Vatikanjournalist zum Trump-Lob für neuen Viganó-Brief

Ein Angriff auf den Heiligen Stuhl

US-Präsident Trump stellt sich auf Twitter hinter den Papstkritiker Viganó. Für den Vatikan-Journalisten Christopher Lamb "ein Angriff auf den Heiligen Stuhl“. Er stellt die Katholiken vor eine Loyalitätsfrage: Papst Franziskus oder Donald Trump?

US-Präsident Donald Trump trifft Papst Franziskus (Archiv) / © Cristian Gennari (KNA)
US-Präsident Donald Trump trifft Papst Franziskus (Archiv) / © Cristian Gennari ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der ehemalige US-Papstbotschafter Erzbischof Carlo Maria Viganó hat einen Brief an Präsident Trump geschrieben, in dem er seine Unterstützung zusichert. Trump hat sich öffentlich auf Twitter dafür bedankt. Was steht denn in diesem Brief?

Christopher Lamb (Vatikan-Experte und Korrespondent bei "The Tablet"): Im Endeffekt ist der Brief ein Empfehlungsschreiben für Präsident Trump. Erzbischof Viganó sagt: Trump steht im großen Kampf zwischen Gut und Böse auf der Seite des Lichts. Er befürwortet die Anti-Abtreibungs-Politik des Präsidenten. Der Brief zeigt ein ziemlich apokalyptisches Weltbild. Viganó spricht vom “Deep State“, also einer Staatsverschwörung gegen Trump. Die Proteste von “Black Lives Matter“ und die Corona-Einschränkungen seien alle dafür da, Trumps Wiederwahl zu torpedieren. Er unterstützt die Politik von Trump, in einem Brief voller Verschwörungstheorien.

DOMRADIO.DE: Für Trump ist es ja nichts Neues, problematische Standpunkte oder Menschen zu unterstützten. Was ist hier denn jetzt anders?

Lamb: Der Unterschied ist, dass Erzbischof Viganó in der katholischen Kirche eine sehr umstrittene Person ist. 2018 hat er Papst Franziskus zum Rücktritt aufgefordert. Sowas gab es vorher noch nie, erst recht von einem ehemaligen Vatikan-Diplomaten, der im Dienste des Heiligen Stuhles stand, und in den USA der Botschafter des Papstes gewesen ist. Fünf Jahre lang, von 2011 bis 2016.

Trumps Unterstützung und Lob für Viganó ist also in verschiedener Hinsicht ein Angriff auf den Heiligen Stuhl. Erzbischof Viganó ist gegenüber dem Papst ganz klar feindlich eingestellt, und das auf außergewöhnliche Weise.

DOMRADIO.DE: Wird das Trump denn bewusst gewesen sein, als er Viganó seine Unterstützung ausgesprochen hat? Er scheint ja nicht besonders über die Interna der katholischen Kirche informiert zu sein, oder?

Lamb: Genau das ist der Punkt! Wie viel weiß Präsident Trump über Viganó? Ich kann mir schwer vorstellen, dass das viel ist. Deswegen stellt sich die Frage: Wer lässt Trump diese Informationen zukommen? Der Brief von Viganó erschien auf einer einschlägig rechts-katholischen Internetplattform, im Prinzip eine Seite des Kulturkampfs, die sich auf ein paar wenige Punkte des katholischen Dogmas spezialisiert hat. Diese Seite ist Papst Franziskus gegenüber sehr kritisch eingestellt.

Das legt nahe, dass Präsident Trump seine Informationen über die katholische Kirche von Kreisen am rechten Rand bekommt. Es gibt ganz klar Katholiken, einzelne Menschen, aber auch Institutionen, die versuchen den Präsidenten in einen Kampf mit dem Papst zu treiben.

DOMRADIO.DE: Mal unabhängig von Trump betrachtet: Ein amerikanischer Präsident unterstützt einen ehemaligen Botschafter, der selbst den Papst zum Rücktritt aufgefordert hat. Was bedeutet das denn auf diplomatischer Ebene?

