DOMRADIO.DE: Mehr als 26.000 Gotteshäuser haben Sie schon gesammelt – und alle kann man sich auf Ihrer Homepage kirchbau.de anschauen. Was fasziniert Sie denn an Kirchen?
Gunther Seibold (Dekan des ev. Kirchenbezirks Bernhausen): Ich denke, drei Aspekte sind bei mir leitend. Erstens ein biografischer: Ich habe Architektur studiert, danach Theologie, und bin schließlich Pfarrer geworden. Die Schnittmenge von Architektur und Theologie liegt ganz klar in den Kirchengebäuden. Zweitens habe ich ein kirchliches Interesse. Kirchengebäude sind Zeichen unseres Glaubens in der Gesellschaft und Versammlungsorte unserer Gemeinden.
Es ist gut und wichtig, sie zu pflegen. Und drittens spüren das wohl alle, die in eine fremde Stadt kommen: Man sieht automatisch die Kirchen, man sucht sie auf. In der Kirche ist die Atmosphäre eine besondere. In der theologischen Diskussion nennt man sie „AndersOrte“ – Orte also, wo die Welt draußen bleibt und die Seele aufgehen kann.
DOMRADIO.DE: Es ist für Sie ein reines Freizeitprojekt. Eigentlich sind Sie Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Bernhausen bei Stuttgart. Nach welchen Kriterien wählen Sie denn die Kirchen aus, die auf Ihrer Homepage erscheinen?
Seibold: Da bin ich ganz offen. Ich habe keine festen Kriterien und sammle auch nicht aktiv. Meistens entstehen Einträge dort, wo ich gerade bin – auf Reisen, bei Tagungen oder im Urlaub. Außerdem können andere Menschen Datensätze anlegen und Informationen einpflegen. So sind die meisten Kirchen zusammengekommen – nicht, weil ich sie selbst gesammelt hätte.
DOMRADIO.DE: Viele Ehrenamtliche unterstützen Sie bei der Kirchensammlung, legen neue Einträge an, laden Bilder hoch. Wie überprüfen Sie eigentlich, ob die Einträge stimmen?
Seibold: Da bin ich relativ offen und nutze das gemeinsame Wissen der Community. Ich kann nur prüfen, ob etwas stimmig ist – aber nicht, ob es tatsächlich stimmt.
DOMRADIO.DE: Auf Ihrer Internetseite finden sich auch einige kuriose Kirchen. Welche Beispiele gibt es da?
Seibold: Da gehört zum Beispiel eine aufblasbare Kirche dazu, die wir in Württemberg eine Zeit lang hatten. Oder die kleinste Kirche, die größte Kirche, eine Schäferwagenkirche. Es gibt bei Kirchen eigentlich alles – manche stehen sehr exponiert, andere ganz versteckt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie eine Lieblingskirche?
Seibold: Wenn ich das gefragt werde, fallen mir immer zuerst meine Heimatkirchen ein – also die, in denen ich gerade bin oder in denen ich getauft wurde. Diese haben für mich die größte Bedeutung. Daneben faszinieren mich die vielen unterschiedlichen Formen des Kirchenbaus. Ich kann nicht sagen: "Die eine ist es." Ich finde es wichtig, dass sich Menschen bewusst machen, ob sie eine Heimatkirche haben, zu der sie immer wieder zurückkehren – sei es eine biografisch bedeutende oder eine, die sie regelmäßig besuchen.
DOMRADIO.DE: Die Optik spielt also gar nicht die größte Rolle. Sie haben inzwischen rund 26.000 Kirchen gesammelt – in 25 Jahren. Wo wollen Sie damit noch hin?
Seibold: Schön wäre es, irgendwann einmal Vollständigkeit zu erreichen, aber ich habe keine festen Ziele. Das Projekt wächst einfach, wie es wächst. Am Anfang stand die Idee, im neuen Medium Internet etwas für die Menschheit zu tun. Kirchen sind langlebige Objekte, sie veralten nicht so schnell – also habe ich mich ihnen gewidmet.
Das Interview führte Marcus Poschlod.