81 Journalisten erleben ihre erste Reise mit dem neuen Papst

Leo XIV. und die Medien

Papst Franziskus nahm gegenüber Presseleuten kein Blatt vor den Mund und lieferte zuverlässig Schlagzeilen. Sein Nachfolger macht es den Medien schwerer. Wie hat sich Leo bei seiner ersten Papstreise gegenüber den Medien verhalten?

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 © Alessandro Di Meo (dpa)
© Alessandro Di Meo ( dpa )

"Eine einzige Reise, und schon hat er uns satt." Trockener Kommentar eines Vatikan-Journalisten dazu, dass Leo XIV. am Tag nach
seiner ersten Auslandsreise einen Erholungstag in Castel Gandolfo einlegte - und das ausnahmsweise ohne anschließende Pressekonferenz. 

Nicht nur der Papst hatte da sechs prallvolle Tage in der Türkei und dem Libanon in den Knochen, sondern auch die 81 mitreisenden Medienleute. Denen kam es zu, neben Berichten über die anspruchsvollen Termine des noch frischen Papstes herauszufinden: Wie tickt Leo XIV. – auch gegenüber der "vierten Gewalt"?

Nur ein Interview hat der erste US-Amerikaner im Papstamt, der zudem einen peruanischen Pass hat, seit seiner Wahl am 8. Mai gegeben: für ein Buch einer US-Journalistin mit ebenfalls guten Verbindungen nach Peru. Auch beantwortet er meist am Ende seines "freien Dienstags" in Castel Gandolfo Fragen der dort wartenden Kamerateams, aber eher knapp. Kurz nach seiner Wahl hatte er eine – erwartbare – Audienz für die Tausenden Medienschaffenden aus aller Welt gegeben, die über das Konklave berichtet hatten.

Spannung auf dem Abflug nach Nahost

Umso größer ist die Spannung am Abreisetag (27. November) im Airbus AZ4000 von ITA-Airways. Die Stimmung unter den 81 "VAMP" (Vatican Accredited Media Personnel) gleicht der bei einer Klassenfahrt. Viele kennen einander als permanent beim Vatikan akkreditierte Journalisten schon lange. Manche sind zum ersten und vielleicht auch zum letzten Mal dabei; so etwa ein junger Journalist des libanesischen Fernsehsenders LBC, für den die Visite des neuen Pontifex sichtlich eine persönliche Herzensangelegenheit ist.

Papst Leo XIV. im Flugzeug im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten / © Lola Gomez/CNS photo (KNA)
Papst Leo XIV. im Flugzeug im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten / © Lola Gomez/CNS photo ( KNA )

Doch auch viele andere lassen angesichts der Gelegenheit, das Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken Aug' in Auge zu erleben, ihre journalistische Distanz dahinfahren. Applaus brandet auf, als der Mann in Weiß in der Economy auftaucht, während er selbst samt Sicherheitsleuten, Kardinälen und Mitarbeiterstab vorne in der Businessclass reist.

Kurz begrüßt er sein schreibendes, fotografierendes und filmendes Fußvolk in einer kleinen Ansprache – mit einem "Happy Thanksgiving" insbesondere an die US-Kollegen. Dass Leos Nahost-Trip ausgerechnet am höchsten amerikanischen Feiertag startet, ist Thema vorfreudigen Getuschels.

Nähe zwischen Papst und Medien

Beim Rundgang durch die engen Sitzreihen wird jede und jeder einzelne dem Papst durch Salvatore Scolozzi vom vatikanischen Presseamt vorgestellt. Ausführliche Diskurse sind verpönt, doch viele Medienvertreter erweisen sich als ebenso mitteilsam wie wissensdurstig. Es werden Selfies geschossen, Segnungen und Signierungen für Bücher, Bilder und Rosenkränze erbeten. Leo lächelt freundlich, wirkt zugewandt und konzentriert.

Den Vogel im Flieger schießt CBS-Korrespondent Chris Livesay ab: Feierlich überreicht er dem Papst aus Chicago einen Baseballschläger von Nellie Fox, Legende von Leos Lieblingsteam White Sox. "Wie haben Sie den denn durch die Security bekommen?", fragt der sichtlich erfreute Papst lachend. Unter großem "Hallo" und Beifall wandern zwei traditionelle Thanksgiving-Kuchen und andere Geschenke in Richtung des Papstes.

