Schweigegang der Kölner Kirchen anlässlich der Pogromnacht 1938

Als schweigende Mehrheit gegen Judenhass

Die Kölner Kirchen haben anlässlich der Pogromnacht zu einem Schweigegang aufgerufen. Mit Kerzen und Lichtern wollen sie am Donnerstagabend ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen jüdischen Glaubens senden.

Autor/in:
Carsten Döpp
Kerzen stehen vor der Kölner Synagoge vor dem Gedenktag der Pogromnacht. / © Rolf Vennenbernd/dpa (dpa)
Kerzen stehen vor der Kölner Synagoge vor dem Gedenktag der Pogromnacht. / © Rolf Vennenbernd/dpa ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wir stehen kurz vor dem 87. Jahrestag der Pogromnacht, dem 9. November. Wir erleben nach wie vor mitten unter uns Antisemitismus. Was macht Ihnen gerade besonders Sorgen? 

Robert Kleine (Stadtdechant von Köln): Gerade nach dem Überfall der Hamas auf Israel hat es Demonstrationen gegen Israel gegeben. Es ist sicher auch ein gutes Recht, gegen die Politik eines Staates zu demonstrieren und eine andere Meinung zu haben. Mich stört und irritiert es aber sehr, dass Kritik an einem Land zu einer Kritik an Menschen einer bestimmten Religion wird. Es geht jetzt gegen "die Juden". Das beängstigt mich auch ein wenig.

Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

In Deutschland sind die Straftaten gegen Jüdinnen und Juden in den vergangenen Jahren angestiegen. Wir müssen dagegen aufstehen, dass wir so eine Grundtendenz nicht im Verborgenen oder am Stammtisch erleben, sondern im politischen Spektrum. Das, was in der Pogromnacht am 9. November 1938 ereignet hat, darf sich nie wieder ereignen.

DOMRADIO.DE: Hier in Köln rufen die Kirchen heute dazu auf, sich Antisemitismus entgegenzustellen und für ein vertrauensvolles Zusammenleben mit den jüdischen Nachbarn einzustehen. Welche Rolle kann die Kirche noch spielen?

Kleine: Wir setzen uns natürlich dafür ein, dass wir die Würde eines jeden Menschen in den Blick nehmen, egal welche Religion er hat. Wir haben Religionsfreiheit in unserem Land. Das zweite vatikanische Konzil hat betont, dass jeder seinen Glauben leben kann, dafür stehen wir natürlich ein. Es gibt in Köln den Rat der Religionen, wo wir unter der Leitung des Oberbürgermeisters sehr gut mit den unterschiedlichsten Religionen zusammenarbeiten.

Robert Kleine, Stadtdechant von Köln

"Wir wollen nicht, dass man Menschen jüdischen Glaubens verfolgt, ablehnt oder an den Pranger stellt."

Wir wollen nicht, dass in unserer Stadt Hass gesät wird und die Stadtgesellschaft gespalten wird. Wir wollen auch nicht, dass man die Menschen jüdischen Glaubens verfolgt, ablehnt oder an den Pranger stellt. Jetzt haben wir Gott sei Dank in Israel ein Friedensabkommen. Darüber freuen wir uns, auch wenn es sehr brüchig ist. Jetzt geht es darum, Menschen jüdischen Glaubens in unserer Stadt und in unserem Erzbistum anzuerkennen.

DOMRADIO.DE: Der Schweigegang beginnt an diesem Donnerstagabend um 18 Uhr am Jüdischen Museum an der Kreuzung Obenmarspforten. Es gibt keine Reden, keine Transparente und Fahnen - das braucht es heute nicht. Wie kann ich mir das gemeinsame Schweigen heute vorstellen?

Kleine: Wir sind in den letzten Jahren immer an der MiQua in Köln losgegangen, dem geplanten Neubau des Jüdischen Museums. Wir haben die jüdische Gemeinde, die eine lange Tradition in unserer Stadt hat. 

In ihrer Geschichte gab es sehr dunkle Momente, auch in der Beziehung der Kirche zum Judentum. Eine Station des Schweigegangs ist das Berufskolleg an der Lindenstraße, wo es vor der NS-Zeit eine jüdische Schule gab. Daran wollen wir uns erinnern. Das Ganze machen wir schweigend. Damit wollen wir zeigen, so hoffe ich, dass wir eine schweigende Mehrheit in Köln sind. Unser Ziel ist wird die Synagoge an der Roonstraße sein. 

Mit Kerzen und Lichtern in der Hand zeigen wir unsere Solidarität. Ich weiß, dass die Synagogengemeinde das als ein sehr wohltuendes Zeichen der Solidarität und der Stärkung im Glauben sieht.

Das Interview führte Carsten Döpp

Quelle:
DR

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