Rabbiner: Corona-Aufruf von Erzbischof Vigano war ein "Schock"

Problem Verschwörungsmythen

Hohe Würdenträger der katholischen Kirche haben sich in jüngster Vergangenheit den Vorwurf der Verbreitung von Verschwörungsmythen eingefangen. Die Deutsche Bischofskonferenz war auf Distanz gegangen.

Demonstration gegen Corona-Maßnahmen / © Sebastian Kahnert (dpa)
Demonstration gegen Corona-Maßnahmen / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Der orthodoxe Rabbiner Jehoschua Ahrens hat den umstrittenen Aufruf von Erzbischof Carlo Maria Vigano gegen angeblich überzogene Maßnahmen in der Corona-Pandemie und eine mögliche Weltregierung als "Schock" bezeichnet. Verschwörungsmythen auch in Kirchenkreisen seien ein "Riesenproblem", das allerdings nicht neu sei, sagte Ahrens im Interview der "Jüdischen Allgemeinen" (Mittwoch): "Wir wissen schon seit einiger Zeit, dass es Menschen auch innerhalb der Kirchen gibt, die solchen Theorien anhängen. Aber jetzt trauen sie sich, diese Meinungen noch offener zu äußern."

Es sei beruhigend, dass die Deutsche Bischofskonferenz auf Distanz zu dem Aufruf gegangen sei. Sie sei ein "sehr guter Partner" für die orthodoxen Rabbiner, betonte Ahrens: "Wir haben letztes Jahr eine große gemeinsame Tagung veranstaltet, und auch mit Kardinal Kurt Koch im Vatikan, der für die Beziehungen zum Judentum zuständig ist, klappt die Zusammenarbeit sehr gut."

Problem in Basis

Es sei jedoch zu beobachten, dass Bemühungen im jüdisch-christlichen Dialog nicht bei jedem Kirchenmitglied ankämen, beklagte Ahrens weiter: "Das Problem besteht weniger auf Führungsebene als bei der Basis." Wie stark Verschwörungsmythen verbreitet seien, sei nicht abschätzbar. Er gehe davon aus, dass es nur eine "kleine Minderheit" sei, die daran glaube.

Auch Juden seien ein Abbild der Gesellschaft, und "sicherlich gibt es da einige, die sich von abstrusen Theorien beeinflussen lassen, wobei Juden für Verschwörungstheorien weniger anfällig sind. Wir wissen ja, dass normalerweise damit wir gemeint sind", betonte der Rabbiner. Aber auch unter Juden gebe es Leute, die zum Beispiel gegen eine Impfpflicht seien.

Keine Strafe Gottes

Auf die Frage, ob er mit seinen christlichen Partnern auch über Sinnfragen spreche, etwa darüber, ob Covid-19 auch als Strafe Gottes gesehen werde könne, sagte Ahrens: "Da sind sich eigentlich alle einig, dass wir das nicht so sehen. Es geht eher darum, welche Lehren wir aus der Pandemie ziehen." Man stimme darin überein, dass es so wie vor Corona nicht weitergehen könne: "Das ist das Anliegen des Judentums: das Negative ins Positive zu wenden, aus einem Fluch einen Segen zu machen. Das liegt in unserer DNA."

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Viganos Aufruf mit unterschrieben hat, hat sich zwischenzeitlich in Interviewäußerungen gegen den Vorwurf seiner Kritiker gewehrt, er verbreite Verschwörungsmythen. Vigano selbst erklärte kürzlich, Anliegen des Aufrufs sei es unter anderen, "das Schweigen der Medien zu brechen", insbesondere im Hinblick auf individuelle Freiheitsrechte, die "durch Formen der Zensur und Kontrolle bedroht sind".


Quelle:
KNA
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