Die Ökumene zeigt beim Kirchentag Ermüdungserscheinungen

Lebendig, kräftig, zukunftsfähig?

Die Protestanten haben den Kölner Dom entdeckt. Mehr als 5.000 Kirchentagsteilnehmer folgen am Freitagabend der Einladung von Kardinal Joachim Meisner zum ökumenischen Gottesdienst in der gotischen Kathedrale. Der Erzbischof erteilt ihnen eine kleine Lehrstunde über die heiligen drei Könige und das Wesen der Pilgerschaft. "Mer losse de Dom katholisch", übersetzt ein Teilnehmer diese Botschaft auf gut Kölsch.

 (DR)

Von KNA-Redakteur Bernd Buchner
Ein evangelischer Kirchentag im katholischen Köln, das ist automatisch ein ökumenisches Ereignis. 7,1 Prozent der Dauerteilnehmer sind katholisch - nominell weniger als vor zwei Jahren in Hannover. Doch angesichts zahlloser Tagesgäste sowie der engen Verknüpfung mit christlichen Gemeinden vor Ort dürfte es wohl noch nie einen Kirchentag gegeben haben, an dem sich so viele Katholiken beteiligten. Das "Wurzelwerk der Ökumene" wird dichter, so der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Joachim Meyer.

Auf den großen Kirchentagsbühnen steht das Miteinander der Konfessionen hingegen weniger im Mittelpunkt, als Beobachter vermutet hatten. Durch den gleichzeitigen G-8-Gipfel dominiert das Thema Globalisierung und Gerechtigkeit, zudem zieht der Streit zwischen Protestanten und Muslimen Interesse auf sich. Da haben es Anliegen der Ökumene schwer. Und der starke Zuspruch für katholische Leitfiguren wie Kardinal Karl Lehmann oder Pater Anselm Grün allein liefert noch keinen ökumenischen Mehrwert.

Annäherung in Streitfragen war nicht zu erwarten. Meisner hatte schon im Vorfeld bekräftigt, dass Katholiken nicht an Abendmahlsfeiern teilnehmen dürfen. Die Veranstalter konterten, nach protestantischem Verständnis seien alle Getauften eingeladen. Einig waren sich Meyer und Kirchentagspräsident Reinhard Höppner, dass es auch beim zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München wohl kein gemeinsames Abendmahl geben werde. Beide Kirchen betonten derzeit zu sehr ihr eigenes Profil, als dass ein Durchbruch bis dahin möglich werde, sagten sie.

Bei einer Podiumsrunde zum Thema Eucharistie formulierten Besucher den Eindruck, dass sich die Debatte seit Jahren im Kreis dreht. An der Kirchenbasis, das wurde ebenfalls deutlich, sind die unterschiedlichen Auffassungen kaum mehr vermittelbar, geschweige denn in der säkularen Öffentlichkeit.

Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär meint zwar das Ende der "ökumenen Eiszeit" auszumachen. Doch die Konfessionen kommen offenbar etwas ermüdet aus der Kälte. Beim Ökumene-Podium unter dem Titel "Lebendig, kräftig, zukunftsfähig?" bringt dies Ulrich Ruh, Chef der Freiburger Zeitschrift Herder-Korrespondenz, auf den Punkt. Er beschwört die Gefahr, dass die Ökumene gar nicht mehr richtig wahrgenommen werde, zumal die Mehrzahl der Christen mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden sei.

Mehr Zweifel als Hoffnung sprach auch aus dem überraschend freimütigen Statement von Kardinal Lehmann. Der erste große Aufbruch scheine sich erschöpft zu haben, so der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz. Selbstkritisch wies er den Kirchenleitungen Mitverantwortung für die unbefriedigende Situation zu. Die Probleme nannte der Kardinal beim Namen:
Abendmahl, konfessionsverbindende Ehen, das Fehlen gemeinsamer Sonntagsgottesdienste. Auch das Papstamt sei ein "Hindernis".

Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Bischof Friedrich Weber, kann nicht mehr Mut machen. Er wiederholt die protestantische "Verletzung" durch die Kirchenauffassung des Vatikan und verlangt die Anerkennung der evangelischen Ordination. Zu mehr ökumenischer Ungeduld hatte zuvor Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gemahnt. Der Druck müsse vor allem von der Basis kommen, sagte er.

In ersten Bilanzen sahen ZdK-Chef Meyer und Höppner die Ökumene trotzdem gestärkt. Die ökumenische Atmosphäre sei "hervorragend", sagte Höppner. "Trotz aller Unkenrufe über eine Eiszeit lebt und erlebt dieser Kirchentag die Ökumene."