Vorsitzender der Kölschen Kippa Köpp nimmt Politik in die Pflicht

"Bestimmte Dinge dürfen nicht sein"

Die Eskalation im Nahost-Konflikt heizt auch in Deutschland eine judenfeindliche Stimmung an. Und auch, wenn das für ihn nichts Neues ist, so gewöhnt man sich doch nicht daran, sagt Aaron Knappstein von der jüdischen Gemeinde in Köln. 

Brennende israelische Flagge / © thomas koch (shutterstock)
Brennende israelische Flagge / © thomas koch ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Juden in Deutschland werden zur Zielscheibe für kriegerische Auseinandersetzungen in Israel. Absurder geht es kaum noch, oder?

Aaron Knappstein (Mitglied der liberalen jüdischen Gemeinde Köln und Präsident der jüdischen Karnevalsgesellschaft "Kölsche Kippa Köpp"): Ja, da haben Sie völlig Recht. Das ist sehr absurd, aber leider für uns nichts Neues, muss ich sagen.

DOMRADIO.DE: Wir haben mit Ihnen vor zwei Jahren auch über den Anschlag von Halle 2019 gesprochen. Dieser Anschlag sitzt noch sehr tief. Wie geht es Ihnen mit dieser antijüdischen Stimmung, die sich immer wieder breitmacht?

Knappstein: Ich sage manchmal ein bisschen sarkastisch, eigentlich müsste ich mich in bestimmten Situationen schon daran gewöhnt haben. Aber so ist es nicht. Man wird immer wieder plötzlich überrascht und ist dann auch sehr erschreckt über die Gefühle, die man hat, über die Angst, die man empfindet, über dieses Erschrecken, was einen da so übermannt. Und es ist eine wirklich, wirklich schwierige Situation für die jüdische Gemeinschaft.

DOMRADIO.DE: Auf der anderen Seite gibt es auch viel Solidarität. Zum Beispiel eine spontane Bürgerwache vor der Bonner Synagoge. Wie empfinden Sie dann so etwas?

Knappstein: Das ist natürlich Balsam auf die Seele. Und da bedanken wir uns auch sehr, dass Menschen ihre Solidarität zeigen und uns beistehen. Das brauchen wir ehrlich gesagt auch. Das ist aktives Handeln. Das ist etwas, was man sich manchmal an der einen oder anderen Stelle mehr wünscht, nicht nur generell von der Gesellschaft, sondern eben auch von den Institutionen und von der Politik. Denn uns immer wieder zu sagen, wie schlimm alles ist und welche rote Linien immer übertreten werden, das reicht nicht.

DOMRADIO.DE: Zeigen solche Bürger-Aktionen diese vermeintliche Unfähigkeit, jüdisches Leben in Deutschland gut zu schützen. Fühlen sie sich zu wenig geschützt?

Knappstein: Also mir ist natürlich bewusst, dass das nicht immer und an jeder Stelle so möglich ist, wie man sich das vielleicht wünscht. Denn man muss ja sagen, die Bedrohungen sind sehr, sehr vielseitig. Aber es ist schon erschreckend an der einen oder anderen Stelle - ich denke jetzt gerade an die Demonstrationen in Berlin - wenn man hört, dass den Juden der Tod gewünscht wird und Israel vernichtet werden soll. Und nichts passiert von offizieller Seite.

Da denke ich in dem Zusammenhang an andere Demonstrationen, sei es die vom 1. Mai oder auch damals die Kurden-Demonstrationen, wie scheinbar einfach es war, bestimmte Dinge zu unterdrücken und wie scheinbar schwierig es ist, jetzt einzugreifen. Das erschreckt. Daher ist es noch schöner, was die Menschen machen, wie zum Beispiel in Bonn.

DOMRADIO.DE: Warum kommen denn da nicht die richtigen Reaktionen der Politik? Was meinen Sie?

Knappstein: Ich glaube, es ist eine große Angst vor dem, was vielleicht bei so einer Demonstration daraus werden könnte. Es wird auch immer davon gesprochen, dass man es nicht weiter eskalieren lassen möchte. Aber das kann nicht der richtige Weg sein. Bestimmte Dinge dürfen nicht sein.

Da kann man nicht sagen, "okay, damit es jetzt nicht weiter eskaliert, machen wir dieses oder jenes nicht". Das funktioniert so nicht und es ist ja auch anders möglich. Das muss man durchziehen, denn man muss ganz klar die Grenze aufzeigen, die man sich selber immer setzt mit der so genannten roten Linie.

Es bringt mir nichts, wenn ich am Ende, nachdem ich körperlich angegriffen wurde, höre, "oh Gott, ist das alles schrecklich gewesen. Und das müssen wir aber beim nächsten Mal anders machen".

DOMRADIO.DE: Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat jetzt gesagt, wer nach Deutschland komme und Juden angreife, der habe sein Gastrecht verwirkt. Würden Sie das auch so sehen?

Knappstein: Das ist eine wirklich schwierige Frage. Ich glaube, solange man nicht hingegangen ist und wirklich den Menschen, die zu uns kommen, auch beigebracht hat, wie wichtig dieser Part der deutschen Geschichte und auch des Zusammenlebens mit Jüdinnen und Juden in diesem Land ist, sollte man von diesem zweiten Schritt, denke ich, eher absehen. Man muss einfach insgesamt mehr machen, aber man muss auch jetzt starten.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht (KNA)
Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp" / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR
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