DOMRADIO.DE: Wieso gilt Rothenburg ob der Tauber in Nordbayern als Weihnachtsstadt?
Beate Steger (Pilgerexpertin und Autorin): Da hat schon 1977 in der Herrngasse das erste Fachgeschäft für Weihnachtsartikel eröffnet, Käthe-Wohlfahrts-Christkindlmarkt. Der ist das ganze Jahr über offen. Das ist die eine Geschichte. Das zweite sind die Rothenburger Schneeballen. Das ist ein besonderes Mürbegebäck. Das wird zwar das ganze Jahr verkauft, aber mit Schneeballen assoziiert man eben auch mit Weihnachten. Außerdem gibt es in Rothenburg eine schöne Altstadt mit einem großartigen Weihnachtsmarkt.
DOMRADIO.DE: Und es kreuzen sich hier gleich mehrere Jakobswege. Welche sind das?
Steger: Von Nord nach Süd, von Würzburg kommend, geht ein Jakobsweg nach Ulm, der führt durch Rothenburg ob der Tauber. Vom Osten her kommend geht es über Tillyschanz, dann weiter über Nürnberg und schließlich über Rothenburg weiter nach Heilsbronn.
Das ist quasi der erste von Paul Geißendörfer wiederbelebte Jakobsweg in Deutschland. Er war ein evangelischer Pfarrer in Heilsbronn und hat in den 1990er Jahren die Jakobswege wiederbelebt. Er ist inzwischen 90 Jahre alt, und ich bin immer noch in regem Kontakt mit ihm. Das ist immer wieder schön. Er hat diesen Jakobsweg wieder auf den Weg gebracht.
DOMRADIO.DE: Rothenburg ist auch Startpunkt zweier Pilgerwege.
Steger: Genau. Es geht ein wunderschöner Weg in Rothenburg los, der führt Richtung Rottenburg am Neckar und von dort aus geht es weiter durch den Schwarzwald Richtung Freiburg. Wir haben noch einen anderen Weg, der geht in die wunderbare Stadt Speyer mit dem großen Dom. Von dort aus kann man zum Beispiel weiter Richtung Elsass pilgern.
DOMRADIO.DE: Rothenburg ob der Tauber ist eine Pilgerstadt, die für ihre Altstadt voller Fachwerkhäuser und ihre Jakobskirche berühmt ist. Was macht die Sankt Jakobskirche in Rothenburg aus?
Steger: Das ist eine gotische Kirche. Das Berühmte in der Geschichte dieser Kirche ist der Heilig-Blut-Altar von Tilman Riemenschneider. Der wurde ab 1499 geschaffen. Es gab vorher schon eine Kapelle, die erwähnt wurde. Bei der Wandlung vergossene Weintropfen wurden als Blut Christi verehrt. Deswegen war diese Kapelle schon eine Wallfahrtsstätte. Diese Kapelle wurde später in die Kirche integriert.
DOMRADIO.DE: Dabei gibt es gar keine Spuren besonderer Jakobsverehrung in Rothenburg.
Steger: Das sagt Dr. Ludwig Schnurrer, ein Rothenburger Archivar und Historiker. Er sagt, dass der Heiligenname Jakobus in der Rothenburger Überlieferung völlig fehlen würde. Man könnte daher gar nicht davon ausgehen, dass im Mittelalter viele Jakobspilger durch die Stadt gekommen sind, was heute anders ist.
DOMRADIO.DE: Aber im Mittelalter sind viele Rompilger durch Rothenburg gekommen. Was hatte das zur Folge?
Steger: Die Stadt lag schon im Mittelalter an diesem bedeutenden Nord-Süd-Straßenzug von Skandinavien, der nach Rom führte. Und wer da heute zum Beispiel mit dem Auto oder auch mit dem Fahrrad unterwegs ist, trifft immer wieder auf die Bezeichnung Romantische Straße.
Diese Rompilger haben in der Stadt zwei Spitäler gefunden, in denen sie übernachten konnten und in denen sie auch verpflegt wurden, wenn sie krank waren oder wenn es irgendwelche Notsituationen gab. Aber sie hätten auch Jakobspilger aufnehmen können. Insofern finde ich das nicht schlüssig, was Dr. Schnurrer da sagt. Aber sicher ist, dass es zwei Pilgerspitäler gegeben hat in Rothenburg ob der Tauber.
Das Interview führte Hilde Regeniter.