Man sieht ihr dabei zu, wie sie hingebungsvoll eitrige Geschwüre Leprakranker versorgt und abgemagerten Menschen auf der Straße Brotbällchen und Wasser zusteckt. Doch Mutter Teresa kann auch hart und unbarmherzig sein: "Jede Schwester darf nur einmal alle zehn Jahre ihre Familie besuchen", schreibt sie in die Ordensregeln, die sie gemeinsam mit ihrer rechten Hand, Schwester Agnieszka, ausgearbeitet hat. Was denn im Fall eines familiären Notfalls sei, fragt die. "Es gibt keine Ausnahmen, für niemanden", antwortet Teresa.
Es ist das Jahr 1948, die 37-jährige Mutter Teresa (gespielt von Noomi Rapace) ist Oberin des Loreto-Ordens in Kalkutta, der sich der Bildungs- und Missionsarbeit in Indien verschrieben hat. Doch Teresa will ihrer Berufung folgen und einen eigenen Orden gründen, die "Missionarinnen der Nächstenliebe". Nicht nur, um sich ganz den Ärmsten zu widmen, sondern auch aus Widerstand: "Ich bin hier drin gefangen. Ich bin eine Frau in einem System, das Männer führen!", hört man sie sagen.
Wie war Teresa wirklich?
Doch für diesen Plan braucht sie die Erlaubnis des Papstes und die lässt auf sich warten. Der Film "Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten" inszeniert die letzten sieben Tage von Mutter Teresa im Loreto-Orden, bis endlich der ersehnte Brief aus Rom eintrifft, der ihr die Neugründung genehmigt. Es ist aber vor allem auch ein Film über die Innenwelten einer Frau, die bis heute vielen als Ikone der Nächstenliebe gilt und die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt wird.
Teresa bereitet in diesen sieben Tagen ihren Fortgang vor. Ihre engste Vertraute Agnieszka soll die Nachfolge antreten, doch das wird zum Problem: Agnieszka ist schwanger. Teresa reagiert bestürzt statt gnädig: "Ich würde mein Leben niemals dem irdischen Vergnügen überlassen", schleudert sie ihrer spirituellen Ziehtochter entgegen. Die Oberin sieht ihre Pläne in Gefahr und tut alles, um den Zustand der potenziellen Nachfolgerin zunächst geheim zu halten.
Zwischen Oper und Eitelkeit
Die Situation konfrontiert Teresa zudem mit den eigenen Sehnsüchten und Zweifeln und erschüttert ihren Glauben an die eigene Rechtschaffenheit zutiefst. Hat sie den richtigen Weg gewählt? War es die Berufung wert, auf Familie und Mutterschaft zu verzichten? Geht es ihr wirklich um die Armen? "Kann es sein, dass meine Eitelkeit mich dazu gebracht hat, unter den Ärmsten der Armen zu leben, und ich helfe ihnen im Namen Gottes nur, um die Illusion zu erzeugen, ich würde mich selbst aufopfern?", hört man sie im Film sagen. "Kann es sein, dass meine Eitelkeit ein Bild erzeugen will von mir als Heldin und Heilige?"
Existenzielle Fragen, doch an dieser Stelle driftet der Film ab, macht Anleihen bei klischeebeladenen Grusel-Nonnen-Filmen, in denen vom Teufel besessene Frauen verrückte Dinge tun: Teresa hört Stimmen und im Traum schieben sich die Klostermauern bedrohlich eng zusammen, während sie selbst wahnhaft durch die Flure fiebert. Schwestern tanzen in der Dunkelheit zu "Hard Rock Hallelujah". Mit diesem Song gewann die finnische Metal-Band Lordi 2006 den Eurovision Song Contest.
Das hätte es nicht gebraucht, um die innere Zerrissenheit von Teresa darzustellen. Tatsächlich plagten Mutter Teresa jahrzehntelang tiefe Glaubenszweifel, das belegen ihre 2007 veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen. Ihre Zweifel an der Existenz Gottes setzten schon bald nach Gründung ihrer Ordensgemeinschaft ein und haben sie bis zu ihrem Tod 1997 nicht mehr verlassen.
Aus kirchlicher Sicht war ihre Mission ein Erfolgsprojekt: Heute gehören mehr als 5.000 Schwestern in rund 135 Ländern den "Missionarinnen der Nächstenliebe" an und betreiben Heime für Sterbende, Leprakranke, Obdachlose oder Kinder. 1979 wurde Mutter Teresa für dieses Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, 2016 sprach Papst Franziskus sie heilig.
Licht und Schatten
Zugleich löste sie schon zu ihren Lebzeiten Kontroversen aus: Die hygienischen und medizinischen Bedingungen in den von ihr eingerichteten Missionsstationen sollen katastrophal gewesen sein, während sie zum anderen hohe Spendensummen aus teils zweifelhaften Quellen angenommen haben soll.
Erst im vergangenen Jahr wurden Missbrauchsvorwürfe gegen die "Missionarinnen der Nächstenliebe" erhoben. Ehemalige Ordensschwestern beklagten ein repressives Regiment im Orden und sprachen von Demütigungen und körperlichen Grenzüberschreitungen.
Regisseurin Teona Mitevska, die wie Mutter Teresa aus der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje stammt, geht diesen Vorwürfen nicht nach. Doch sie strickt auch nicht an der Heiligenlegende mit, sondern zeichnet Mutter Teresa als eine Frau mit Ehrgeiz und ungebärdigem Willen.
Das wirft die interessante Frage auf: Wie sehr haben auch Heilige in ihrem irdischen Leben gezweifelt und an inneren Dämonen gelitten? Mutter Teresa war auch ein normaler Mensch mit Fehlern und Schwächen. Aber ihre Themen, die Armut und Verelendung von weiten Teilen der Weltbevölkerung, sind heute so aktuell wie damals.
Der Film "Teresa – Ein Leben zwischen Licht und Schatten" läuft ab Donnerstag (04.12.) in deutschen Kinos.