Kommentar: Weshalb man die neue "Papst-WG" nicht überbewerten sollte

Es geht ums Geld

Leo XIV. will wieder in die päpstlichen Gemächer im Apostolischen Palast ziehen. Das möchte er allerdings nicht alleine tun, sondern auch Mitbrüder einziehen lassen. Ein beachtlicher Schritt, aber keine Revolution. Ein Gastkommentar.

Autor/in:
Michael Sean Winters
Das Angelusgebet an Sonn- und Feiertagen wird in der Regel aus dem Arbeitszimmer im Apostolischen Palast gesprochen. / © Andrew Medichini/AP (dpa)
Das Angelusgebet an Sonn- und Feiertagen wird in der Regel aus dem Arbeitszimmer im Apostolischen Palast gesprochen. / © Andrew Medichini/AP ( dpa )

Der Papst zieht zurück in seine angestammte Wohnung. Dieser Schritt sollte niemanden überraschen, aber auch nicht als Ablehnung seines Vorgängers Franziskus verstanden werden. Als Kardinal Bergoglio 2013 Papst wurde, entschied er sich dafür, in Santa Marta zu wohnen, dem Gästehaus des Vatikans auf der anderen Seite der Vatikanstadt, vom Apostolischen Palast weit entfernt. Er sagte damals, er könne nicht isoliert leben und brauche die Nähe zu den Menschen.

Papst Leo XIV. im päpstlichen Appartement im Apostolischen Palast / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Leo XIV. im päpstlichen Appartement im Apostolischen Palast / © Romano Siciliani ( KNA )

In diesem Jahr, vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes, sprachen mehrere Kardinäle während der Vor-Konklave-Sitzungen die Notwendigkeit an, wieder in die päpstlichen Gemächer zurückzukehren. Dabei ging es nicht um den Wunsch, dem Papstamt wieder mehr Würde und Distanz zu verleihen. Es geht ums Geld.


Kostspielige Sicherheit

Es ist nämlich durchaus teuer, zwei Orte statt nur einen zu sichern. Franziskus nutzte zudem die päpstlichen Gemächer im Palast auch weiterhin, um offizielle Gäste wie hochrangige Besucher zu empfangen. Und er hielt den Angelus an Sonn- und Feiertagen immer aus dem Arbeitszimmer der offiziellen Papstwohnung. 

Apostolischer Palast / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Apostolischer Palast / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Daher musste dort ebenso wie in Santa Marta, wo er wohnte, für Sicherheit gesorgt werden. Die Sicherheitslage wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass sich direkt hinter den Außenmauern des Vatikans eine Esso-Tankstelle befindet.

Prunk oder Alltag?

Besucher der Vatikanischen Museen besichtigen auch andere Teile des Apostolischen Palastes. Die prächtigen Kunstwerke des Raffael machen den "Apostolischen Palast" zu einem "Palast". Die vier Räume enthalten prächtige Fresken, darunter die "Schule von Athen", eines der großen Meisterwerke der Renaissancekunst.

Die eigentliche päpstliche Wohnung ist keineswegs luxuriös. Ich habe schon weitaus schickere Privathäuser gesehen. Allerdings ist die Aussicht über Rom kaum zu übertreffen.

Gemeinschaft als Lebensentwurf

Leos Entscheidung, drei oder vier Mönche zu sich zu holen, entspricht sicherlich der Kultur des Augustinerordens, dem er angehört. Die Regel des heiligen Augustinus, die ironischerweise für weltliche Geistliche und nicht für einen Orden entwickelt wurde, legt großen Wert auf das Leben in Gemeinschaft. Während seiner Zeit als Kardinalpräfekt des Dikasteriums für die Bischöfe ging der zukünftige Papst oft zum Morgengebet, zur Messe oder zum Mittagessen in das Mutterhaus der Augustiner, um in der Gesellschaft seiner Mitbrüder zu sein. Genau wie Franziskus möchte Leo nicht isoliert sein.

Beim Mittagsgebet in der Osterzeit betet der Papst das "Regina coeli" / © Andrew Medichini/AP (dpa)
Beim Mittagsgebet in der Osterzeit betet der Papst das "Regina coeli" / © Andrew Medichini/AP ( dpa )

Wir können hoffen, dass dieser Schritt nicht eine der wichtigsten Errungenschaften von Franziskus zunichte macht: Er hat die höfische Atmosphäre, die frühere Päpste umgab, aufgelöst. 

Die Macht der Sekretäre

Stellen Sie sich folgende Frage: Erinnern Sie sich an den Namen des Sekretärs von Papst Benedikt XVI.? Erzbischof Georg Gänswein. Der Sekretär von Papst Johannes Paul II.? Kardinal Stanislaw Dziwisz. Beide Männer übten einen enormen und manchmal wenig hilfreichen Einfluss auf die Päpste aus, denen sie dienten, indem sie den Zugang zu ihnen auf ihre Günstlinge beschränkten und nur diesen gewährten.

Das Domus Sanctae Marthae (Gästehaus Santa Marta), Wohnsitz von Papst Franziskus im Vatikan  / © Alessia Giuliani (KNA)
Das Domus Sanctae Marthae (Gästehaus Santa Marta), Wohnsitz von Papst Franziskus im Vatikan / © Alessia Giuliani ( KNA )

Können Sie dagegen die Sekretäre von Franziskus benennen? Die meisten Menschen können das nicht. An der Rezeption Im Gästehaus Santa Marta gab es einen Ordner, in den jeder eine Nachricht für den Papst legen konnte, die dann täglich gesammelt und ihm übergeben wurde. Leo tut gut daran, dafür zu sorgen, dass er sich durch seinen Umzug nicht isoliert. Mitbewohner werden ihm dabei helfen.

Nur Geduld

Wir alle versuchen, mehr über unseren neuen Papst zu erfahren, und es ist nur natürlich, dass wir alles, was er tut, mit den Entscheidungen seiner Vorgänger vergleichen. Aber wir sollten geduldig sein und Leo uns zeigen lassen, wer er ist, anstatt nur zu mutmaßen. 

Eines ist bereits klar: Wie der heilige Augustinus hat Leo die Gabe, die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken, sondern sie auf Christus zu richten. In diesem Zeitalter der Medienpersönlichkeiten und Internet-Influencer erfordert diese Fähigkeit, die Aufmerksamkeit von sich selbst wegzulenken, ein hohes Maß an Demut. Genau das braucht die Kirche auch.

Über den Autor: Michael Sean Winters ist amerikanischer Journalist und Kirchenexperte. Er arbeitet als Kolumnist für den National Catholic Reporter, wo dieser Text im Original erschien. Mit freundlicher Genehmigung der NCR Publishing Company hat DOMRADIO.DE diesen Artikel übersetzt. / Reprinted by permission of NCR Publishing Company.  

 

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 Kardinal Robert Francis Prevost ist der neue Papst, Leo XIV. / © Riccardo De Luca/AP (dpa)
Kardinal Robert Francis Prevost ist der neue Papst, Leo XIV. / © Riccardo De Luca/AP ( dpa )
Quelle:
NCR