DOMRADIO.DE: Warum haben sich die Bischöfe ausgerechnet in Wien getroffen?
Klaus Prömpers (Journalist): Die Vollversammlung findet in Wien statt, weil Kaiserin Maria Theresia vor 250 Jahren das Barbareum in Wien gegründet hat. Das war ein Priesterseminar für jene Ostkirchen, die damals noch überwiegend zum Habsburgerreich gehört haben, wie beispielsweise Teile der Ukraine oder die Slowakei. Allerdings hatte dieses Priesterseminar nicht sehr lange Bestand, denn es wurde von ihrem Sohn Josef II. bald wieder geschlossen.
Insgesamt gibt es 85.000 ukrainische Flüchtlinge in Österreich, davon leben einige in Wien. Deswegen hatte der Bürgermeister Wiens geladen und versichert, dass auch in Zukunft die Stadt Wien und die Nation Österreich weiter solidarisch mit dem ukrainischen Volk sein wollen.
DOMRADIO.DE: Es ist anzunehmen, dass der Krieg in der Ukraine ganz oben auf der Tagesordnung der Bischöfe stand. Wie haben sich die Bischöfe positioniert?
Prömpers: 25 der teilnehmenden Bischöfe stammen aus der Ukraine, teilweise aus besetzten Gebieten, wie Donezk. Sie haben den anderen deutlich machen können, in welch schwierigen Verhältnissen sie leben. Das brachte Kardinal Schönborn bei der gestrigen Göttlichen Liturgie, einem zweistündigen Gottesdienst im Stephansdom in Wien, zum Ausdruck. Er sprach beispielsweise den Bischof von Donezk an und schilderte, wie er, ebenso wie alle anderen Gläubigen, in den Bunker fliehen und trotzdem versuchen müsse, Zuversicht und Optimismus zu verbreiten. Dabei müsse er die Hoffnung auf einen Frieden weiter aufrechterhalten. Auch, wenn der jüngste Drohnenangriff der Russen über Polen große Zweifel daran schürt.
DOMRADIO.DE: Welche Themen standen sonst noch auf der Agenda?
Prömpers: Ein generelles Thema war die Einheit in der Vielfalt. Es ging vor allem darum, zu sehen, dass in den unterschiedlichen Liturgien und Riten eine gewisse Einigkeit und Nähe zu Rom weiterhin aufrechterhalten werden soll. Es gibt viele Unterschiede zwischen den Ostkirchen selber und natürlich auch zur römisch-katholischen Kirche. In der Ostkirche finden sich zum Beispiel vielfach verheiratete Priester oder sehr ausführliche, imposante Riten im Gottesdienst.
Kardinal Schönborn sagte, dieser Dom habe noch nie so viele Ostkirchenbischöfe gesehen, mit so vielen beeindruckenden Mitren, wie an diesem zweistündigen Gottesdienst gestern Abend. An dem Gottesdienst haben übrigens auch sehr viele Ukrainer teilgenommen, die im Moment in Wien leben. Das war offensichtlich eine Art Familienfest.
DOMRADIO.DE: Wie einheitlich haben sich die Bischöfe der Ostkirchen denn präsentiert? Ist das eine eingeschworene Gesellschaft oder gibt es unter ihnen auch viel Spaltung?
Prömpers: Dass es eine Spaltung gibt, würde ich nicht sagen. Aber es gibt natürlich in der jeweiligen Gesellschaft, in der sie leben, unterschiedliche Sichtweisen, etwa auf die politischen Verhältnisse. Denken Sie an die Bischöfe aus der Slowakei, die mit dem Ministerpräsidenten Robert Fico, einem eher Russland freundlichen Politiker konfrontiert sind, der gerade bei der Militärparade in Peking gesichtet wurde. Oder denken sie an einen Bischof aus Ungarn, der natürlich mit seiner Regierung unter Viktor Orbán zu kämpfen hat, die offiziell antritt, das christliche Abendland zu retten – aber gleichzeitig eine ziemlich autoritäre Herrschaft im Land ausübt.
Unterschwellig gibt es da schon gewisse Animositäten zwischen Einzelnen. Aber man versucht doch halbwegs den Glauben so zu leben, dass er den Gläubigen in ihrer jeweiligen Situation hilft, im Alltag zurechtzukommen. Und der ist natürlich insbesondere im Gebiet der Ukraine besonders schwierig.
Das haben alle immer wieder betont. Auch Kardinal Gugerotti, der die Grüße des Papstes übermittelt und gleichzeitig eine Art Durchhalteparole ausgegeben hat. Man dürfe sich nicht durch die äußeren Umstände irritieren lassen, müsse fest zum Glauben stehen und hoffen, dass die Situation sich bessere, hin zu einem Frieden.
Das Interview führte Heike Sicconi.