So blicken katholische Verbände und die Union auf das Rentenpaket

Zweifel an der Generationengerechtigkeit?

Die Junge Union lehnt das von der Regierung geplante Rentenpaket ab. Doch Kanzler Friedrich Merz bleibt hartnäckig. Auch katholische Verbände blicken kritisch auf die Rentenpläne. Der Streit könnte eine Koalitionskrise auslösen.

Autor/in:
Carsten Döpp
Rentnerinnen und Rentner / © Arne Dedert (dpa)
Rentnerinnen und Rentner / © Arne Dedert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Am Wochenende hat sich die Junge Union zu ihrem Deutschlandtag getroffen und dabei ging es hoch her. Im Mittelpunkt stand das geplante Rentenpaket der Regierung. Das lehnt der Parteinachwuchs von CDU und CSU ab. Der Auftritt von Kanzler Friedrich Merz und seine Rede konnten daran nichts ändern. Dann stärkte auch noch CSU-Chef Markus Söder den Jungen den Rücken. Was ist da los?

Karin Wollschläger von Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA)
Karin Wollschläger von Katholischen Nachrichten-Agentur / ( KNA )

Dr. Karin Wollschläger (Leiterin des KNA-Hauptstadtbüros): Die Junge Union ist sauer auf Merz und die Partei. Die jungen Delegierten fordern klare Nachbesserungen beim geplanten Rentenpaket. So wie es jetzt geplant ist, gehe es zu sehr auf Kosten der jüngeren Generation. Konkret geht es um die Finanzierung. Schon jetzt muss der Bund da ja jährlich rund 120 Milliarden Euro zuschießen. Das geplante Rentenpaket sieht vor, das Rentenniveau bis 2031 stabil bei 48 Prozent zu halten. Das war so im Koalitionsvertrag verabredet. 

Die Junge Union findet aber, dass das Rentenpaket jetzt doch deutlich mehr Kosten verursachen würde, als im Koalitionsvertrag vereinbart, und zwar auch über 2031 hinaus. Da sagen die Jungen: Stopp, so nicht. Nicht mit uns. Wo bleibt die Generationengerechtigkeit? Kanzler Merz hat am Wochenende aber kein Entgegenkommen gezeigt. An dem Paket, das aus dem SPD-geführten Arbeitsministerium kommt, werde nicht mehr gerüttelt. Er werde der Vorlage im Bundestag "mit gutem Gewissen" zustimmen. Und 2031 werde man sowieso neu rechnen müssen. Merz hat auch deutlich gemacht, dass er Zweifel an den Kostenberechnungen der Jungen Union hat. Außerdem sei dieses Rentenpaket erst der Anfang.

Karin Wollschläger

"Wenn die Jungen Unionsabgeordneten geschlossen gegen das Rentenpaket stimmen, haben Union und SPD im Bundestag keine eigene Mehrheit mehr für ihr Projekt. Dann haben wir die nächste große Koalitionskrise."

DOMRADIO.DE: Kann die Junge Union ihm gefährlich werden? Wie groß ist der Einfluss der Jungen?

Wollschläger: Beim Deutschlandtag hat sich gezeigt: In der Jungen Union herrscht große Einigkeit in Sachen Ablehnung des Rentenpakets. Einstimmig haben die JU-Delegierten einem Antrag zugestimmt, der die Unionsfraktion im Bundestag auffordert, dem Rentenpaket in der derzeitigen Fassung nicht zuzustimmen. Das kann tatsächlich gefährlich für die schwarz-rote Regierungskoalition werden. Aus der Jungen Union sitzen 18 Abgeordnete im Bundestag, die sogenannte Junge Gruppe. Mit diesen 18 Stimmen haben sie quasi eine Sperrminorität, denn Schwarz-Rot hat im Bundestag nur eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Heißt: Wenn die Jungen Unionsabgeordneten geschlossen gegen das Rentenpaket stimmen, haben Union und SPD im Bundestag keine eigene Mehrheit mehr für ihr Projekt. Dann haben wir die nächste große Koalitionskrise.

DOMRADIO.DE: Wie geht es nun weiter?

Wollschläger: Da ist jetzt richtig Druck im Kessel. Und CSU-Chef Markus Söder hat das Feuer gestern in seiner Rede beim Deutschlandtag nochmal zusätzlich angeheizt. Er hat sich hinter die Junge Union gestellt und wurde dafür gefeiert. Söder hat klar Richtung Merz gesagt: Da muss noch mal mit der SPD nachverhandelt werden. – SPD-Chef Lars Klingbeil ließ quasi zeitgleich verlauten: Kommt nicht in die Tüte, an dem Gesetz wird nichts mehr geändert. Ich denke, niemand will letzten Endes, dass es bei einem so wichtigen Thema zum Eklat kommt. 

