Das Gebetsanliegen des Papstes für den November

Das Geschenk des Lebens

Im November betet der Papst für vorbeugende Maßnahmen gegen Suizid und dafür, dass gefährdete Personen "die nötige Unterstützung, Hilfeleistung und Liebe finden und offen werden für die Schönheit des Lebens", die es gilt zuentdecken.

Autor/in:
Patrick Strauß
Symbolbild Suizid  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Suizid / © Julia Steinbrecht ( KNA )

1774 veröffentlichte Johann Wolfgang Goethe den Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers". Der junge Mann ist in Lotte verliebt, die nach vielen Wendungen letztlich aber den bodenständigen Albert heiratet. Werther schreibt ihr einen letzten Brief, gestaltet seinen Schreibtisch sorgfältig aus und nimmt sich dann - mit Alberts Pistole - das Leben. 

Eine aufgeschlagene Ausgabe aus dem Jahr 1774 des Romans "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang von Goethe. Ausgestellt in der Bibliothek des Museums "Casa di Goethe", dem Goethe-Haus in Rom. / © Paula Konersmann (KNA)
Eine aufgeschlagene Ausgabe aus dem Jahr 1774 des Romans "Die Leiden des jungen Werthers" von Johann Wolfgang von Goethe. Ausgestellt in der Bibliothek des Museums "Casa di Goethe", dem Goethe-Haus in Rom. / © Paula Konersmann ( KNA )

Der Roman traf offenbar den Nerv der jungen Generation des Sturm und Drang und inspirierte zahlreiche ähnliche Werke. Zugleich wurde von mehreren Suiziden berichtet, bei denen sich junge Männer und - seltener - Frauen in der einen oder anderen Weise auf den "Werther" bezogen hätten. Ob diese Berichte der Wahrheit entsprechen, ist nicht ganz klar. Aber es ist gut bezeugt, dass die im Roman beschriebene "Werther-Tracht" - also die Kleidung, die die Figur bei ihrer Selbsttötung trug - als besonders modisch galt und vielfach imitiert wurde.

Fatale Nachahmung

Einige Städte verboten in den späten 1770er-Jahren sogar die Aufführung des Stückes, da es die Selbsttötung verherrliche und ungefestigte Menschen unter Umständen zur Nachahmung anstacheln könne. Zwei Jahrhunderte später führte der amerikanische Soziologe David Philipps schließlich den Begriff des "Werther-Effekts" ein, der einen Anstieg der Suizidrate beschreibt, welcher auf prominente oder medienwirksame Selbsttötungen zurückgeführt wird. 

Statistisch ist dieser Effekt recht gut nachgewiesen, auch wenn die Erklärungen nicht immer zu überzeugen vermögen und auch nicht einheitlich ausfallen.

In der christlichen Tradition wurde - über fast alle Konfessionen hinweg - der Suizid hingegen mit großer Entschiedenheit abgelehnt. Im Allgemeinen verweigerten die Kirchen Menschen, die sich das Leben nahmen, auch ein christliches Begräbnis. So auch im "Werther" - der letzte Satz des Romans lautet: "Kein Geistlicher hat ihn begleitet". Immer wieder sind indes Ausnahmen bezeugt, indem man etwa einen Unfall oder eine kurzzeitige "Sinnesstörung" als Todesursache annahm.

Glaubenstradition und Hilfsangebote

Mit seinem aktuellen Gebetsanliegen steht der Papst einerseits ganz in der Glaubenstradition, die dazu einlädt, das Leben als Geschenk anzunehmen. Andererseits greift er aber auch neuere psychologische Erkenntnisse auf, die auf die Bedeutung gut erreichbarer Hilfsangebote für betroffene Menschen hinweisen. 

Schon Johannes Paul II. entschied sich 1983, die bis dato zumindest mögliche Verweigerung einer kirchlichen Beisetzung von Suizidenten nicht mehr in die Neuausgabe ins katholische Kirchenrecht aufzunehmen. 

Familienmitglieder auf dem Weg zum Grab - Symbolbild Beerdigung / © Kzenon (shutterstock)
Familienmitglieder auf dem Weg zum Grab - Symbolbild Beerdigung / © Kzenon ( shutterstock )

Dennoch ist dieses Thema für viele Menschen mit Schuldgefühlen behaftet. Hinterbliebene fragen sich häufig, ob sie diesen Tod nicht hätten verhindern können. Sogar die Sprache ist hier - wie so häufig - nicht neutral: Legt der "Freitod" (im Deutschen wohl von Friedrich Nietzsche erstmals so formuliert) eine selbstbestimmte Entscheidung des betroffenen Menschen nahe, so lässt der auf Martin Luther zurückgehende Begriff "Selbstmord" an ein Verbrechen denken.

Keine Schuldgefühle wecken

Symbolbild Beratung  / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Beratung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Wie also können Christinnen und Christen Menschen dabei helfen, die Schönheit des Lebens wiederzuentdecken, ohne sie oder gar die Hinterbliebenen einer Selbsttötung mit dem Gefühl von Schuld zu belasten? Natürlich kann und darf hier auf die Hilfsangebote vieler Bistümer und auch vieler engagierter - gläubiger wie nicht gläubiger - Menschen verwiesen werden. Sie umfassen die Seelsorge, Beratung, Fürsorge oder Therapien und stehen meist im engen Austausch mit wissenschaftlicher Psychologie. 

Gedenken an Papst Franziskus / © AFP (AFP)
Gedenken an Papst Franziskus / © AFP ( AFP )

Es geht es auch darum, eine Selbsttötung nicht mit Schuld zu überfrachten, ohne sie zugleich als Ausweg oder gar als tragisch-schönen Abschluss eines Lebens darzustellen. Papst Franziskus, der die Gebetsbitte noch formulierte, hatte hier vielleicht das richtige Gespür, wenn er einfach zum Gebet aufrief.

800.000 Suizid-Schicksale pro Jahr

Es kann ein Gebet für die jährlich etwa 800.000 Menschen weltweit sein, die diesen Weg gehen; ein Gebet für ihre oftmals von bohrenden Fragen und Schuldgefühlen überwältigten Angehörigen; ein Gebet für alle, die in der Suizidprävention ihren Dienst tun; zuletzt vielleicht auch ein Gebet für Gesellschaft und Kirche, dass man den Geist der Achtsamkeit für Menschen in seelischer Not nicht verlieren möge und selbst die Überzeugung ausstrahlt, dass dieses Leben ein Geschenk des guten Vaters an all seine Geschöpfe ist.

Die Gebetsanliegen des Papstes für das Jahr 2025

Januar: Für das Recht auf Bildung

Beten wir für Migranten, Flüchtlinge und von Kriegen betroffene Personen, dass ihr Recht auf Bildung, das für den Aufbau einer besseren Welt notwendig ist, immer respektiert wird.

Februar: Für Berufungen zum Priestertum und Ordensleben

Beten wir, dass die kirchliche Gemeinschaft das Verlangen und die Zweifel junger Menschen aufnimmt, die den Ruf zum Dienst in der Sendung Christi im Priestertum und Ordensleben spüren.

Zum Gebet gefaltete Hände / © Lars Berg (KNA)
Zum Gebet gefaltete Hände / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
KNA