50. Todestag des Patriarchen Athenagoras von Konstantinopel

Einsatz für die Einheit aller christlicher Kirchen

Athenagoras' Treffen mit Paul VI. hat Geschichte gemacht. Nach fast tausend Jahren trafen sich ein Papst und ein Patriarch von Konstantinopel. Das hatte auch mit der Zerrissenheit der Orthodoxie und der Weltlage zu tun.

Autor/in:
Simon Kajan
Athenagoras I. (l.), ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, und Papst Paul VI. umarmen sich am 4. Januar 1964 in Jerusalem / © Ernst Herb (KNA)
Athenagoras I. (l.), ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, und Papst Paul VI. umarmen sich am 4. Januar 1964 in Jerusalem / © Ernst Herb ( KNA )

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war noch nicht abgeschlossen, die "ökumenische Entspannung" wurde aber bereits sichtbar: Papst Paul VI. traf auf seinen Konterpart aus Konstantinopel, Athenagoras I. Die Bilder des Treffens in Jerusalem galten damals als sensationell, waren Rom und Konstantinopel doch fast tausend Jahre getrennt. Vor 50 Jahren, am 7. Juli 1972, starb Athenagoras, der mit dem Bischof von Rom die "Nacht der Trennung" in der christlichen Welt beenden wollte.

Ihr Treffen sollte tatsächlich der Beginn eines "strahlenden und heiligen Tages" zwischen Rom und Konstantinopel werden. Noch bei dem Aufruf Johannes XXIII. an der Beteiligung an einem ökumenischen Konzil hatte Athenagoras in seiner Neujahrsbotschaft 1959 Bedingungen gestellt: Einem Dialog müssten Taten folgen "im Geist von Gleichheit, Gerechtigkeit, geistlicher Freiheit und gegenseitiger Achtung".

Sohn einer Arztfamilie

Die Jerusalemer Begegnung des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel mit Papst Paul VI. im Januar 1964 ebnete dem ökumenischen Dialog zwischen den Nachfolgern der Apostel Petrus und Andreas einen Weg. Als orthodoxer Christ aus Nordgriechenland erlebte Athenagoras die Konflikte des 20. Jahrhunderts, durch die seine Kirche viele Territorien und ihren Einfluss verloren hat.

Am 25. März 1886 wurde er als Aristokles Spyrou in einem Bergdorf des nördlichen Epirus geboren. Er wuchs als Sohn einer hellenisierten Arztfamilie in der multikulturellen Gesellschaft des Osmanischen Reiches auf. Das Gymnasium besuchte er in Chalki, wo er auch die Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats absolvierte. In der Metropolis Manastir, heute Bitola in Nordmazedonien, lebte der Diakon mit seinem Bischof im Kloster und nahm den Namen Athenagoras an.

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )

Kontakt mit der katholischen Kirche auf Korfu

Die Balkankriege sollten für ihn eine Lebenslehre werden. Als er aus seiner Serbien zugeschlagenen Diözese vertrieben wurde, suchte Athenagoras Zuflucht auf dem Athos. Schon mit 36 Jahren wurde er zum Bischof von Korfu und Paxos gewählt. Der Metropolit mit dem lang wallenden, damals noch schwarzen Prophetenbart musste sich sogleich angesichts der Auswirkungen des Krieges bewähren. Tausende Flüchtlinge aus Kleinasien - Griechen, die von den Türken vertrieben worden waren - mussten integriert werden.

Kontakt mit der katholischen Kirche hatte Athenagoras auf Korfu, der westlichsten Insel Griechenlands - in einer spannungsreichen Situation. Der für die katholische Minderheit zuständige Erzbischof von Brindisi, Tommaso Valeri, hatte faschistische Invasionstruppen gesegnet, die Korfu blutig eroberten und zeitweise besetzt hielten. Athenagoras gelang eine Verständigung mit dem Amtsbruder. Dem Katholizismus gewann er die Sonnenseiten ab: So führte er Orgel und Kirchenbänke ein.

Der Weg zum Patriarchen von Konstantinopel

Bekannt durch seine ökumenischen Kontakte, galt Athenagoras bald als Musterbischof. 1930 betraute ihn der Ökumenische Patriarch mit der Aufgabe, die junge Diasporakirche der beiden Amerika auf festen Grund zu stellen. Als Erzbischof von New York glückte ihm die Mission, die in politische Lager von Republikanern und Monarchisten zerrissenen Gemeinden zu einen. Er förderte die Anpassung der griechischen Einwanderer an den "American Way of Life", ohne das orthodoxe Erbe preiszugeben.

So wundert es nicht, dass Athenagoras der Wunschkandidat des US-Präsidenten Harry S. Truman (1945-1953) bei der Wahl des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel war. Im Kalten Krieg war ein wichtiger Posten zu besetzen, nachdem der größte Teil der orthodoxen Welt an die Sowjets verloren war. Athenagoras, der US-Bürger, nahm 1948 die türkische Staatsbürgerschaft an, um Patriarch von Konstantinopel werden zu können.

"Dialog der Liebe"

Doch auch diese Zugeständnisse an den türkischen Staat konnten die Marginalisierung der griechischen Orthodoxie am Bosporus nicht verhindern. Im Rahmen des Zypernkonflikts wurden 1955 Kirchen von Griechen und Armeniern in Istanbul zerstört; ein neuer Exodus begann. Tief enttäuscht bemühte sich der Patriarch seit der Brandnacht nicht mehr vorrangig darum, ein loyaler türkischer Staatsbürger zu sein. Vielmehr wirkte das Ehrenoberhaupt der Orthodoxie vor allem für die Einheit der autokephalen Kirchen. Das brachte ihm den Ruf ein, "Amerikaner" oder "Türkenfreund" zu sein.

Sein Einsatz sollte der Einheit aller christlichen Kirchen gelten. Nach seiner Begegnung mit Paul VI. in Jerusalem folgte am 7. Dezember 1965, dem Vorabend des Konzilsendes, die Aufhebung der Bannsprüche aus dem Jahr 1054. Patriarch und Papst begründeten einen "Dialog der Liebe" zwischen den "Schwesterkirchen". Athenagoras hinterließ mit Paul VI. das große Vermächtnis, dass "Petrus und Andreas zusammenarbeiten wie Brüder".

Quelle:
KNA