DOMRADIO.DE: Welchen Hintergrund hatte die Initiative, als der Kölner Kardinal Meisner vor 25 Jahren "Esperanza" ins Leben rief?
Daniela Forster (Referentin bei der Schwangerschaftsberatung "Esperanza"): Der Hintergrund ist das Deutsche Schwangerschaftskonfliktgesetz der 90er Jahre. Es schreibt vor, dass Frauen vor einem Schwangerschaftsabbruch eine anerkannte Beratungsstelle aufsuchen müssen. Dort erhalten sie einen Beratungsschein, damit der Abbruch straffrei bleibt.
Dazu hat sich dann die Deutsche Bischofskonferenz geäußert. Sie haben gefordert, dass die Scheinvergabe nicht mehr über die Beratungsstellen erfolgen soll, weil das im Widerspruch zur katholischen Lehre und dem Lebensschutz steht. So ist "Esperanza" quasi entstanden.
Die katholische Schwangerschaftsberatung ist dann 2000 aus der sogenannten Scheinvergabe ausgestiegen. Um Frauen, Männer und Familien in Notsituationen rund um Schwangerschaft und Geburt weiterhin zu unterstützen, wurde "Esperanza" gemeinsam mit Kardinal Meisner gegründet.
DOMRADIO.DE: Welche Leistungen bieten Sie heute an den Standorten im Erzbistum Köln an? Geht es dabei hauptsächlich um Schwangerschaftsberatung?
Forster: Der Schwerpunkt liegt auf der Schwangerschaftsberatung. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Beratung vor der Schwangerschaft. Dazu gehören zum Beispiel sexualpädagogische Angebote, vor allem für Jugendliche. Auch die Familienplanung spielt eine große Rolle. Manche Schwangerschaften sind unerfüllt, andere geplant. Wir schauen, wie das gut gelingen kann, welche Stolpersteine es gibt und wie man als Familie zusammenfinden kann.
Die Beratung geht auch nach der Geburt weiter bis zum dritten Lebensjahr des Kindes. Sie umfasst also alles rund um das Elternsein. Alle Fragen, die da auftauchen, dürfen gerne bei "Esperanza" gestellt werden.
DOMRADIO.DE: Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem Sie einer Frau oder einer Familie durch Ihre Beratung nachhaltig helfen konnten?
Forster: Ein typisches Beispiel ist ein Paar, das große finanzielle Probleme hat. Die Finanzen sind oft ein großer Sorgenanteil. Gerade in der heutigen Zeit, wo die Mieten explodieren und bezahlbarer Wohnraum immer weniger wird. Die Arbeitsplätze sind auch sehr unsicher. Häufig passiert es, dass eine Arbeit verloren geht und das erwartete Einkommen plötzlich wegfällt. Auch das Elterngeld wird oft nicht rechtzeitig gezahlt, weil die Bearbeitungszeiten so lang sind.
Dann kommen Frauen, Männer und Paare oft zu "Esperanza" und erzählen von ihrer Not. Sie machen sich Sorgen, dass sie die Erstausstattung für ihr Kind nicht leisten können, weil der Job weggefallen ist und keine andere Arbeit in Sicht ist. Dann setzen wir uns zusammen an einen Tisch und schauen, wo die größten Sorgen sind.
Es entstehen natürlich auch Konfliktsituationen zwischen den Paaren, weil der Stress hoch ist. Dann gibt es die Möglichkeit, zum Beispiel über die Bundesstiftung "Mutter und Kind" Gelder für die Erstausstattung zu beantragen oder über den erzbischöflichen Hilfsfond. Und natürlich werden auch Sachen wie Elterngeld und Kindergeld erklärt, dass man wieder eine Perspektive sieht.
DOMRADIO.DE: Hat sich Ihre Beratung in den vergangenen 25 Jahren dahingehend verändert, dass mehr Frauen oder Familien unterstützt werden, die fliehen mussten oder von Migration betroffen sind?
Forster: Ja, das würde ich so sagen. Mittlerweile berät "Esperanza" konstant einen Anteil von deutlich über 50 Prozent Frauen, Männern und Familien mit Flucht- oder Migrationshintergrund.
Die Inhalte der Beratungsarbeit richten sich daher auch danach aus, dass die Kooperationen mit dem Fachdienst für Integration und Migration enger geworden sind. Die Zusammenarbeit mit der "Aktion Neuen Nachbarn" in Köln ist sehr eng.
DOMRADIO.DE: Sie haben es gerade erwähnt: Esperanza bietet auch sexualpädagogische Angebote an, zum Beispiel mit der Babypuppe. Die Puppe macht ordentlich Lärm, um Jugendlichen auf spielerische Weise die Herausforderungen der Elternschaft näherzubringen. Ist das so gedacht?
Forster: Genau, es gibt ein wunderbares Projekt namens "Baby Bedenkzeit". Ziel ist es, Jugendliche dazu zu motivieren, sich mit ihrer eigenen Lebensplanung auseinanderzusetzen. Dabei geht es um Themen wie Familienplanung, Schwangerschaft, Partnerschaft und elterliche Aufgaben.
Das Projekt ist so angelegt, dass es sogenannte "Real-Care-Puppen" gibt. Das sind Puppen, die Gewicht und Aussehen eines Babys haben und so programmiert sind, dass sie sich auch wirklich wie ein Baby verhalten. Die Puppen schreien, wollen gefüttert werden, wollen körperliche Nähe und wollen die Windeln gewechselt haben. All das können sie signalisieren.
Jugendliche, die sich für das Projekt anmelden, bekommen die Puppe für fünf Tage und vier Nächte. Oft sind sie erst 14 Jahre alt und schlüpfen so früh in die Rolle von Mama oder Papa. Viele erleben dabei eine Überraschung: schlaflose Nächte und die Herausforderung, herauszufinden, was das Baby eigentlich von ihnen will.
Das Interview führte Tobias Fricke.