DOMRADIO.DE: Nach knapp 5.000 Kilometern unterwegs sind Sie am Ziel angekommen. Was ist das für ein Gefühl?
Helmut Kautz (evangelische Pfarrer): Erschöpft und erleichtert. Ich freue mich, dass wir so viele Augen gesehen haben, die wir beglücken und beschenken konnten. Wir sind mit dem Glockenwagen in der Hand-in-Hand-Schule angekommen und dann kamen Schulklasse um Schulklasse – hunderte Kinder –, die sich mit der Glocke fotografieren ließen. Ich fühle mich richtig gut, wenn so ein Traum in Erfüllung gegangen ist. Ich freue mich, dass wir das geschafft haben. Und ja, es ist auch Wehmut dabei, weil es nun vorbei ist. Es war eine schöne Sache, unterwegs zu sein.
DOMRADIO.DE: Warum ist es so ein starkes Gefühl, dass Sie jetzt die Glocke übergeben haben?
Kautz: Weil es für das Leben eine schöne Sache ist, wenn man etwas Sinnvolles tut und wenn man einen Traum hat und merkt, dass wirklich in Erfüllung geht. Die Schuldirektorin sagte: "Vor drei Stunden kannten wir uns noch nicht, und jetzt fühlen wir uns wie eine Familie. Ihr gebt uns Licht und Hoffnung."
Hier im Land haben die Menschen zwei Jahre lang das Gefühl gehabt, die Welt schaut auf sie herab und sagt: "Wir haben schon immer gewusst, wie die Juden sind." Und dann kommen wir aus Deutschland – 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, 80 Jahre nach der Shoah – und bringen die Hoffnung des Friedens.
Die Hand-in-Hand-Schule, in der arabische Christen, arabische Muslime und Juden zusammen lernen, ist die nächste Generation. Diese Kinder haben die Chance auf etwas Neues. Das, was wir in Deutschland erlebt haben – Versöhnung mit Israel, mit dem jüdischen Volk, 80 Jahre Wohlstand – das kann es auch hier geben.
Ich glaube daran, dass man Hoffnung bringen kann. Die Schulglocke, die Friedensglocke, kann jeden Tag läuten und die Kinder daran erinnern, dass sie die Generation sind, die zusammen lernt, sich begegnet und vielleicht eine neue Zukunft für den Nahen Osten aufbaut.
Da merkt man, dass man etwas Sinnvolles getan hat. Und für mich als Mensch ist es wichtig, wenn ich merke, dass es Sinn macht, sich auf den Weg zu machen und dem Frieden nachzujagen. Ich kann Ihnen sagen, mit jedermann dem Frieden nachzujagen, ist echt schwer. Denn jedermann ist manchmal der stinkende Nachbar, der auch noch schnarcht.
DOMRADIO.DE: Sie haben offensichtlich einen guten Zeitpunkt erwischt, zu dem Sie angekommen sind. Während Sie unterwegs waren, war die Situation teilweise anders. Haben Sie das unterwegs mitverfolgen können – mit Kutschen und Pferden?
Kautz: Wir haben das immer mitverfolgt. Aber es ist schön, wenn man ankommt und hört, dass es unfassbar ist, dass jemand mit Pferden aus Deutschland 3.500 Kilometer zieht – am Ende mit Maultieren, und ganz am Ende haben wir zusammen mit Israelis geschoben. Und dann sagen die Menschen: "Ihr kommt, ihr habt uns nicht vergessen. Ihr bringt den Frieden." Sie sagten: "Jetzt, wo ihr kommt, ist Frieden", weil hier gerade eine Phase der Hoffnung ist. Auch mit internationaler Hilfe.
Aber das Entscheidende ist, dass man nicht einfach mit einer Glocke ankommen und sagen kann: "Ich bin der Frieden." Die Menschen müssen sagen: "Ihr bringt ihn." Das ist wunderbar zu hören.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet es für Sie alle, dass Sie es geschafft haben, durchgehalten haben – und dass Sie den Frieden dorthin gebracht haben?
Kautz: Wir sind erst einmal alle ermattet, froh und ergriffen. Es war eine unglaublich schöne Feier. Der arabisch-jüdische Kinderchor hat "Imagine" gesungen. Darauf konnten sich alle einigen. Wir fühlen uns gut, aber auch wehmütig, weil es nun vorbei ist.
Wie es weitergeht? Im Moment haben wir keine Idee. Aber nach dem, was wir in der Schule erlebt haben, kann man schon sagen: Irgendwie muss es weitergehen, auch im Kontakt mit der Schule. Denn die Menschen hier, die Versöhnung wollen, sind bedrängt. Und sie sagen zu uns: "Ihr seid die Stimme der Solidarität." Wir sagen ihnen: "Ihr seid nicht allein auf diesem schwierigen Weg." Hier gibt es so viel Schmerz, Verletzung und Leid, dass kaum jemand die Kraft hat, den Schmerz und das Leid der anderen zu sehen.
Das Interview führte Dagmar Peters.