In einem Interview des US-Portals "Crux" hat Papst Leo XIV. verschiedene Aspekte seines Pontifikates skizziert. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert in eigener Übersetzung seine Antworten zu den Themen Frauen, Sexualität, Liturgie, Synodalität und sein Verhältnis zur US-Regierung.
Über Frauen in der Kirche
"(...) Ich hoffe, dass ich in die Fußstapfen von Franziskus treten kann, auch indem ich Frauen in verschiedene Führungspositionen auf verschiedenen Ebenen kirchlichen Lebens berufe und damit die Gaben anerkenne, die Frauen haben und die in vielerlei Hinsicht zum Leben der Kirche beitragen können.
Brisant wird das Thema, wenn die konkrete Frage nach der Ordination (Weihe) gestellt wird. Die Synode hatte sich konkret mit der Ordination von Diakoninnen befasst; eine Frage, die seit vielen Jahren diskutiert wird. Verschiedene Päpste haben unterschiedliche Kommissionen eingesetzt, um zu klären, was in dieser Frage getan werden kann. Ich denke, dass dies auch weiterhin ein Thema bleiben wird. (Allerdings) habe ich derzeit nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern. (...)
Ich bin auf jeden Fall bereit, den Menschen weiterhin zuzuhören. Es gibt diese Studiengruppen. Das Dikasterium (die Behörde) für die Glaubenslehre, das für einige dieser Fragen zuständig ist, untersucht weiterhin den theologischen Hintergrund und die Geschichte einiger dieser Fragen; damit werden wir weitermachen und sehen, was dabei herauskommt."
Über Sexualität, Ehe und Identität
"Für manche Menschen geht es bei der Identität einer Person ausschließlich um sexuelle Identität. Dies ist für viele Menschen in anderen Teilen der Welt kein vorrangiges Thema, wenn es darum geht, wie wir miteinander umgehen sollten. (...) Wie wir auf der Synode gesehen haben, polarisiert jedes Thema, das mit LGBTQ-Fragen zu tun hat, innerhalb der Kirche stark. Aufgrund dessen, was ich bereits versucht habe zu zeigen und zu leben und was mein Verständnis davon ist, in dieser Zeit der Geschichte Papst zu sein, versuche ich derzeit, die Polarisierung in der Kirche nicht weiter zu verstärken oder zu fördern.
Was ich damit sagen möchte, hat Franziskus sehr deutlich ausgedrückt, als er sagte: 'todos, todos, todos' (alle, alle, alle). Jeder ist eingeladen (am Leben der Kirche teilzunehmen, Anm. d. Red.), aber ich lade niemanden ein, weil er oder sie eine bestimmte Identität hat oder nicht hat. Ich lade jemanden ein, weil er oder sie ein Sohn oder eine Tochter Gottes ist.
Ihr seid alle willkommen, lasst uns einander kennenlernen und respektieren. Irgendwann werden bestimmte Fragen aufkommen ... Die Menschen wollen, dass sich die Lehre der Kirche ändert, dass sich die Einstellungen ändern. Ich denke, wir müssen unsere Einstellungen ändern, bevor wir überhaupt daran denken können zu ändern, was die Kirche zu einer bestimmten Frage sagt. Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass sich die Lehre der Kirche in Bezug auf Sexualität und Ehe in naher Zukunft ändern wird.
Ich habe bereits über die Ehe gesprochen, ebenso wie Papst Franziskus, als er noch Papst war; darüber, dass eine Familie aus einem Mann und einer Frau in feierlicher Bindung besteht, gesegnet im Sakrament der Ehe. Aber wenn ich selbst das sage, weiß ich, dass manche das schlecht aufnehmen werden. In Nordeuropa werden bereits Rituale zur Segnung 'von Menschen, die sich lieben', wie es dort heißt, veröffentlicht, was ausdrücklich gegen das von Papst Franziskus genehmigte Dokument 'Fiducia Supplicans' verstößt.
Dort heißt es im Wesentlichen, dass wir natürlich alle Menschen segnen können, aber dass es nicht darum geht, eine Art Segnungsritual zu schaffen, da dies nicht der Lehre der Kirche entspricht. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen schlechte Menschen sind; aber ich halte es für sehr wichtig zu verstehen, wie man andere akzeptiert, die anders sind als wir selbst; wie man Menschen akzeptiert, die in ihrem Leben bestimmte Entscheidungen treffen, und sie zu respektieren.
Familien müssen unterstützt werden – das, was man als traditionelle Familie bezeichnet. Die Familie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. Ich denke, dass die Rolle der Familie in der Gesellschaft, die in den vergangenen Jahrzehnten zeitweise gelitten hat, wieder anerkannt und gestärkt werden muss."
Über die sogenannte Alte Messe
"(...) Man hat die Liturgie als Vorwand benutzt, um andere Themen voranzutreiben. Sie ist (so) zu einem politischen Instrument geworden, und das ist sehr bedauerlich. Ich denke, dass manchmal der sogenannte 'Missbrauch' der Liturgie, wie wir ihn bei der sogenannten Messform nach dem Zweiten Vatikanum beobachten, für Menschen, die eine tiefere Erfahrung des Gebets und der Verbindung mit dem Geheimnis des Glaubens suchten, nicht hilfreich war.
Diese Erfahrung schienen sie in der Feier der Tridentinischen Messe zu finden. Auch hier sind wir polarisiert, so dass wir nicht mehr sagen können: Wenn wir die Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils in angemessener Weise feiern, gibt es dann wirklich einen so großen Unterschied zwischen dieser und jener Erfahrung?
Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich mit einer Gruppe von Menschen zusammenzusetzen, die sich für den tridentinischen Ritus einsetzen. Bald wird sich dazu eine Gelegenheit bieten; ich bin sicher, dass es weitere Gelegenheiten geben wird. Aber das ist ein Thema, über das wir meiner Meinung nach auch in synodaler Weise sprechen müssen. Es ist zu einem Thema geworden, das so polarisiert ist, dass die Menschen oft nicht bereit sind, einander zuzuhören.
Ich habe Bischöfe gehört, die mit mir darüber gesprochen haben und sagten: 'Wir haben sie zu diesem und jenem eingeladen, aber sie wollen sich das nicht anhören.' Sie wollen nicht einmal darüber reden. Das ist an sich schon ein Problem. Es bedeutet, dass wir in Ideologien stecken und uns nicht mehr in der Erfahrung der kirchlichen Gemeinschaft befinden. Das ist eines der anstehenden Themen."
Über das Verhältnis zu den USA
"Die Tatsache, dass ich Amerikaner bin, bedeutet unter anderem, dass die Leute nicht wie bei Franziskus sagen können: 'Er versteht die Vereinigten Staaten nicht, er sieht einfach nicht, was vor sich geht.' Ich denke, das ist in diesem Fall von Bedeutung.
Ich habe nicht vor, mich in Parteipolitik einzumischen. Darum geht es in der Kirche nicht. Aber ich scheue mich nicht, Themen anzusprechen, die meiner Meinung nach echte Fragen des Evangeliums sind und denen hoffentlich Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums Gehör schenken werden. (...) Ich denke, es wäre viel angemessener, wenn die Führung der Kirche in den Vereinigten Staaten ernsthaft mit ihm (dem US-Präsidenten) in Kontakt treten würde. Das gilt für jede Regierung. (...)
Etwas, das Franziskus gegen Ende seines Pontifikats getan hat und das ich für sehr bedeutsam halte, war der Brief, den er zur Behandlung von Migranten geschrieben hat. Ich war sehr froh zu sehen, wie die (US-)amerikanischen Bischöfe das aufgegriffen haben, und einige von ihnen waren mutig genug, sich daran zu beteiligen. Ich denke, dass dieser Ansatz im Allgemeinen der bessere ist, dass ich mich in erster Linie mit den Bischöfen auseinandersetzen würde.
Aber wenn es bestimmte Themen gäbe, bei denen es möglich wäre, mit ihm (Trump) ins Gespräch zu kommen, hätte ich kein Problem damit. Ich denke, es gibt andere, die diese Rolle gut ausfüllen, und er trifft seine Entscheidungen, wem er zuhört und wem nicht. Aber um weiterhin einige der Themen anzusprechen, insbesondere Fragen der Menschenwürde und der Förderung des Weltfriedens, von denen er mitunter deutlich gemacht hat, dass er sie angehen möchte, würde ich ihn bei diesen Bemühungen unterstützen wollen.
Die Vereinigten Staaten sind ein mächtiger Akteur auf der Weltbühne; das müssen wir anerkennen. Und manchmal werden Entscheidungen eher auf der Grundlage wirtschaftlicher Erwägungen als auf der Grundlage von Menschenwürde und der Unterstützung von Menschen getroffen. Aber [wir müssen] weiterhin Fragen stellen und nach dem besten Weg suchen, dies zu tun."
Über Synodalität in der katholischen Kirche
"Wenn man von der Kirche spricht, so denke ich, ist Synodalität eine Haltung, eine Offenheit, eine Bereitschaft zu verstehen, dass jedes einzelne Mitglied der Kirche eine Stimme und eine Rolle hat. (...) Manche haben sich dadurch bedroht gefühlt. Manchmal denken Bischöfe oder Priester vielleicht: 'Synodalität wird mir meine Autorität nehmen.'
Darum geht es bei Synodalität aber nicht; und vielleicht ist Ihre Vorstellung davon, was Ihre Autorität ausmacht, etwas unscharf, falsch. Ich denke, Synodalität ist eine Art zu beschreiben, wie wir zusammenkommen und eine Gemeinschaft bilden, als Kirche Gemeinschaft suchen können, so dass es eine Kirche ist, deren Hauptaugenmerk nicht auf einer institutionellen Hierarchie liegt, sondern vielmehr auf einem gemeinsamen Wir-Gefühl: unsere Kirche; jeder Mensch mit seiner eigenen Berufung, Priester, Laien, Bischöfe, Missionare, Familien. (...)
Das ist eine Haltung, von der ich denke, dass sie die heutige Welt viel lehren kann. Vorhin haben wir über Polarisierung gesprochen. Ich denke, dies ist eine Art Gegenmittel. Ich denke, dies ist ein Weg, um einige der größten Herausforderungen anzugehen, denen wir heute in der Welt gegenüberstehen. (...)
Einige in der lateinamerikanischen Kirche haben einen großen Beitrag für die Weltkirche geleistet – ich denke, es gibt große Hoffnung, wenn wir auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre aufbauen und Wege finden können, gemeinsam Kirche zu sein. Nicht, um zu versuchen, die Kirche in eine Art demokratische Regierung zu verwandeln. Wenn wir uns viele Länder auf der Welt heute ansehen, ist Demokratie nicht unbedingt die perfekte Lösung für alles. Sondern indem wir das Leben der Kirche respektieren, verstehen, wie es ist, und sagen: 'Wir müssen das gemeinsam tun'."