Der Druck auf Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic wächst. Weiter gehen die Menschen des Landes gegen Korruption und die politische Führung auf die Straßen.
Unter den Demonstrierenden sind auch Theologen und Priester der serbisch-orthodoxen Kirche. Wie Blagoje Pantelic, Gründer des theologischen Internetportals teologija.net, und der suspendierte Priester, Historiker und Publizist Vukasin Milicevic. Wegen ihrer Unterstützung der Protestbewegung stehen beide schon länger im Visier der Kirchenleitung. Nun müssen sie sich vor einem Kirchengericht verantworten.
Pantelic ist Laie, Milicevic Kleriker - entsprechend unterscheiden sich ihre Verfahren. "Wir beide gehören zu den wenigen Theologen, die kritisch in der Öffentlichkeit auftreten und keine Scheu haben, über Dinge zu sprechen, über die man in der serbisch-orthodoxen Kirche eigentlich nicht sprechen darf", erklärte Pantelic der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Gemeint ist vor allem die enge Zusammenarbeit der Kirchenführung mit der Regierung - insbesondere die Nähe von Patriarch Porfirije und seinen Bischöfen zu Staatschef Aleksandar Vucic.
Nebulöses Verfahren
"Seine Absicht ist es, uns zum Schweigen zu bringen, damit er ungestört seine Position in der Kirche ausnutzen kann", meint Pantelic. Eine konkrete Anklageschrift habe er bislang nicht erhalten. Aus den bisherigen Dokumenten und einem Verhör vor dem Kirchengericht sei nicht klar ersichtlich, was ihm zur Last gelegt werde. "Seit zwei Monaten läuft ein Verfahren gegen mich, und ich weiß immer noch nicht, wegen welcher konkreten Taten", so Pantelic, der seit Jahren öffentlich über religiöse Themen schreibt.
Währenddessen demonstrieren weiterhin Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger in verschiedenen Städten Serbiens. Sie fordern Neuwahlen und ein Ende der Korruption. Auslöser der Protestwelle war der Einsturz des Daches des frisch renovierten Bahnhofs von Novi Sad im November 2024. Damals kamen 16 Personen ums Leben. Viele machen die Behörden für das Unglück verantwortlich. Die Massenproteste richten sich seither vor allem gegen Präsident Vucic.
Angriff auf kritische Theologen
Pantelic und Milicevic sehen in den Verfahren einen Angriff auf die Meinungsfreiheit von Theologen und Gläubigen. "Wenn sie es schaffen, einen Laientheologen zu verurteilen, nur weil er die Missstände in Kirche und Gesellschaft kritisiert hat, dann werden sie künftig auch Leute wegen eines Facebook-Posts aus der Kirche werfen können", warnt Pantelic.
Milicevic äußert sich ähnlich: Ihre Fälle seien eine Drohung an alle Geistlichen und Theologen, die es wagten, offen ihre Meinung zu äußern. "Mir persönlich können sie im Grunde nichts - ich erhebe keinerlei Ansprüche auf ein kirchliches Amt. Ebenso wenig können sie mich mit irgendetwas erpressen", kommentiert er das Vorgehen der Kirchenspitze.
Unterstützung für die Protestbewegung
Milicevic ist seit mehr als fünf Jahren vom Priesteramt suspendiert. Anlass war seine Kritik an der Kirchenleitung während der Corona-Pandemie. Er hatte ihr Verantwortungslosigkeit vorgeworfen, da Gottesdienste zur Verbreitung des Virus beigetragen hätten.
Heute unterstützen sowohl Pantelic als auch Milicevic die Anliegen der Studierenden, die eine tragende Rolle bei den anhaltenden Protesten spielen. Beide müssen sich vor einem Kirchengericht verantworten, das interne Streitigkeiten innerhalb der Glaubensgemeinschaft regelt. Das Gremium besteht aus Bischöfen und Priestern, den Vorsitz führt das für Belgrad zuständige Kirchenoberhaupt, Patriarch Porfirije.
Exkommunikation wegen Kritik?
Milicevic vermutet zwei Gründe hinter seiner Anklage: "Der erste betrifft meinen kirchenrechtlichen Status, über den der Patriarch längst Bescheid weiß. Der zweite ist meine öffentliche Kritik an seinem Handeln und dem Verhalten anderer Würdenträger."
Zwar liegt auch ihm noch keine offizielle Anklageschrift vor, doch er rechnet damit, dass man ihm endgültig das Priestertum entzieht und ihn exkommuniziert, also aus der kirchlichen Gemeinschaft ausschließt. Ein solches Vorgehen sei lächerlich, so der Suspendierte.
Gegen ihn werde ein Verfahren geführt, als stünde er noch aktiv im priesterlichen Dienst - "obwohl ich seit über fünf Jahren suspendiert bin und bereits seit mehr als acht Jahren keinerlei kirchliche Dienste mehr verrichte". Einschüchtern lassen will er sich aber genauso wenig wie Pantelic. Im Gegenteil: Beide fordern, dass die Kirchenleitung selbst für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden müsse.