Alt-Abt von Einsiedeln fordert kreative Kirche in Corona-Zeiten

"Alles andere als katholisch"

In der Krise könne es nicht in erster Linie darum gehen, das kirchliche System aufrecht zu erhalten, sagt Pater Martin Werlen. Stattdessen müsse die Kirche bei den Menschen sein. Von Ausgetretenen könne sie zudem noch etwas lernen.

Kloster Einsiedeln in der Schweiz / © Anatolii Lyzun (shutterstock)
Kloster Einsiedeln in der Schweiz / © Anatolii Lyzun ( shutterstock )

Die Kirche muss in der Corona-Krise nach Einschätzung des langjährigen Abts des Schweizer Klosters Einsiedeln, Pater Martin Werlen, "zutiefst kreativ" sein. "Gott ist nicht dort, wo wir sein möchten, sondern dort, wo wird sind", sagte Werlen am Montag im Interview des Portals katholisch.de in Bonn. Wenn die Kirche "von diesem lebendigen Gott" Zeugnis ablegen wolle, dann könne sie gar nicht anders, als kreativ zu sein.

Die Aussage, das kirchliche Leben komme in der Krise zum Erliegen, sei "alles andere als katholisch", kritisierte der heutige Propst von Sankt Gerold in Vorarlberg. "In so einer Sichtweise geht es nur darum, ein System aufrechtzuerhalten." Man könne nicht dann wieder Kirche sein, wenn die Krise beendet sei: "Sondern in dieser Krise kann ich bei den Menschen sein, in ihrer Not."

Solange die Kirche große Macht gehabt habe, sei es nicht notwendig gewesen, derartige Schritte zu wagen. "Aber das geht heute nicht mehr", mahnte Werlen, dessen Buch "Raus aus dem Schneckenhaus" soeben erschienen ist. Es gehe nicht darum, etwas Neues zu erfinden, fügte der Pater hinzu. Gläubige und Kirchenvertreter sollten vielmehr "unsern Glauben im Heute leben".

Kirche heißt, unterwegs zu sein

Kirche sei "zutiefst geteiltes Leben", erklärte Werlen. Von Menschen, die ausgetreten seien, lasse sich lernen, wie sie Kirche erlebt hätten: "Wenn Menschen nicht mehr erfahren, was Kirche ist, dann können sie diese verlassen, ohne dass ihnen etwas fehlt.Wenn Kirche nur als Institution wahrgenommen wird, die sagt, dieses und jenes darf man nicht tun - welchen Grund haben die Leute dann noch, zu ihr zu gehören?"

Der Alt-Abt bezeichnete es als "Versuchung eines jeden glaubenden Menschen, dass man plötzlich festgefahren ist und dass man mehr das Gesetz in den Vordergrund stellt als den Menschen, der in Not ist". In Deutschland komme beim Reformprozess Synodaler Weg eine Angst davor zum Vorschein, "dass der Glaube verloren geht, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden".

Seiner Erfahrung nach würden Bischöfe, die Reformen wollten, oft blockiert von jenen, "für die alles beim Alten bleiben muss". Dabei bedeute Kirche sein, "unterwegs zu sein", so Werlen: "Wenn wir Reformen ausschließen, sind wir nicht mehr Kirche."


Pater Martin Werlen OSB / © Franz Kälin (Propstei St. Gerold/Österreich)
Quelle:
KNA