Wie in Dortmund ein Gottesdienst mit Ballett verbunden wird

"Ein getanztes Gebet"

Im Gottesdienst in Dortmunds Reinoldikirche tanzen Balletttänzerinnen und -tänzer. Für Pfarrerin Susanne Karmeier ist der Tanz ein Ausdruck des Glaubens. Im Interview erklärt sie, warum der Kirchraum mehr zulässt, als viele denken.

Autor/in:
Lara Burghardt
Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus La Bayadere / © Stephan Schütze (privat)
Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus La Bayadere / © Stephan Schütze ( privat )

DOMRADIO.DE: Warum passt denn Ballett mit Kirche für Sie zusammen? 

Susanne Karmeier (ev. Pfarrerin in St. Reinoldi, Dortmund): Wir haben ähnliche Lieben. Wir teilen die Liebe zur Musik. Wir wissen, dass wir Körper sind, dass wir Leib sind und freuen uns an der Ausdruckskraft. Das Ballett erzählt Geschichten und wir auch. Es geht um existenzielle Lebensthemen und manchmal kann Ballett in diesem besonderen Raum wie ein getanztes Gebet werden.

DOMRADIO.DE: Ist das also wie ein "normaler" Gottesdienst mit Balletteinheiten oder wie sieht das aus? 

Karmeier: Ja, was man so normal nennt, genau. Es ist ein Gottesdienst mit Musik, mit Gebeten, mit Lesungen. Und das vertanzen und verspielen wir mit einer aktuellen Inszenierung des Ballett Dortmund. Jetzt am Sonntag wird es Carmina Burana von Carl Orff geben, also bombastische Musik, starke Lebensthemen, das Schicksal, das auf und ab geht und gut und schlecht ist. 

Die achtzehn Tänzerinnen und Tänzer, die jetzt am Sonntag da sind bringen Ausschnitte aus diesem Stück Carmina Burana in den für sie leer geräumten und mit Ballettboden ausgelegten Chorraum. Wir als Gemeinde verhalten uns dazu mit Worten, mit Gedanken, mit Stille. 

DOMRADIO.DE: Was haben denn die Tänzerinnen und Tänzer so gesagt bei den letzten Veranstaltungen? Was ist deren Gefühl, wenn sie in so einer Kirche auftreten? 

Susanne Karmeier

"Für die Tänzerinnen und Tänzer ist es sehr besonders, in der Kirche zu tanzen."

Karmeier: Also mein Eindruck ist - das habe ich zum Teil auch von den Gästen mitbekommen, dass dieser Raum der Reinoldi-Kirche ein sehr besonderer ist. Der Raum spricht seine eigene Sprache, erzählt seine eigenen Geschichten und dann dieses sehr existenzielle Thema, das getanzt wird. Das ist für die Tänzerinnen und Tänzer besonders, in diesem Raum zu tanzen, der aus dem Mittelalter kommt. 

Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus Romeo und Julia / © Stephan Schütze (privat)
Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus Romeo und Julia / © Stephan Schütze ( privat )

DOMRADIO.DE: Gibt es auch ein paar kritische Stimmen, die sagen, dass Ballett nichts in der Kirche zu suchen hat? 

Karmeier: Die wird es sicherlich geben. Bei mir kommt wenig an. Ich habe den Eindruck, dass man in Dortmund sehr viel machen kann, wenn man weiß, was man tut. St. Reinoldi steht auch genau dafür. Schon bevor ich gekommen bin. Es war immer ein offener Raum. Es gab früher schon mal Tanz in Reinoldi.

Unsere Devise ist eigentlich, dass alles was vor der Tür auf der Straße passiert, auch seinen Raum in der Kirche hat und wir verhalten uns dazu. Es gab zum Beispiel auch Anfragen, ob man denn die Carmina Burana in der Kirche aufführen könne. Das sei ja sehr weltlich, sehr derbe. Da gehe es auch um Trinklieder und um Prostitution. Dazu kann ich nur sagen, das alles kommt auch schon in der Bibel vor und wir verhalten uns auch dazu in diesem Raum. Es geht in diesem Werk also um das ganze Leben. Und das ganze Leben geht den Glauben an. Gott betrifft auch das ganze Leben. 

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn beim Publikum aus? Locken Sie auch Menschen an, die keinen Gottesdienst besuchen würden, aber gerne ins Ballett gehen und umgekehrt?

Susanne Karmeier

"Es geht hier um etwas."

Karmeier: Ja, also das ist auch das Anliegen neben dem, dass wir das Ballett und die Kirche zueinander bringen, wofür wir brennen und was wir lieben. Dadurch schaffen wir auch nochmal eine Möglichkeit, sowohl auf uns als Kirche aufmerksam zu machen, als auch auf das Ballett. Bisher war das fast so voll besucht, wie an Weihnachten und das Publikum kommt aus den verschiedensten Kontexten. 

Also Menschen mit einer großen Distanz zur Kirche und Gottesdienst, aber auch welche mit einer großen Liebe zu Gottesdienste, die genau das schätzen. Es kommen aber auch Menschen aus dem Ballett, die erstmal schauen müssen, was wir hier machen und dann ganz fasziniert waren. Denn hier bringen Menschen das ein, was sie lieben und merken, dass es hier um etwas geht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung gewesen aus den letzten drei Jahren. 

Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus Schwanensee / © Stephan Schütze (privat)
Ballett trifft Kirche in St. Reinoldi, Dortmund - Ausschnitt aus Schwanensee / © Stephan Schütze ( privat )

DOMRADIO.DE: Es sagen auch viele Menschen, dass so ein Gottesdienst auch schon eine Form der Kunst ist. Wie ist denn diese Idee überhaupt entstanden, diese beiden Komponenten zu mischen? 

Karmeier: Ich mache schon seit einigen Jahren die Kooperation "Oper trifft Kirche" im Gottesdienst. Der damalige Ballettintendant Wang Xinpeng war vor drei Jahren in einem Gottesdienst von "Oper trifft Kirche". Er kam danach zu mir und sagte, dass er sich das für das Ballett auch wünschen würde. Da ist man natürlich froh, dass die Tür, die schon auf war, noch weiter aufging. Seitdem haben wir das dreimal gemacht. Jetzt am Sonntag ist das vierte Mal unter der neuen Intendanz. 

DOMRADIO.DE: Es geht natürlich auch viel um Musik. Spielt die Orgel auch ein Teil oder was können wir da noch musikalisch erwarten? 

Karmeier: Wir haben ja einen hervorragenden Kantor an Sankt Reinoldi, einen A-Musiker, Christian Drengk. Natürlich entwickle ich mit ihm die Liturgie. Der wird dieses Mal zum Eingang und Ausgang auch aus Carmina Burana spielen. Da wird natürlich auch die Orgel zu hören sein. Den Künstlerinnen und Künstlern aus dem Theater Dortmund, dem Ballett und der Oper gefällt es hier natürlich auch, weil dieser Raum diese Akustik hat. Die Musik, die Orgel und Menschen, die das bedienen können. 

Das Interview führte Lara Burghardt.

Quelle:
DR

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