Dogmatiker Tück sieht eine politische Dimension des Christkönigfestes

Autokraten der Welt in die Ecke gestellt

In vielen Ländern gibt es eine Renaissance des völkischen Nationalismus. Das Christkönigsfest kann da ein wichtiges Signal sein, da es Christus als wahren König einer völkerübergreifenden Menschheitsfamilie feiert, so Jan-Heiner Tück.

Autor/in:
Johannes Schröer
Statue des Christkönig im polnischen Świebodzin / © svet foto (shutterstock)
Statue des Christkönig im polnischen Świebodzin / © svet foto ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Christkönigsfest ist in der Kirchengeschichte eher jung, vor genau 100 Jahren wurde es von Papst Pius XI. eingeführt. Warum? 

Prof. Dr. Jan-Heiner Tück (Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien):  Zum einen wollte Pius XI. an das 1600-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa erinnern und deutlich machen, dass Christus der universelle König ist.

Prof. Dr. Jan-Heiner Tück (privat)
Prof. Dr. Jan-Heiner Tück / ( privat )

Zum anderen war das die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Da gab es ein Sinnvakuum, die Friedensdiplomatie des Vorgängerpapstes war gescheitert. Es war eine krisenhafte Stimmung und durch das Christkönigsfest sollte ein leuchtendes Signal der Orientierung durch die katholische Kirche gehen.

DOMRADIO.DE: Christus wird hier als König verehrt. Was steckt denn hinter diesem Königsbild? Ein König steht doch immer für autoritäre Macht und Herrschaft, also für Monarchie und nicht für Demokratie? 

Tück: Zum einen gab es eine geistliche Bewegung, die Christus als den König der Herzen inthronisieren wollte. Und zum anderen sollte dadurch auch öffentlich der Orientierungsanspruch der Kirche deutlich gemacht werden. Man muss auch sagen, dass Pius XI. zunächst eine etwas ambivalente Haltung gegenüber dem italienischen Faschismus eingenommen hat. Denn Mussolini hatte ihm zugesagt, dass er die katholische Kirche privilegieren würde. Auf diese Charmeoffensive des Duce hat sich Pius XI. anfänglich eingelassen. Er hat dadurch auch den Faschismus in Italien mit gefördert. Später ist er dann immer weiter auf Distanz gegangen und hat auch deutliche Kontrapunkte gesetzt.

DOMRADIO.DE: Aber das Christkönigsfest kann doch auch als Gegenentwurf zu Mussolini interpretiert werden. Hier wird Christus als der große Friedensfürst verehrt, der für alle Völker verbindlich ist und nicht für einen Nationalisten und Diktator wie Mussolini? 

Tück: Die antiautokratische Tendenz des Festes ist eigentlich erst, nachdem es eingeführt wurde, zunehmend deutlich geworden und entdeckt worden – nicht nur gegenüber dem Duce, sondern vor allem auch im deutschen Kontext gegen den Führer Adolf Hitler. Jesus Christus ist der König, Jesus ist unser Führer. Das war ein klares subversives Signal gegenüber den Nationalsozialisten.

DOMRADIO.DE: Und hat das funktioniert? Wurde das Christkönigsfest als Gegenentwurf zu Hitler dann zu einem Widerstandssignal? 

Tück: Das ist sicher in einzelnen Aktionen geschehen. Ich erinnere an die Vesper, die Kardinal Theodor Innitzer in Wien nach dem Anschluss Österreichs, also im Oktober 1938, gehalten hat. Da hat er spontan bei einer Ansprache "Christus ist unser Führer" gesagt und die versammelten Jugendlichen – es sollen fünf- bis siebentausend im Stephansdom gewesen sein – haben sofort Beifall geklatscht. Die Nazis haben das Signal verstanden und haben am Folgetag das erzbischöfliche Palais gestürmt und das Kreuz demoliert. Die demolierte Darstellung ist bis heute gewissermaßen als Reliquie an diesen Tag im erzbischöflichen Palais zu sehen. Das ist ein eindrucksvolles Bild.  

Papst Pius XI. / © N.N. (KNA)
Papst Pius XI. / © N.N. ( KNA )

DOMRADIO.DE: Und doch bleibt der Verdacht, dass das Christkönigsfest kirchlichen Triumphalismus gefördert haben könnte und die Niedrigkeit des gekreuzigten Christus vergessen lässt. Denn wir kennen Jesus in dem Bild des Bettlers, in dem Bild des Märtyrers, aber weniger in dem Bild eines herrschenden Königs. 

Tück: Wenn man in die Heilige Schrift guckt, haben wir natürlich die Königspsalmen, wir haben den Einzug in Jerusalem, wir haben also vielfältige Referenzstellen, die das Königsmotiv einflechten und es zugleich auch transzendieren. Jesus sagt im Gespräch mit Pilatus im Johannesevangelium: "Mein Königreich ist nicht von dieser Welt.“ Damit äußert Jesus quasi einen Vorbehalt, dass sein Königreich ganz anders ist als ein irdisches Königreich. 

Das kann man auch dahingehend auslegen, dass sein Reich alle Reiche dieser Erde transzendiert und dass alle politischen Versuche, ein Reich Gottes ohne Gott installieren zu wollen, letztlich an dem Anspruch scheitern, den Jesus Christus erhoben hat, nämlich ein alle diese Reiche transzendierendes Reich mit universaler Reichweite konstituiert zu haben. 

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch einige, die sagen, dass Papst Pius XI. mit der Einführung des Christkönigsfestes eine antimoderne Theokratie begünstigen wollte? 

Tück: Da muss man jetzt mit den Kategorien vorsichtig sein, die man verwendet. Selbstverständlich hat Papst Pius XI. bei der Einführung des Festes den Laizismus Frankreichs, die liberalen Demokratien, auch kritisch im Auge gehabt. Dann aber, je länger und je mehr sich die Diktaturen des 20. Jahrhunderts durchsetzten, hat er seine Enzyklika "Mit brennender Sorge" verfasst, in der er die rassistischen und völkischen Komponenten klar kritisiert hat.

Im Nachgang, muss man sagen, hat es eben Autoren wie Erik Peterson gegeben, der einen Aufsatz mit der Überschrift "Christus als Imperator" verfasst hat. Das war eine klare theologiepolitische Ansage. Oder von Gertrude von Le Fort ist ein entsprechender Hymnus überliefert. Da gibt es einiges aus dieser Zeit, wo eben der Königstitel bemüht wird, um autokratische Ansprüche in die Schranken zu weisen. 

Katholiken feiern Christkönig / © Katholische Kirche Ingolstadt
Katholiken feiern Christkönig / © Katholische Kirche Ingolstadt

Man kann es plastisch sagen: Wer vor Christus, dem König, niederkniet, der kann vor politischen Autokraten Widerstand leisten. So dass die Christkönigsfrömmigkeit auch zur Quelle des Widerstandes werden kann. 

Heute, gebe ich zu, hat der Titel Christkönig einen royalistischen Beigeschmack. Er passt nicht ganz in die liberale Demokratie. Aber wenn wir bedenken, dass es eben auch heute rechte autokratische Tendenzen gibt, kann man dieses Widerstandspotenzial vielleicht revitalisieren. Wir erleben ja die Fragmentierung der politischen Landschaft und die universalen Menschenrechte, also das, was über Ethnie, über Rasse, über politische Interessen hinaus das grundlegend Verbindende ist, ist momentan in einer Krise. Insofern kann auch das Christkönigsfest, auch wenn es zunächst vom Titel her befremdlich sein mag, wichtige Anstöße für heute geben.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR

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