DOMRADIO.DE: Was haben Sie gedacht, als Sie davon gehört haben, dass Papst Leo nicht allein in den Apostolischen Palast ziehen möchte?
Bruder Michael Clemens OSA (Augustiner, hat im ZDF den Einführungsgottesdienst von Papst Leo XIV. kommentiert): Ich habe mich sehr gefreut. An anderer Stelle habe ich schon mal gesagt, ich wünsche Leo, dass er in seinem Amt nicht vereinsamt. Mich hat es nicht überrascht, dass er sagt, er will da nicht alleine leben, sondern mit Mitbrüdern. Das fand ich mutig und konsequent. Da bleibt er sich, glaube ich, treu.
DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist die Gemeinschaft, um Augustiner zu bleiben?
Clemens: Es geht nicht nur um eine WG, sondern um eine Lebensgemeinschaft. So verstehen wir unser Zusammenleben als Augustiner. Das ist für uns Augustiner zentral. Das geht letztlich schon auf Augustinus zurück. Augustinus war es wichtig, zusammenzuleben.
Die Eigenart des Augustinischen Mönchtums, wenn man so will, definiert sich auch daher. Nicht einzelne, die sich zurückgezogen haben wie die Eremiten, wo das Mönchtum seine Wurzel hat, sondern das gemeinsame Leben als Lebensgemeinschaft ist für uns weiterhin ein zentraler Gedanke.
DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen die Gemeinschaft und das Zusammenleben der Brüder für die Spiritualität des gesamten Ordens?
Clemens: In unseren Konstitutionen heißt es, die Gemeinschaft ist der Mittelpunkt unserer augustinischen Spiritualität. Das heißt, wir sind gemeinsam unterwegs, um unsere Spiritualität, unser Gebetsleben und unsere Gottsuche zu teilen. Das steht bei uns noch vor einzelnen Tätigkeiten, die wir von dieser Gemeinschaft her ausüben.
DOMRADIO.DE: Es stellt sich auch die Frage, wer zu ihm ziehen wird. Er muss Mitbewohner auswählen. Was denken Sie?
Clemens: Ich kann nur spekulieren. Er wird sich sicher Mitbrüder aussuchen, die er kennt und mit denen er gerne zusammen lebt. Denn allein das Ideal reicht oft nicht, es muss auch menschlich zusammenpassen. Als Augustiner hat er eine lange Erfahrung und ich denke, er wird auch darüber nachdenken, was es für ein Bild ist.
Weckt es vielleicht Misstrauen, wenn es heißt, im apostolischen Palast leben drei, vier Augustiner mit ihm zusammen? Vielleicht schaut er auch darauf, die Mitbrüder so auszuwählen, dass es keinen Missmut bei anderen weckt.
DOMRADIO.DE: Sie leben auch mit zwölf Augustinerbrüdern zusammen. Gibt es Freundschaften, die bei dem einen enger sind als bei dem anderen?
Clemens: Ja, natürlich. Ich sage immer: Brüder und Freunde, das sind zweierlei, aber es kann auch ineinander fallen. Es gibt auch unter Mitbrüdern unterschiedliche Charaktere. Manchmal kann man mehr oder weniger miteinander.
Aber ich glaube, es ist essenziell, dass man in der Gemeinschaft den einen oder anderen seinen Freund nennen kann. Das geht mir so. Ich denke, dass Leo das in seinem Leben auch so erfahren hat.
DOMRADIO.DE: Welche Vorteile hat es speziell auch für Leo XIV., in Gemeinschaft zu leben?
Clemens: Das fängt mit Vorteilen im spirituellen Leben an, aber es gibt auch alltägliche Vorteile. Man geht abends nach Hause und ist im Zweifel nicht allein. Oder wenn es einem schlecht geht, dann weiß man, an welche Tür man klopfen kann. Das ist sicher der große Vorteil des Gemeinschaftslebens und des Ordenslebens gegenüber den Kollegen, die allein sind.
Die sehnen sich vielleicht abends danach, auf der Couch mit jemandem zusammenzusitzen und gewisse Dinge Revue passieren zu lassen. Das ist etwas, das der Papst dann so leben kann, wenn er in seinem Palast nicht allein ist.
DOMRADIO.DE: Wenn der Papst morgen bei Ihnen anruft und fragt, ob Sie bei ihm einziehen. Was sagen Sie?
Clemens: Das steht außerhalb meiner Vorstellungskraft. Ich würde wahrscheinlich zu ihm sagen: Du Leo, darüber werde ich erst mal mit meinen Brüdern hier in Würzburg sprechen, dafür hast du als Augustiner sicher Verständnis.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.