Pogromnacht begann in Hessen und Sachsen-Anhalt vor 9. November 1938

Als der Hass losbrach

Am 9. November 1938 hatte Propagandaminister Joseph Goebbels das Signal gegeben, gegen Juden loszuschlagen. Im Norden Hessens und im Norden Sachsen-Anhalts wütete der nationalsozialistische Mob schon zwei Tage zuvor.

Herbstlaub liegt auf einer Grabplatte auf dem jüdischen Friedhof in Erfurt. / © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa (dpa)
Herbstlaub liegt auf einer Grabplatte auf dem jüdischen Friedhof in Erfurt. / © Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa ( dpa )

Am Abend des 7. November hatten SA- und SS-Leute in Kassel die Synagoge und die Geschäfte jüdischer Inhaber verwüstet. Sie trugen keine Uniformen, sondern Zivilkleidung - es sollte so aussehen, als herrsche in der Bevölkerung eine allgemeine Wut auf Juden. Ähnliche Ausschreitungen gab es an jenem Abend auch in Kleinstädten wie Bebra, Sontra oder Rotenburg an der Fulda.

Am Tag danach tobte der Mob weiter. In Bad Hersfeld brannte die Synagoge, in den Landkreisen Fulda und Melsungen zerschlugen Nazis - und Bürger - die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte, drangen in Wohnungen ein und verprügelten deren jüdische Bewohner. In Felsberg hetzten Angehörige der SA und der Hitlerjugend den jüdischen Kaufmann und Kommunalpolitiker Robert Weinstein zu Tode. Er war das Erste von mehr als 1.300 Todesopfern der Novemberpogrome.

Synagoge in der Roonstraße nach der Pogromnacht in Köln. (Rheinisches Bildarchiv Köln)

Gewalt begann auch in Magdeburg früher

Auch im Gau Magdeburg-Anhalt begann die Gewalt gegen die Juden früher. Als Goebbels am 9. November gegen 22:30 Uhr das Signal zum Losschlagen gab, brannte die Synagoge in Dessau bereits seit sieben Stunden.

Warum die Nazis in den Gauen Kurhessen und Magdeburg-Anhalt schon so früh losschlugen, konnte die Forschung noch nicht umfassend klären. Die meisten Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass lokale NS-Größen auf eigene Faust handelten, etwa um der NS-Spitze entgegenzuarbeiten oder um private Rechnungen zu begleichen.

Am 7. November 1938 hatte der 17-jährige Jude Herschel Grynszpan auf den deutschen Botschaftsmitarbeiter Ernst vom Rath in Paris geschossen. Das Attentat wurde für die Nazis zum Vorwand. Am 9. November gab Propagandaminister Joseph Goebbels das Signal, gegen Juden loszuschlagen, überall im Deutschen Reich begannen brutale Pogrome.

Novemberpogrome/ Pogromnacht 1938

Die Novemberpogrome von 1938 waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen von Jüdinnen und Juden im gesamten Deutschen Reich. Der Begriff Novemberpogrome bezieht sich hauptsächlich auf die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Der regimekritische, ironische Unterton der Bezeichnung "Reichskristallnacht", der eine reichsweite koordinierte Aktion unterstellt, wurde später nicht mehr verstanden. Der Begriff wurde im Nachhinein von manchen Menschen als beschönigend empfunden.

Zerstörte Fenster der Kieler Synagoge nach der Reichspogromnacht (Foto von 1938) / © Stadtarchiv Kiel/Stadtarchiv_kiel (dpa)
Zerstörte Fenster der Kieler Synagoge nach der Reichspogromnacht (Foto von 1938) / © Stadtarchiv Kiel/Stadtarchiv_kiel ( dpa )


 

Quelle:
epd