geworden, als Mensch und im Brot." Am Tisch der Eucharistie empfingen Christinnen und Christen mit dem Leib Christi auch die Hoffnung, und deshalb gehe es beim täglich Brot, um das im "Vater Unser" gebetet werde, nicht nur um das Brot für den Leib, sondern um die Hoffnung. "Es ist die Substanz, ohne die wir nicht leben können", so Marx.
"Mensch first"
"Dieser Tisch, der an jedem Tag in jeder Kirche aufgestellt wird, ist ein Zeichen der Hoffnung, dass wir nur im Miteinander an einem Tisch einen Weg aus den Krisen heraus finden werden", sagte der Erzbischof von München und Freising. Das gemeinsame Mahl ist seiner Ansicht nach außerdem ein deutlicher Auftrag, jeden und jede als Teil einer Menschheitsfamilie zu sehen und auch so zu behandeln. In der Kirche dürfe es "nicht heißen: Church first! Wir sagen: Mensch first! Und dafür sind wir hier."
Nach Angaben der Pressestelle des Erzbistums kamen mehr als 10.000 Menschen zum Gottesdienst im Zentrum der bayerischen Landeshauptstadt und zur anschließenden Fronleichnamsprozession. Diese führte vom Marienplatz über die Residenzstraße zur Ludwigskirche zum Segensaltar und über die Ludwig- und Theatinerstraße zurück zum Marienplatz.
Mut zu Veränderung in der Stahlkrise
Angesichts der Krise der Stahlindustrie im Ruhrgebiet hat der katholische Essener Bischof Franz-Josef Overbeck zu Mut und Veränderungsbereitschaft aufgerufen. Wandlungsprozesse in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens seien nicht mehr abzuwenden, sagte der Ruhrbischof laut seinem Bistum in seiner Fronleichnamspredigt am Donnerstag in Essen. Sie gingen einher mit dem Verlust von Sicherheiten und von geschichtlichen Perspektiven. "Gleichzeitig ist es aber auch die Chance, in eine neue Welt einzutreten und diese von Anfang an mitzugestalten."

Overbeck mahnte, die Veränderungsprozesse dürften den Blick auf die Würde der Menschen und ihre Arbeit nicht verschließen. Soziale Sensibilität und wirtschaftliche Offenheit gehörten zusammen. Der Bischof erinnerte daran, dass auch Jesus Veränderungsprozesse angestoßen habe. "Durch seine Präsenz hat er Menschen einen neuen Blick auf die Wirklichkeit geschenkt."
Dem Vorbild Jesu folgen
Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl hat die Gläubigen an Fronleichnam dazu aufgerufen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Jede und jeder solle dem Vorbild Jesu folgen und sich selbst in die Not seines Nächsten hineinbegeben, sagte Gössl nach Angaben seiner Pressestelle am Donnerstag. "Gebt von dem, was ihr seid! Gebt euch selbst hinein in diese Notlage!" Auf diese Weise entstünden kleine Zellen gelebter Nähe und gegenseitiger Achtung, "in denen man sich gegenseitig im Blick hat", und mit denen man zum Gelingen der großen Gemeinschaft beitragen könne.