Friedrich Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Friedrich Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Meines Erachtens werden alle Beteiligten noch einmal miteinander reden müssen. Vor allem auch Friedrich Merz mit den Jungen reden müssen. Letztlich ist es auch eine Vertrauensfrage: Die Junge Union vertraut Friedrich Merz einfach nicht mehr, wenn er zusichert, dass es nach 2031 keine zusätzlichen Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme geben werde. Beim Deutschlandtag wurde Merz auch von jungen Delegierten gefragt, ob er die Verabschiedung des Rentenpakets mit seiner persönlichen Glaubwürdigkeit in Übereinklang bringen könne.

Wenn wir uns erinnern: In seiner ersten Regierungserklärung als Kanzler hat Merz gesagt, dass die neue Bundesregierung mit aller Kraft einen neuen Generationenvertrag verwirklichen werde. Das hat die Junge Union damals gefeiert. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung. Jetzt hat die Junge Union den Eindruck, dass die Generationengerechtigkeit doch wieder hintüber kippt.

Karin Wollschläger

"Letztlich ist es auch eine Vertrauensfrage: Die Junge Union vertraut Friedrich Merz einfach nicht mehr, wenn er zusichert, dass es nach 2031 keine zusätzlichen Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme geben werde."

DOMRADIO.DE: Nun ist die Kritik der Jungen Union am Rentenpaket nicht erst am Wochenende zum ersten Mal aufgekommen…

Wollschläger: Das Ganze schwelt seit Wochen. Das Kabinett hat das Paket bereits im August beschlossen. Im Oktober war die erste Lesung im Bundestag. Als die Junge Union mit ihrer Kritik anfangs ankam, hat Merz gesagt, dass er durchaus ihren Punkt sehe und es sei nicht das Recht der Jungen Union, sondern auch ihre Pflicht darauf hinzuweisen. Aber dann kam von ihm nichts mehr; offenbar hat man das nicht ernst genommen. Beim Deutschlandtag sagte Merz ja: „Wir dürfen die junge Generation nicht in Haftung nehmen für die Fehler, die von der älteren Generation gemacht worden sind.“ Aus Sicht der Jungen Union sind das nicht viel mehr als Lippenbekenntnisse. Kurzum: Kanzler Merz steht ein großes Stück Arbeit bevor, um das Vertrauen der Jungen zurückzugewinnen. Gelingt ihm das nicht, könnte die nächste Koalitionskrise bevorstehen.

Beginn Deutschlandtag der Jungen Union / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Beginn Deutschlandtag der Jungen Union / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie blicken die Kirchen oder kirchlichen Verbände auf das Rentenpaket?

Wollschläger: Verbände wie der Familienbund der Katholiken oder das Kolpingwerk sehen in dem Paket auch nicht den großen Wurf. Das Thema ist komplex: Immer weniger Beitragszahler und zugleich wachsender Lebenserwartung – das wird immer kostspieliger, weil Löcher in der Rentenkasse mit Zuschüssen aus der Steuerkasse gestopft werden müssten. Die geplanten Maßnahmen gehen aus Sicht der katholischen Verbände nicht weit genug, um die gesetzliche Rentenversicherung zukunftsfest und vor allem auch generationengerecht aufzustellen. Die konkreten Kritikpunkte lassen sich so zusammenfassen: Die geplanten Kosten gingen zu sehr zu Lasten jüngerer Generationen. Der aktuelle Ansatz trage nicht ausreichend dazu bei, die Altersarmut zu bekämpfen. Und eine stabile Rentenhöhe für künftige Generationen sei auch nicht gesichert.

Die Neuregelung der Mütterrente allerdings, die zum Rentenpaket dazugehört und auch nicht unumstritten ist, begrüßen die katholischen Verbände hingegen ausdrücklich. Damit wird aus ihrer Sicht eine Gerechtigkeitslücke geschlossen. Andere sehen darin eher ein Wahlgeschenk der CSU. Auch die Junge Union sieht übrigens die Neuregelung der Mütterrente kritisch und hat beim Deutschlandtag noch mal betont, dass sie kein Fan der Erhöhung ist. Söder haben sie trotzdem gefeiert.

Karin Wollschläger

"Die Neuregelung der Mütterrente allerdings, die zum Rentenpaket dazugehört und auch nicht unumstritten ist, begrüßen die katholischen Verbände hingegen ausdrücklich."

DOMRADIO.DE: Was sind die nächsten Schritte beim Rentenpaket?

Wollschläger: Das Thema wird das politische Berlin die kommenden Tage und Wochen intensiv beschäftigen. Wann genau die Zweite Lesung im Bundestag ist – die finale Abstimmung – steht noch nicht fest. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Quelle:
DR

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