Beck und Müntefering lehnen Änderungen bei „Hartz IV“ ab - auch CSU und Wulff distanzieren sich

Jürgen Rüttgers geht der SPD auf die Nerven

Die SPD reagiert zunehmend gereizt auf die Forderung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nach einer Revision der Arbeitsmarktreform „Hartz IV". SPD-Chef Kurt Beck warf Rüttgers am Samstag vor, er führe aus parteitaktischen Gründen ein absurdes Theater auf.

 (DR)

Die SPD reagiert zunehmend gereizt auf die Forderung des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers nach einer Revision der Arbeitsmarktreform „Hartz IV". SPD-Chef Kurt Beck warf Rüttgers am Samstag vor, er führe aus parteitaktischen Gründen ein absurdes Theater auf. Vizekanzler Franz Müntefering spottete, Rüttgers eifere der Linkspartei PDS nach. Auch in der Union stößt Rüttgers mittlerweile auf Kritik. Sein niedersächsischer Amtskollege Christian Wulff warnte vor einem Kurswechsel. Die CSU-Landesgruppe ging auf Distanz. - Mehr zu dem Thema.

Müntefering: „Rüttgers Idee ist erledigt"
Rüttgers hatte unter anderem vorgeschlagen, die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld (ALG) I stärker an die Länger der Beitragszahlung zu koppeln. Ältere, die länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben als jüngere Arbeitnehmer, sollten auch länger ALG I erhalten.

Beck kritisierte, Rüttgers gehe mit seinen Forderungen auf Stimmenfang. Seine Forderungen gingen jedoch einseitig zu Lasten der Jüngeren, und träfen damit jene, die gerade eine Familie gründen wollten. Die Arbeitslosenversicherung sei eine Risikoversicherung und „keine, in der man Ansprüche anspart." Auch seien die Impulse falsch. „Wir wollen den Anreiz erhöhen, in Arbeit zu kommen", sagte Beck. Die CDU müsse sich auf ihrem Parteitag Ende November entscheiden zwischen marktradikalen Positionen, einer nüchternen, verantwortlichen Regierungspolitik und dem „Wiedererstehen Blümscher Positionen".

Müntefering sagte, vor einem Jahr habe die Union noch FDP-Chef Guido Westerwelle kopiert. „Und wir mussten verhindern, dass die aus dem Sozialstaat Kleinholz machen. Heute eifern einige in der Union wie Jürgen Rüttgers Gysi und Lafontaine nach", fügte er hinzu. Mit der Einigung der Koalition über die Verwendung der Steuermehreinnahmen sei die Forderung nach Änderungen beim ALG I vom Tisch. „Rüttgers' Idee, die Jungen mit 1,2 Milliarden Euro abzukassieren und es den Älteren zu geben, ist damit auch erledigt", sagte der Arbeits- und Sozialminister.

Wulff warnt vor alten Debatten
Wulff mahnte seine Partei zur Fortsetzung des auf dem Leipziger Bundesparteitag 2003 verabschiedeten Reformprogramms. Weniger Staat, weniger Bürokratie, ein faires Steuersystem, aktive Arbeitsmarktpolitik und die Reform der sozialen Sicherungssysteme seien die Voraussetzungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit.

„Ich warne jeden davor, künstliche Gegensätze zwischen sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft aufzubauen. Wir sollten jetzt nicht die alten Verteilungsdebatten von gestern führen", sagte Wulff.

Pofalla unterstützt - die CSU nicht
Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, sagte, er sei der felsenfesten Überzeugung, dass die Mehrheit der CSU-Abgeordneten keinen Änderungsbedarf beim Arbeitslosengeld I sehe. „Die jetzige Regelung ist sozial ausgewogen", sagte er. Wer wie Rüttgers die Bezugsdauer des ALG I an die Beitragsjahre koppeln wolle, müsse ehrlich sagen, dass er damit junge Familien benachteiligen würde. „Das kann niemand ernsthaft wollen", sagte Straubinger.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verneinte die Frage, ob sich Rüttgers mit seiner Dauerkritik parteischädigend verhalte. Rüttgers habe als Ministerpräsident seine volle Unterstützung.