Das Fronleichnamsfest ist Gössl zufolge ein Auftrag, dem Unfrieden auf der Welt nicht mit Rückzug und Resignation zu begegnen, sondern mit einer aus dem Glauben heraus gestärkten Nächstenliebe. "Wir sehen in den Nachrichten beinahe täglich Bilder von Verzweiflung, Wut und Hass", sagte der Erzbischof. Es seien friedlose und trostlose Bilder, die die Sehnsucht nach Verständigung unter den Konfliktparteien und nach Beruhigung der erhitzten Gemüter wachsen ließen.
Wichtigste Voraussetzung für eine Annäherung sei es, "dass man einander in die Augen schaut und wahrnimmt, was den anderen bewegt", so Gössl weiter. Es sei wichtig, dass man sich als einzelner Mensch nicht einer anonymen Masse gegenübersehe, sondern dass man sich als Teil einer Gemeinschaft verstehen könne, "in der man sich gegenseitig mit seinen Erwartungen, Hoffnungen und Ängsten erkennt".
Mehr als symbolisches Handeln
Dabei gehe es um mehr als symbolisches Handeln. Das Fronleichnamsfest verdeutliche, dass Gott durch die Eucharistie im Leben der Menschen einen Anker der Hoffnung geworfen habe, ergänzte der Erzbischof: "Er hat sich in unserem Leben festgemacht, damit wir bei all dem Traurigen und Schrecklichen, das uns umgibt, nicht verzweifeln, sondern mutig und von innen gestärkt immer wieder aufbrechen und in die Zukunft gehen."
An Fronleichnam feiert die katholische Kirche seit dem 13. Jahrhundert die leibliche Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie. Am zweiten Donnerstag nach Pfingsten begeht die katholische Kirche das Fest. An diesem Tag demonstrieren Katholiken öffentlich ihren Glauben. Dabei drücken sie die Überzeugung aus, dass Gott in Brot und Wein unter ihnen ist. Als sichtbares Zeichen wird eine geweihte Hostie in einem Schaugefäß, einer Monstranz, durch die Straßen getragen. Der Name Fronleichnam bedeutet so viel wie "Hochfest des Leibes und Blutes Christi".
Appell gegen Rechtsextremismus
Der Augsburger Bischof Bertram Meier hat sich an Fronleichnam gegen rechtsextreme Umtriebe ausgesprochen. "Die Irrwege, die unser Volk vor knapp hundert Jahren gegangen ist, dürfen sich nicht wiederholen", sagte Meier laut Manuskript an Fronleichnam im Augsburger Dom. "Wir wollen solche Wege nicht gehen. Sie schaden unserer Stadt, sie schaden unserem Land, sie schaden Europa."
Meier appellierte an die Gläubigen: "Erteilen Sie Gruppierungen eine Absage, die menschenverachtende, demokratiefeindliche und völkisch-nationalistische Ideen fördern wollen. Gerade aus unserer Geschichte können wir lernen, wie ein Volk, das einem Menschen Heil zurief, sich selbst und die Welt ins Unheil brüllte."

Im Hinblick auf die zum Fest Fronleichnam abgehaltenen katholischen Prozessionen erklärte der Bischof: "Bei den üblich gewordenen Demonstrationen zeigt man sich auf der Straße, um etwas zu fordern. Wir tun etwas anderes. Unsere Demonstration setzt nicht auf geballte Fäuste, sondern auf gefaltete Hände. Wenn wir heute auf die Straße gehen, wollen wir uns nicht selbst präsentieren, sondern wir zeigen den Herrn, den Allerheiligsten."
Ziel: Menschen aus der Reserve locken
Weiter sagte Meier: "Ist eine Fronleichnamsprozession nicht auch eine Provokation?" Solche Stimmen kämen immer wieder auf. Allein: "Jesus hat sich nicht eingeschlossen, er ist hinausgegangen. Jesus hat sich gezeigt im öffentlichen Leben. Und genau das tun wir heute. Wir Christen zeigen uns, um öffentlich Jesus Christus zu präsentieren. So gesehen ist die Fronleichnamsprozession eine echte Provokation." Provocare heiße hervorrufen, herausrufen. Fronleichnamsprozessionen sollten die Menschen aus ihrer Reserve locken, aus ihrer Gleichgültigkeit und Unwissenheit.
Menschen brauchen Verbundenheit
Der Passauer Bischof Stefan Oster erinnerte daran, dass an Fronleichnam der Gegenwart Jesu in Brot und Wein gedacht werde: "Wir tragen das, was uns wichtig ist, hinaus in unsere Stadt und hoffen, dass wir mit ihm, der uns verbindet, den Himmel offenhalten."

In einer immer stärker zerklüfteten Gesellschaft und einer Zeit der Kriege bräuchten die Menschen Verbundenheit und Frieden immer mehr.
Bezug auf Papst Leo XIV.
In Würzburg ging Bischof Franz Jung auf den Wahlspruch von Papst Leo XIV. ein: "In diesem Einen sind wir eins".

Dessen Anliegen sei es, die Einheit der Kirche zu wahren und das, was gespalten sei, zusammenzuführen. Diese Einheit werde nirgends besser erfahrbar als in der Feier der Eucharistie, so Jung.