Kirchenrechtler kritisiert US-Bistum wegen Taufverweigerung

"Geltendes Recht nicht beachtet"

Das Bistum Marquette will Transgender-Menschen die Taufe und andere Sakramente verweigern, solange sie nicht vorher "Buße" getan haben. Der Experte Georg Bier sieht diese Maßnahme nicht in jeder Hinsicht vom Kirchenrecht gedeckt.

Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kreuz auf Regenbogenfahne / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Taufe bedeutet nicht nur die Aufnahme in die Kirche, sondern auch die Vergebung der Sünden. Wenn man davon ausgeht, dass diese Menschen in Sünde leben, dann wäre die doch mit der Taufe weggespült. Warum wird ihnen diese Möglichkeit dann verweigert?

Prof. Dr. Georg Bier (Lehrstuhl für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte der Universität Freiburg): Die Taufe bewirkt eine vollständige Vergebung der Sünden und von daher würde der Taufe auch in diesem Fall nichts entgegenstehen. Wenn ich das Papier des Bischofs von Marquette richtig verstehe, geht es ihm auch weniger um vorherige Buße oder Sündenvergebung, sondern um Reue.

Ich finde es relativ unklar, was er damit meint. Aber es geht ihm darum, dass jemand bereut, dass er so ist, wie er ist. Auch das ist eine sehr merkwürdige Art, die Dinge zu sehen. Aber es geht, glaube ich, an dieser Stelle nicht um so etwas wie Buße tun vor der Taufe.

DOMRADIO.DE: Das heißt, es wäre kirchenrechtlich nicht zulässig, wenn man das zur Voraussetzung macht?

Bier: Wenn jemand im Zustand schwerer Sünde lebt und dann um die Taufe bittet, dann müsste man ihn schon fragen, warum er die Taufe und die Sündenvergebung begehrt, wenn er gleichzeitig ein Leben führt, wie es einem Christen nicht angemessen ist. Also, es wäre kirchenrechtlich schon denkbar, dass man so an die Frage herangeht.

Der Punkt aber liegt darin, ob man das Transgendersein als einen Zustand ansehen kann, der der vorherigen Buße und Reue bedarf.

DOMRADIO.DE: Sollte die Kirche nicht froh sein, dass sich Erwachsene überhaupt taufen lassen wollen und diese nicht vergraulen?

Bier: So kann man das ein bisschen plakativ sagen. Ich stimme Ihnen im Grunde zu. Man könnte grundsätzlich die Frage stellen, ob man von demjenigen, der sich gerne taufen lassen möchte, nicht auch erwarten darf, dass er ein christgemäßes Leben führt. Das führt aber eigentlich weg von dem, was hier das Thema ist.

Denn dass ein Mensch, der in seiner Geschlechtsidentität nicht so klar ist, kein christgemäßes Leben führt, das wage ich doch zu bezweifeln.

DOMRADIO.DE: Deswegen werden jetzt auch Stimmen laut, die sagen, dass diese Regelung des Bistums Öl ins Feuer der innerkirchlichen Kontroversen gießt, wenn es zum Beispiel um den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren geht. Würden Sie da zustimmen?

Bier: Öl ins Feuer unterstellt eine vielleicht sogar böswillige Absicht, die zumindest ich nicht belegen kann. Das weiß ich nicht. Aber einen Konflikt mit kirchenrechtlichen Vorgaben, den sehe ich hier durchaus, zumindest soweit Transgender betroffen sind. Es gibt vom Dezember 2018 eine vertrauliche Note der Kongregation für die Glaubenslehre über kirchenrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Transsexualismus.

Diese vertrauliche Note ist nicht publiziert. Sie ist auch mit dem Vermerk "Unter Päpstlichem Geheimnis" versehen. Aber sie soll immerhin jedem zur Kenntnis gegeben werden, der diese Note kennen muss, um sachgerecht handeln zu können. In dieser vertraulichen Note werden Transgender als Personen beschrieben, die in der tiefen Überzeugung leben, sich in einem falschen Körper zu befinden und die deshalb den Wunsch haben, sich nicht nur dieser Überzeugung entsprechend zu verhalten, sondern die dann auch eine Veränderung der eigenen körperlichen Erscheinung zu verwirklichen wünschen.

Das hat nach der vertraulichen Note Konsequenzen für die Möglichkeit, das Ehesakrament oder das Weihesakrament zu empfangen. Es kann insbesondere nach geschlechtsangleichenden Operationen auch Konsequenzen haben für die Möglichkeit, einer Ordensgemeinschaft anzugehören.

Aber die Note legt ausdrücklich auch fest - die Überschrift dieser Passage lautet "Kirchenrechtliche Regelungen" -, dass Kinder und Heranwachsende "mit Schwierigkeiten transsexueller Art", wenn sie recht disponiert sind, auf gar keinen Fall von der Katechese zur Sakramentenvorbereitung von der Taufe, von der Erstkommunion, vom Buß- und vom Firmsakrament ausgeschlossen werden. "Sie dürfen nicht ausgeschlossen werden", heißt es da ausdrücklich.