Nachdem er wieder hinter dem Vorhang verschwunden ist, läuft eine Kollegin eines privaten katholischen Informationsdienstes mit Block und Stift durch die Reihen: "Hat er dir was gesagt?" Die Frage kann zum Beispiel ein Kollege der Turiner Tageszeitung "La Stampa" bejahen: "Er will nach Turin kommen und sich das Grabtuch ansehen!", berichtet er stolz über die kurze Begegnung mit Leo. Nebenbei hatte er dem Papst ein Foto seines kleinen Sohnes gezeigt und um einen Segen gebeten.

Deutsche Fragen an Leo XIV.

An Bord sind auch vier deutsche Journalistinnen und Journalisten von zwei öffentlich-rechtlichen Sendern und zwei Nachrichtenagenturen. Eine will wissen, ob der Papst wohl sein "Okay" zum neuen deutschen Kirchengremium "Synodalkonferenz" im Rahmen des Reformprojekts Synodaler Weg geben wird. "We shall see", so seine diplomatische, aber zumindest nicht komplett ablehnende Antwort; damit ist auch ein Thema für die "Fliegende Pressekonferenz" auf dem Rückflug gesetzt.

Ein deutscher TV-Korrespondent fragt ihn, was er lesen müsse, um besser zu verstehen, wer Robert Francis Prevost, so der bürgerliche Name des Papstes, ist. "Darüber muss ich nachdenken", lautet seine zunächst etwas enttäuschende Antwort.

Antworten über den Wolken

Doch sechs anstrengende Tage später, auf der Abschlusspressekonferenz hoch über den Wolken, zeigt sich, dass Leo XIV. offenbar nicht nur gut zuhört, sondern seine medialen Begleiter ernst nimmt. "Ein deutscher Journalist hat mich vor ein paar Tagen gefragt, was er lesen müsse, um besser zu verstehen, wer Prevost ist", zitiert er. Und verweist als Antwort auf das Buch "The Practice of the Presence of God" von einem Brother Lawrence, das seine Spiritualität sehr gut wiedergebe. "Alles ist in Gottes Hand", sei seine Maxime.

Papst Leo XIV. zeigt ein Geschenk, das er bei seiner Rückkehr von einem sechstägigen Besuch in der Türkei und im Libanon an Bord eines Flugzeugs erhalten hat / © Alessandro Di Meo/Ansa Pool via AP (dpa)
Papst Leo XIV. zeigt ein Geschenk, das er bei seiner Rückkehr von einem sechstägigen Besuch in der Türkei und im Libanon an Bord eines Flugzeugs erhalten hat / © Alessandro Di Meo/Ansa Pool via AP ( dpa )

Auf die von den vier deutschen Medienleuten gemeinsam ausgeklügelte Frage zum Reformprojekt Synodaler Weg verweist er zunächst auf "große Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede" zur Weltsynode der Synodalität, die Papst Franziskus vor vier Jahren angestoßen hatte.

Einerseits sollte man die Inkulturation durchaus respektieren. Die Tatsache, dass Synodalität an einem Ort auf eine andere Weise gelebt werde als an anderen Orten, bedeute nicht zwangsläufig einen Bruch oder eine Spaltung, beschwichtigt er. Andererseits wisse er von vielen Katholiken in Deutschland, die sich durch den Synodalen Weg nicht repräsentiert fühlten.

Papst über Reformen und Medien

Daher seien ein weiterer Dialog und gegenseitiges Zuhören innerhalb Deutschlands notwendig, damit niemand ungehört bleibe. Zudem gebe es regelmäßige Gespräche zwischen deutschen Bischöfen und der römischen Kurie. "Ich vermute, dass es in Deutschland auf beiden Seiten Anpassungen geben wird, aber ich bin zuversichtlich, dass sich alles positiv entwickeln wird."

Schließlich erteilt er den Vatikankorrespondenten, die zwangsläufig an seinen Lippen hängen und jedes Stirnrunzeln, Blinzeln und Grinsen zu deuten versuchen, noch eine kleine Lektion über seine Mimik. "Mein Gesicht scheint so ausdrucksstark zu sein, und ich amüsiere mich oft, wie die Journalisten es interpretieren, ehrlich, es ist interessant", sagt er feixend. "Sie denken, Sie könnten meine Gedanken durch meinen Gesichtsausdruck lesen, aber Sie liegen nicht immer richtig."

Wie der Papst tickt, ist manchem Medienmenschen durch die sechs Tage an seiner Seite etwas klarer geworden. Doch in vielerlei Hinsicht bleibt Leo XIV. noch ein Buch mit sieben Siegeln. Aber die nächste Reise kommt bestimmt.

Quelle:
KNA