Seit Fronleichnam hängt sie fast stumm im Glockenstuhl des Südturms. Dreimal am Tag ist sie noch zu hören, wenn ein Schlaghammer auf ihren unteren Rand niederfällt und die dreimal drei Schläge zum Engel des Herrn ertönen. Die Dreikönigenglocke des Kölner Domes ist seit dem jährlichen Wartungstermin im Juni stillgelegt. Ihr Klöppel weise eine Beschädigung auf, heißt es im Bericht des Dombaumeisters Peter Füssenich im jüngst veröffentlichten Domblatt. Die Klöppelaufhängung habe so viel Spiel, dass dieser nicht mehr exakt anschlägt, sondern "in einer elliptischen Bewegung an der Glocke" vorbeischleift.
Um die Dreikönigenglocke nicht ernsthaft zu schädigen, sei sie daher außer Betrieb genommen worden und wartet nun auf einen neuen Klöppel. Dieser werde vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken ECC-ProBell in Kempten berechnet und in der Werkstatt des niederbayrischen Hammerschmieds Martin Wensauer gefertigt, heißt es im Bericht weiter. Auch die Domglocke Speciosa solle in diesem Zusammenhang einen neuen Klöppel erhalten, um schonender geläutet zu werden.
Wechselvolle Geschichte
Die Dreikönigenglocke blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Ihre Inschrift verrät, dass sie dreimal neugegossen werden musste, weil die jeweilige Vorgängerin schadhaft geworden war. Der wahrscheinlich erste Guss erfolgte bereits im Jahr 1418. Als erste der drei großen Domglocken Pretiosa, Speciosa und Dreikönigenglocke gelangte sie 1437 in den noch unvollendeten Südturm der Westfassade des Domes.
Ende des 17. Jahrhunderts sprang die Dreikönigenglocke erstmals und wurde durch Johann Bourlet aus Jülich 1693 neugegossen. Der Kölner Erzbischof Joseph Clemens von Bayern stiftete hierzu zusätzliches Metall, was auch in der Inschrift vermerkt wurde. Doch die neue Glocke hielt keine 200 Jahre. 1862 zersprang sie und wurde diesmal durch den Aachener Gießer Joseph Beduwe neu gefertigt, der in dem Zusammenhang auch die heute noch erhaltene Ursulaglocke goss.
Neuguss durch renommierten Gießer
Doch der dritten Dreikönigenglocke war ein noch kürzeres Leben beschieden. Keine 18 Jahre nach ihrem Guss zersprang das Instrument 1880 beim Einläuten des Fronleichnamsfestes. Noch im selben Jahr geschah der Neuguss, diesmal durch Hermann Große in Dresden. Große zählte damals zu den renommiertesten Glockengießern in Deutschland und hatte in den Jahren davor die jeweils größte Glocke der Dome in Halberstadt und Hildesheim neugegossen. Sein bekanntestes und heute noch vollständig erhaltenes Werk ist das Frankfurter Domgeläut aus dem Jahr 1877 mit seiner fast 12 Tonnen schweren Gloriosa.
Offensichtlich setzte das Kölner Domkapitel auf einen erfahrenen Gießer, der ihnen Qualität und Nachhaltigkeit liefert. Die Gießerei Große war zum Zeitpunkt des Gusses jedoch schon in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Hermann Große hatte die Führung bereits abgegeben und arbeitete im Betrieb noch einige Jahre als Prokurist und Technischer Leiter.
Glockenweihe in Dresden
Die Dreikönigenglocke ist also ein Spätwerk der Dresdener Gießerei Große. Ihr äußerer Schmuck enthält Elemente aller früheren Güsse, weshalb sich ihre wechselvolle Geschichte sehr gut ablesen lässt und die Gestaltung unter den Kölner Domglocken die reichhaltigste ist.
Der Zusatz der Inschrift von 1880, "nach Vollendung der Türme erneuert" worden zu sein, stellt den Zusammenhang zur Domvollendung her. Die damals schwierige politische Gemengelage zwischen katholischer Kirche und preußischem Staat spiegelte sich auch in der Domvollendung wider. Der Kölner Erzbischof lebte damals im niederländischen Exil. Die Weihe der Dreikönigenglocke fand nicht im Dom, sondern in der Gießerei in Dresden statt.
Klanglich wird das Instrument mit dem Schlagton h in der kleinen Oktave von einem reichhaltigen Obertonspektrum geprägt, weshalb die Dreikönigenglocke vom langjährigen Glockensachverständigen des Erzbistums Köln, Gerhard Hoffs, gerne als "querschlagende Sächsin" bezeichnet worden ist. Für ihren Neuguss 1880 wurde Hermann Große als Referenz der Schlagton der klanglich etwas zu hoch geratenen Ursulaglocke von 1862 angegeben, weshalb sich zwischen Dreikönigenglocke und Speciosa das Intervall eines sehr stark gedehnten Ganztons auftut.
Weltliche Aufgabe als "Blutglocke"
Heute ist die Dreikönigenglocke mit 3.800 Kilogramm Gewicht die viertgrößte Glocke im Kölner Domgeläut. Wie eingangs schon erwähnt, erklingt sie trotz ihrer Stilllegung weiterhin mit dreimal drei Anschlägen zum Engel des Herrn, da ihre Inschrift von 1418 einen Teil des Englischen Grußes enthält. Ihre anderen liturgischen Dienste sind sonst an den Sonn- und Feiertagen zusammen mit den weiteren Domglocken. Allein erklingt sie aber vor allem zu den Prozessionen unter dem Dreikönigenschrein zur Dreikönigswallfahrt und dann am 6. Januar. Ihr Schweigen wird daher gerade zu diesem bald anstehenden Anlass besonders auffallen.
Bis in die Neuzeit hatte die Dreikönigenglocke noch eine andere Aufgabe: Sie erklang, wenn ein zum Tode Verurteilter vom erzbischöflichen Richter dem weltlichen Nachrichter übergeben wurde. Daher führte sie zeitweise auch die Bezeichnung "Blutglocke".