Benediktiner in New Mexico seit zwei Jahren ohne Gäste

Entschleunigung und ein neuer Esel

Ein katholisches Kloster in der Wüste von New Mexico hat sich in der Pandemie buchstäblich eingeschlossen. Nach zwei Jahren in selbst gewählter Isolation hoffen die Mönche nun auf eine Rückkehr zu mehr Normalität.

Autor/in:
Von Thomas Spang
Blick auf den Chama-Fluss in New Mexico / © Dean Fikar (shutterstock)
Blick auf den Chama-Fluss in New Mexico / © Dean Fikar ( shutterstock )

Bruder Chrysostomus wäre im normalen Leben arbeitslos: Er hat keine Kunden - seit zwei Jahren nicht mehr. Der bärtige Benediktiner ist im "Monastery of Christ", einem der abgelegensten katholischen Klöster der Welt, für Gäste zuständig. Mit Beginn der Pandemie verschanzten sich die knapp zwei Dutzend Benediktiner in ihrer Abtei in einer Schlucht am Ufer des Chama-Flusses in der Wüste von New Mexico. "Bitte betreten Sie unser Gelände nicht", schrieben sie auf ein Schild.

Eine berechtigte Vorsichtsmaßnahme - mit Folgen, guten und schlechten. Wenn es einen von uns erwischt, erwischt es uns alle, so die Theorie des weltoffenen Ordens, als das Coronavirus zu wüten begann. Die Entscheidung erwies sich als richtig. Anders als auf dem berühmten griechischen Klosterberg Athos, wo neun Brüder dem Virus erlagen, blieb die Ordensgemeinschaft in der Stille und Abgeschiedenheit der Wüste ohne Infektionsfall.

Kein Leben ohne Gäste

Nach zwei Jahren ohne Gäste und Einnahmen und mit der Erkenntnis, dass das Klosterleben ohne Fremde nicht wirklich dem Lebensprinzip des Ordens entspricht, haben die Mönche Bilanz gezogen und einem Reporter der "Washington Post" von ihren Erfahrungen berichtet. "Wir können auf Dauer nicht ohne Gäste existieren", so Bruder Chrysostomus; das wäre aus seiner Sicht ein Verstoß gegen das vom heiligen Benedikt von Nursia vor 1.500 Jahren festgelegte Selbstverständnis der Gemeinschaft.

Das Kloster in New Mexico selbst gibt es erst seit 50 Jahren. Es ist von dem 150-Seelen-Dorf Abiquiu nur über eine 13 Meilen lange Schotterpiste zu erreichen. Das abgelegene Fleckchen bietet Natur pur; Weißkopfadler, Schwarzbären, Kojoten und Pumas sind hier im "Santa Fe National Forest" zuhause. Vor Corona pilgerten Jahr für Jahr rund 30.000 Gäste auf Sinnsuche in das Wüstenkloster - als Tagesbesucher oder über Nacht. 85 US-Dollar erbitten die Mönche von ihren Gästen; Paare zahlen das Doppelte. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 erlebten die Benediktiner geradezu einen Ansturm.

Corona, Isolation, Ideen

Corona bescherte ihnen das Gegenteil. Sogar eigene Ausflüge nach draußen hatten Konsequenzen. Wer Vorräte in der Stadt besorgte, musste anschließend in Quarantäne: Isolation in der Isolation. Doch aus der Not heraus erwuchsen auch neue Ideen. Mit Beginn der Pandemie startete die christliche Männergemeinschaft ein ehrgeiziges Landwirtschaftsprojekt. Man erwarb eine Herde Schafe, kauften Ziegen und Hühner, samt Wach-Esel "Matty", der Raubtiere vertreiben soll. Hinzugekommen sind auch ein neues Gewächshaus und Bienenstöcke. Nun sind die Benediktiner weniger auf Einkaufsfahrten in die Stadt angewiesen.

Schon immer hatten sie als Wüstenbewohner Fantasie für Neues. Ob mit ihrem selbst gebrauten "Monks Ale", einem Bier, das sie bis vor kurzem verkauften, oder ihrer Hauptrolle in der Reality-Show "The Monastery" - immer schon zeigten sie sich flexibel, offen und interessiert an neuen Wegen. Auch in einem Metier, das sich nur wenige hinter Klostermauern vorstellen können.

"The Desert Monk"

Früh entdeckten die Benediktinerbrüder ihr Händchen fürs Digitale. Vor allem "The Desert Monk" alias Bruder David entwickelte sich zum Spezialisten für Soziale Medien. Sogar der Vatikan ließ sich bei der Gestaltung einer Website von den IT-Mönchen beraten. Der digitale Erfolg erwies sich allerdings als Belastung für die Kernaufgaben der Gemeinschaft. Das IT-Geschäft drohte die geistlichen Pflichten zu verdrängen.

Der Pandemie kann Bruder Chrysostomus somit auch etwas Positives abgewinnen. "Ich glaube, dass es eine ausgezeichnete Zeit für uns war", fasst er die zwei einsamen Corona-Jahre zusammen. "Wir haben uns entschleunigt." Dieser Geist soll bewahrt werden, auch wenn die Normalität zurückkehrt. Ende Februar wollen die Mönche ihre Türen wieder für Übernachtungsgäste öffnen.

Quelle:
KNA
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