Es wird dann weiter ausgeführt, dass auch Erwachsene, die sich womöglich einer geschlechtsangleichenden Maßnahme unterzogen haben, wie alle anderen Gläubigen zur Kommunion zugelassen werden können und dass sie auch zur Erwachsenentaufe zugelassen werden können.

Es bleibt dem Bischof ein Ermessensspielraum. Aber zumindest in diesem Punkt scheint mir das, was der Bischof von Marquette da macht, das geltende Recht nicht zu beachten. Im Blick auf auf Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, stellt sich das kirchenrechtlich immer etwas anders dar, weil ja nach den Vorgaben des kirchlichen Lehramts sexuelle Handlungen mit Partnern des gleichen Geschlechts in sich nicht in Ordnung sind und ein auf gar keinen Fall zu billigendes sündiges Verhalten darstellen.

Das kann dann zum Ansatzpunkt gemacht werden, um zu erklären: Wer in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, ist als hartnäckiger Sünder für den Sakramentenempfang nicht recht disponiert und auch nicht als Pate oder für liturgische Dienste und so weiter geeignet. Es kann natürlich gefragt werden und wird ja auch gefragt, ob diese lehramtliche Position der Lebenswirklichkeit gleichgeschlechtlicher Paare gerecht wird.

Es kann gefragt werden, ob es tatsächlich Sünde ist oder sein kann, wenn Menschen in ihrer Partnerbeziehung neben anderem auch sexuelle Intimität pflegen. Das halten ja nicht wenige Theologinnen und Theologen für ein doch sehr problematisches Sündenverständnis. Aber da könnte man dem Bischof von Marquette zubilligen, dass er diesbezüglich auf der lehramtlichen Linie agiert.

Im Blick auf Transgender ist das sicher anders.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie vermuten, warum das Bistum Marquette diesen Schritt trotzdem gegangen ist und das ausgerechnet jetzt?

Bier: Da kann ich nur spekulieren. Das kann damit zusammenhängen, dass die Diskussion um Homosexualität und Transgender in den letzten Jahren gesellschaftlich an Aktualität gewonnen hat und dass sich die Haltung der Gesellschaft diesbezüglich ja auch in der jüngeren Vergangenheit verändert hat.

Denken Sie nur an die Entwicklungen in der Bundesrepublik, Stichwort "Ehe für alle" oder die Anerkennung eines dritten Geschlechts. Da sieht sich dann auch die katholische Kirche in der jüngeren Vergangenheit verstärkt vor der Notwendigkeit gestellt, sich zu diesen Entwicklungen zu verhalten.

Die vertrauliche Note vom Jahr 2018, von der ich eben berichtet habe, zeigt das ja auch. Da hat es jetzt offenbar der Bischof von Marquette für erforderlich gehalten, sich in dieser klaren Weise zu positionieren, wie er das getan hat.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass andere Bistümer diesem Beispiel folgen könnten oder werden?

Bier: Auch da kann ich nur spekulieren. Ich denke aber eher nein. Im Blick auf Transgenderpersonen ist das Papier, wie ich ja schon ausgeführt habe, kirchenrechtlich zumindest nicht in allen Belangen haltbar.

Im Blick auf gleichgeschlechtliche Paare könnten möglicherweise mehr Bischöfe auf die Idee kommen, so etwas zu dekretieren, insbesondere in den USA, wo ja auch darüber diskutiert werden kann, ob der Präsident der Vereinigten Staaten vom Eucharistieempfang ausgeschlossen werden soll oder kann, weil er sich politisch nicht bedingungslos und vorbehaltlos gegen Abtreibung einsetzt.

In Deutschland scheint mir derzeit aber auch im Blick auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften eine andere Stimmungslage vorzuherrschen. Aber das schließt natürlich auch nicht grundsätzlich aus, dass einzelne deutsche Bischöfe über vergleichbare Positionierungen nachdenken.

Ich halte es nicht für wahrscheinlich, aber auch nicht für unmöglich.

DOMRADIO.DE: Jetzt hat sich ganz aktuell der Vatikan bei der LGBTQ-Community entschuldigt. Da ging es eigentlich um etwas ganz anderes. Da ist ein Link von der Homepage des synodalen Weltprozesses entfernt worden, der auf eine Seite verweist, die Pastoral für LGBTQ-Personen anbietet. Also eigentlich ein ganz anderes Thema. Heißt das nun, dass der Vatikan, wenn er sich offiziell dafür entschuldigt, hier seinen eigenen Umgang mit diesen Gruppen hinterfragt?

Bier: Das kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht auf diese Art und Weise. Ich kenne den Vorgang nicht, den Sie jetzt schildern. Aber so wie Sie es sagen, scheint sich der Vatikan dafür entschuldigt zu haben, dass er irgendwo einen Link offenbar versehentlich entfernt hat.

Er hat da einen technischen Fehler gemacht und dafür entschuldigt er sich. Damit ist aber, glaube ich, noch nicht gesagt, dass irgendwas Inhaltliches zurückgenommen wird.

Das Interview führte Hannah Krewer.


Prof. Dr. Georg Bier / © Conny Ehm (privat)
Prof. Dr. Georg Bier / © Conny Ehm ( privat )
Quelle:
DR
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