Lamb: Das stellt auf alle Fälle ein Problem für die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den USA dar. Was bedeutet das für den aktuellen Vatikanbotschafter in Amerika? Wie kann man weiter zusammenarbeiten, wenn der “Boss“, der Präsident, jemanden unterstützt, der will, dass der Papst zurücktritt? Das verspricht einiges an Schwierigkeiten. Das bringt auch einiges an Problemen für eine Reihe bekannter US-Katholiken, die den Präsidenten unterstützen, aber auch ihren Einfluss im Vatikan behalten wollen, und dem Papst ihre Loyalität versichern.

Man kann hier nicht zwischen den Stühlen sitzen. Man muss sich für Erzbischof Viganó oder Papst Franziskus entscheiden. Man kann nicht sagen, Viganó erhebt wichtige Punkte, aber ich unterstütze den Papst. Viganó macht das ganz deutlich, und das schon häufiger in den letzten Jahren. In seinem letzten Schreiben nennt er das zweite Vatikanische Konzil ein “Problem“ für die Kirche. Es ist also ganz eindeutig, wo Viganó steht.

DOMRADIO.DE: Also muss man entweder dem Papst gegenüber loyal sein, oder Trump?

Lamb: Das wird jetzt deutlich, ja. Trumps Problem ist, dass er eigentlich viele Unterstützer bei den Katholiken hat. Die Umfragen zeigen das, besonders bei der Wahl 2016. Ohne die Katholiken hätte er die Wahl nicht gewonnen. Seit dem Ausbruch des Coronavirus geht seine Zustimmung unter den Katholiken aber deutlich zurück, das hat auch mit den Protesten im Moment zu tun.

Natürlich sollten wir aber annehmen, dass die Katholiken, die Trump unterstützt haben, nicht alle ein Problem mit Papst Franziskus haben. Wenn Trump aber nun Viganó unterstützt, dann werden einige Katholiken, die Trump 2016 guten Gewissens unterstützt haben, jetzt denken: Moment mal, unterstütze ich einen Präsidenten, der mit meinem Papst im Konflikt liegt?

DOMRADIO.DE: Also will er sich die Unterstützung gewisser katholischer Kreise sichern. Könnte das nicht nach hinten losgehen?

Lamb: Nun, ich denke, dass die meisten Katholiken nicht verfolgen werden, was Erzbischof Viganó im Einzelnen sagt. Die Mehrzahl interessiert sich nicht für die Feinheiten dieser Geschichte, erst recht nicht, wenn Sie in der Wahlkabine stehen.

Wenn Trump sich im Wahlkampf aber auf Viganó stützt, ihn sozusagen als Waffe benutzt, um den Vatikan zu attackieren, das könnte zum Problem werden und nach hinten losgehen. Wir wissen, dass Erzbischof Viganó bei seinem Aufruf zum Papstrücktritt, sich von allem losgesagt hat, wofür er als päpstlicher Diplomat ausgebildet wurde. In gewissem Sinne auch von seiner Weihe als Erzbischof. Im Prinzip hat er den Bund mit Rom gebrochen, auf verschiedene Weise. Seine Rücktrittsforderung hatte auch eine sehr zweifelhafte Basis. Er wirft Franziskus vor, beim Umgang mit dem Missbrauchsskandal rund um Kardinal McCarrick in Washington versagt zu haben. Dafür hat er aber nie irgendeinen Beweis geliefert.

Was Erzbischof Viganó also getan hat, war ein kirchen- und machtpolitischer Schachzug gegen den Heiligen Stuhl. Deshalb, denke ich, bringt jede Allianz mit ihm, durch den Präsidenten, aber auch durch jeden einzelnen Katholiken, eine ziemlich schwierige Position.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Christopher Lamb / © Lamb (privat)
Christopher Lamb / © Lamb ( privat )

Erzbischof Carlo Maria Viganó / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Erzbischof Carlo Maria Viganó / © Gregory A. Shemitz ( KNA )
Quelle:
DR
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