Seit reichlich einem Jahr liegt das neue Friedenswort der deutschen Bischöfe auf dem Tisch - "Friede diesem Haus" ist der Nachfolger von "Gerechter Friede", womit die Bischöfe im Jahr 2000 auf die neuen Herausforderungen nach dem Untergang des sowjetischen Kommunismus reagierten.
Die aktuelle Friedensschrift entfaltet auf 175 Seiten drei thematische Stränge: die friedenspolitische Bedeutung einer internationalen Ordnung trotz ihrer zunehmenden Erosion, die Instrumentalisierung kultureller und religiöser Identitäten in Konflikten und schließlich die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Gewaltphänomenen der Gegenwart.
Die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Kommission Justitia et Pax luden jetzt rund 40 Fachleute aus dem Bereich Friedensethik und Sicherheitspolitik zum Feedback-Gespräch über das Friedenswort nach Berlin. Im Fokus stand dabei auch die Frage der Weiterentwicklung. Der Geschäftsführer von Justitia et Pax, Jörg Lüer, Mitglied der Redaktion des Friedenspapiers, erläuterte, der Text verstehe sich als Debattenbeitrag und sei Teil eines nicht abgeschlossenen Lernprozesses.
Weltpolitischer Kontext
Zum Auftakt wies der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz, Bischof Bertram Meier, auf den weltpolitischen Kontext hin: "Die internationalen Kooperationsstrukturen, die im Ausgang des Zweiten Weltkriegs mühsam aufgebaut wurden, werden zugunsten nationaler Eigeninteressen geopfert. Diese dominieren die internationale Politik und werden notfalls mit rücksichtsloser Härte und der Androhung von Gewalt durchgesetzt."
Dadurch drohe die Welt, "ins Chaos zu stürzen". Vor diesem Hintergrund zeige sich einmal mehr das "Prophetische der katholischen Soziallehre, die stets betont hat, dass die internationale Politik dem Weltgemeinwohl zu dienen habe".
Insgesamt begrüßten die Anwesenden das Papier und würdigten seinen Ansatz. Es sei ein wichtiger theologisch-ethischer Kompass. Zudem blicke der Text realistisch auf die aktuelle Lage, verliere aber die Hoffnungsperspektive nicht aus den Augen. Das Papier benenne realistisch, dass zur Eindämmung von Gewalt der Einsatz von Gewalt nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, lobte der Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen: "Das finde ich richtig und solch ein Satz ist für die Kirche nicht selbstverständlich." Zugleich wurde mehrfach angemerkt, dass das Papier zu umfangreich sei, um möglichst breit rezipiert werden zu können.
Johannes Frühbauer, Professor für Theologie in der Sozialen Arbeit an der Katholischen Stiftungshochschule München, fragte etwa: "Ist es nur ein reines Nachschlagewerk, oder soll damit auch gelebt werden?" Seines Erachtens fehlt zudem eine klare, konzeptionelle Bestimmung des Friedensbegriffs. Auch die Verhältnisbestimmung von Frieden und Gerechtigkeit sei ein seit Jahren ungelöstes Problem: "Gerechter Friede - geht so leicht von den Lippen, enthält aber auch unauflösbare Spannungen: Inwieweit müssen wir mit der Realität eines ungerechten Friedens leben - vielleicht als Zwischenstufe."
Friedenspapier als eine Art Grundsatztext?
Viele Anwesende sahen das Friedenspapier eher als eine Art Grundsatztext, dem nun kürzere, prägnantere Handlungstexte zu einzelnen Themen folgen sollten - auch um friedensethische Positionen der Kirche weiter im gesellschaftspolitischen Diskurs und Tagesgeschäft präsent zu halten. So wurde etwa angeregt, dass die Kirche sich als moralische Instanz mit ihrer ethischen Expertise auch bei Themen wie nukleare Abschreckung oder neuen Rüstungstechnologien - Stichwort Drohnenkrieg - einbringen sollte.
Sowohl Vertreter kirchlicher Hilfswerke und wie der Bundeswehr regten an, die Perspektive der Länder des globalen Südens, die in den Diskussionen um Friedenssicherung oft unterrepräsentiert seien, als Kirche stärker einzubringen. Generalmajor Wolf-Jürgen Stahl, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, betonte zudem: "Entwicklungspolitik ist nachhaltige Sicherheitspolitik - und die sollte auch präventiv angelegt sein."
Brot für die Welt-Präsidentin Dagmar Pruin ergänzte: "Wir müssen auch über Religion als Ressource im Kontext von Friedenssicherung sprechen." Aber nicht zuletzt müsse man sich der Frage stellen: Wie ist Friedenssicherung finanzierbar?
EKD will im November ihr neues Friedenspapier vorstellen
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Stiftung Friedensforschung, Ulrich Schneckener, mahnte: "Es ist wichtig, dass Kirche gegen scheinheilige Friedenspropheten Stellung bezieht." Sie sollte sich stärker gegen eine Instrumentalisierung des Friedensbegriffs zu Wort melden und den Begriff nicht den politischen Rändern und Populisten überlassen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will im November ihr neues Friedenspapier vorstellen. Die Co-Vorsitzende der EKD-Friedenswerkstatt, Friederike Krippner, erklärte, es werde viele Übereinstimmungen geben. Zwar gebe es unterschiedliche Nuancierung der Kirchen bei dem Thema, dennoch stelle sich die Frage: "Wäre Friede nicht ein so wichtiges Thema, um gemeinsam dazu Stellung zu beziehen?" Bischof Meier zeigte sich erkennbar offen, hier ökumenisch zusammenzuarbeiten, um der kirchlichen Stimme in der öffentlich Debatte mehr Gewicht zu verleihen.