Afrika will Corona mit traditioneller Medizin heilen

Wundermittel, Gift, oder beides?

In Afrika herrscht Streit zwischen westlicher und traditioneller Medizin. Heilkräuter gegen Corona? Was einige Ärzte kritisieren, könnte nach Ansicht lokaler Wissenschaftler Teil der Lösung sein, wie ein Blick über den Kontinent zeigt.

Autor/in:
Markus Schönherr
Apotheke für traditionelle südafrikanische Medizin / © Jerome Delay (dpa)
Apotheke für traditionelle südafrikanische Medizin / © Jerome Delay ( dpa )

"Einfach nur bizarr" - so beschreibt der afrikanische Thinktank "Institute for Security Studies" die Antwort des tansanischen Präsidenten John Magufuli auf die Corona-Krise. Nachdem der Staatschef den Kirchen des Landes versicherte, "im Leib Christi wird Corona nicht überleben", setzt er nun auf eine Kräuterkur.

Tinktur aus Madagaskar

"Covid Organics" heißt die inzwischen berüchtigte Tinktur aus Madagaskar. Der Präsident der Insel, Andre Rajoelina, stellte sie Ende April als "Kur und Prävention" gegen COVID-19 vor. Seither haben mindestens sieben Staaten den Heiltrunk mit Wirkstoffen der Artemisia-Pflanze für ihre eigene Bevölkerung importiert. "In jeder Krise, auf die die Wissenschaft keine einfachen Antworten hat, müssen wir damit rechnen, dass das Interesse an traditionellen Heilmethoden zunimmt", erklärt der südafrikanische Soziologe David Dickinson.

Ein staubiger Markt in der Demokratischen Republik Kongo. Unter einem von Baumstämmen getragenen Wellblechdach lagern Blätter, Beeren und Zweige. Bestseller sind die Blätter des "Congo Bololo". Der zwei Meter hohe Strauch soll gegen Malaria, Magenkrämpfe und Parasiten helfen - und seit neuestem auch gegen Corona. Dass die vermeintliche Heilpflanze kürzlich eine Mutter und ihre drei Kinder in der Hauptstadt Kinshasa das Leben kostete, stört die meisten Käufer nicht besonders.

Kräuterkuren gegen Covid-19

Auch in anderen Teilen des Kontinents sorgten Kräuterkuren gegen Covid-19 zuletzt für Schlagzeilen. Äthiopiens Regierung kündigte an, eine Arznei aus "einheimischen" Pflanzen zu erforschen. In Kamerun will der katholische Erzbischof Samuel Kleda dank seiner 30-jährigen Erfahrung in der Kräuterheilkunde ebenfalls eine Virus-Kur gefunden haben.

Besorgt beobachtet man den Trend vor allem in Südafrika. "Wir haben schmerzliche Erfahrung mit falschen Heilmitteln gesammelt", sagt Sasha Stevenson, Sprecherin der Bürgerrechtsbewegung Section27. Bis vor 15 Jahren leugnete die Regierung in Pretoria die wahren Ursachen von Aids. Erkrankten empfahl man eine Diät aus Roter Beete, Knoblauch und Heilpflanzen. "Überreste dieses Glaubens halten sich teils bis heute."

Bei Corona hingegen setzte die Kaprepublik von Beginn an auf Wissenschaft und westliche Medizin. Das führte wiederum zu einem Aufschrei von Sangomas, den traditionellen Heilern. Erst nach langer Diskussion dürfen sie nun zwei Monate nach dem Ausbruch von Covid-19 wieder Patienten empfangen.

Unter den Regierungen, die Madagaskars ominösen Kräuterdrink importierten, ist auch jene in Brazzaville. Die Hauptstadt der Republik Kongo ist zugleich Sitz der afrikanischen Zentrale der Weltgesundheitsorganisation WHO. Dort reagiert man mit Skepsis auf Madagaskars Ankündigung einer Corona-Kur: "Afrikaner haben Medikamente verdient, die nach denselben Standards geprüft wurden wie für Menschen in der restlichen Welt." Abzulehnen seien traditionelle Kuren zwar nicht. Jedoch brauche es "umfassende klinische Studien", ehe Heilmittel in Apotheken verkauft oder an Schulen ausgegeben werden.

Ärzte und Medizinmänner keine Rivalen

Wenngleich "überstürzt", sei Madagaskars Vorstoß "Glück im Unglück", findet Nceba Gqaleni, Leiter der Forschungsgruppe für Traditionelle Medizin an der südafrikanischen Universität KwaZulu-Natal: "Erstmalig unterstützt ein Staatschef öffentlich das indigene Wissen seiner Bevölkerung." Dies habe das Interesse von Forschern der Afrikanischen Union (AU) und Südafrika geweckt. Die Mediziner wollen nun herausfinden, ob die Artemisia nicht nur ein altbewährtes Mittel gegen Malaria ist, sondern vielleicht tatsächlich auch gegen Covid-19 hilft. "Von solchen Studien bekommen wir schneller ein Ergebnis als von der Suche nach einem Impfstoff", so Gqaleni.

Dass Ärzte und Medizinmänner keine Rivalen seien, betont auch die Afrikanistin Amy S. Patterson. Selbst im 21. Jahrhundert suchten viele Afrikaner als erste Anlaufstelle immer noch einen traditionellen Heiler auf. "Der Schlüssel liegt darin, ihnen wissenschaftliche Ansätze beizubringen und sie mit Informationen auszustatten, damit sie Patienten erkennen und bei der Aufklärung und Kontaktverfolgung helfen können." Diese "kostbare" Partnerschaft habe schon im Kampf gegen HIV/Aids funktioniert.


Quelle:
KNA