DOMRADIO.DE: Wenn es zu diesen Verhandlungen im Vatikan kommen sollte, würde sich Papst Leo XIV. in einer Linie mit seinem Namenspatron, Papst Leo XIII. stellen. Zwischen welchen kriegerischen Parteien hat er denn damals im 19. Jahrhundert vermittelt?
Ulrich Nersinger (Journalist und Vatikan-Experte): Wir hatten im Jahre 1885 eine dramatische Situation zwischen dem Deutschen Reich und Spanien. Und zwar ging es um einen Besitz Spaniens in Mikronesien, die Karolineninseln, die sah Spanien als seinen Kolonialbesitz an, was aber nicht ganz geklärt war. Und in der Nähe der Inseln tauchten dann auch schon die Schiffe der neuen "Kolonialmacht" Deutschland auf.
Daraufhin entstand dann ein ziemlich heftiger Konflikt, der zunächst noch mit Worten ausgetragen wurde, sich dann aber doch zu einem Krieg auszuweiten drohte. Als das geschah, kam ausgerechnet Bismarck auf die Idee, den wir nicht gerade als großen Katholikenfreund kennen, einen Unparteiischen einzubeziehen. Und das war Leo XIII., der dann versucht hat, zwischen diesen beiden Ländern zu vermitteln.
DOMRADIO.DE: Wie erfolgreich war sein Einsatz? Was hat er erreichen können?
Nersinger: Er hat tatsächlich nach langen Verhandlungen einen Erfolg vorzeigen können. Spanien und das Deutsche Reich haben sich geeinigt, ohne dass ein Schuss gefallen ist.
DOMRADIO.DE: Auch im 15. Jahrhundert gab es schon mal einen Papst, der sich für Frieden einsetzte und vermittelte. Papst Alexander VI. – Was war da los, worum ging es da?
Nersinger: Damals gab es noch keinen Krieg. Es war eher eine vorsorgende Handlung, die der Borgia-Papst unternahm. Es ging um die Interessen Spaniens und Portugals in der neuen Welt. Da drohte ein heftiger Konflikt mit einer möglichen kriegerischen Auseinandersetzung. Alexander VI., der ja selber von der Iberischen Halbinsel kam, entschied: "Ich werde versuchen, den Interessen Spaniens und Portugals gerecht zu werden". Er zog dann praktisch eine Linie in der Neuen Welt, die Spanien und Portugal betraf.
Wir können das heute noch erkennen. Wenn wir uns in diesen Ländern umschauen und darauf achten, welche Sprache dort gesprochen wird, ist das ein Effekt dieser Trennung. Dort, wo Portugiesisch gesprochen wird, ist die portugiesische Einflusssphäre gewesen und wo spanisch gesprochen wird, die spanische.
DOMRADIO.DE: Gab es denn auch mal weniger erfolgreiche Päpste in der Friedensvermittlung?
Nersinger: So beispielsweise im ersten Weltkrieg, als sich Benedikt XV. redlich bemühte und vernünftige Vorschläge gemacht hat. Der einzige Monarch der Kriegsparteien, der wirklich dafür Verständnis hatte, war Kaiser Karl I. von Österreich. Aber der konnte sich gegen die Regierung und gegen die Kräfte im eigenen Land nicht durchsetzen. Und so scheiterte eigentlich dieser Versuch einer Friedensvermittlung.
DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf heute, welche Klippen gilt es denn in heutiger Zeit zu umschiffen, damit der Vatikan eben nicht als reine Kulisse instrumentalisiert wird. Also könnte ein Scheitern dem Amt des Papstes schaden?
Nersinger: "Jein", es gab noch einen großen Konflikt gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts, zwischen Chile und Argentinien im sogenannten "Beaglekonflikt". Und der drohte auch, kriegerisch auszubrechen. Im Dezember 1978 wurde er so heftig, dass die Streitkräfte in Alarmbereitschaft gerufen worden waren. Dann hat Johannes Paul II. eingegriffen. Er schlug einen Vermittler vor, Kardinal Samorè, den er dorthin entsandte. Er hat es dann nach sehr langen und schwierigen Verhandlungen geschafft. Aber es drohte, immer wieder zu misslingen.
Es war natürlich auch für den Papst ein großes Risiko. Denn bei anderen Vermittlungsversuchen oder Friedensaufrufen, denken wir an den Irakkrieg, ist er leider trotz wirklich intensiver Bemühungen und Friedensaufrufe gescheitert. Also es ist immer die Gefahr damit verbunden, dass man scheitert. Aber ich denke, das Risiko ist es eigentlich immer wert, es zu versuchen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sagt man Papst Leo XIV. nach, dass er sich in sozialen Fragen an Papst Leo XIII. orientiert, der ja eine Sozialenzyklika veröffentlicht hat. Glauben Sie, dass er sich auch in Fragen des Friedens an Leo XIII. orientieren wird?
Nersinger: Das scheint mir doch der Fall zu sein. Und ich traue ihm da auch einiges an Mut und an Cleverness zu. Und er wird diese Tugenden auch brauchen, denken wir an Russland und an die Ukraine, das ist nun wirklich ein sehr schwieriges Terrain. Aber ich denke, er wird es zumindest versuchen. Er weiß aber auch um die Gefahren – und um die Verantwortung, die er wahrnehmen muss
Das Interview führte Carsten Döpp.